
Der US-amerikanische Präsident Donald Trump will Gaza zu einem Aussenbesitz der Vereinigten Staaten machen und zu einer Riviera gentrifizieren. Netanjahu versteht, ohne Widerspruch anzumelden, diese «Idee» eines selbstermächtigten «Weltenmaklers» als Vorstellung von «einer anderen Zukunft für Gaza», die es wert sei, beachtet zu werden.
Inzwischen haben der Aussenminister Marco Rubio und Trumps Sprecherin Karoline Leavitt diese Pläne in ihrer Verbindlichkeit leicht revidiert, doch an der Kernaussage hat sich wenig geändert. Im Grunde schreiben sie bloss Ideen fort, die schon wenige Wochen nach dem 7. Oktober 2023 kursierten. Damals setzten Trumps Experten noch auf die Mitwirkung der Golfstaaten, die dadurch gewonnen werden sollten, dass ihnen die Kontrolle über Gaza zukäme und Gaza so zu einem Hub der Golfstaaten am Mittelmeer würde.
Trumps Gepoltere kann doppelt verstanden werden: Als Bestätigung seines messianischen Selbstentwurfs und/oder als Provokation, um Bewegung in die festgefahrene Lage zu bringen. Vielleicht hofft er, durch optimale Geschäftsbedingungen die Golfstaaten zu Kompromissen in der Zweistaatenlösung zu veranlassen.
Realistische Optionen durch maximale Absurdität?
Wenn man es nicht besser wüsste, könnte man so auf die Idee kommen, dass Trump eine subversive Strategie verfolgt, um Bewegung in die festgefahrene Situation zu bringen, indem er durch maximale Absurdität realistische Optionen schafft. Durch übertriebenen Paternalismus, vermeintliche Parteinahme für die gequälten Menschen in Gaza, indem man ihnen anderswo eine lebenswerte Heimat bietet, und die Definition von politischen Lösungen als «Deal» im Rahmen einer Geschäftsidee könnte es so aussehen, als wolle Trump lediglich das Paradigma im Nahen Osten ändern.
Aber Trumps langfristige Strategien deuten darauf hin, dass er es ernst meint. Er sieht sich berufen, mit der Macht der USA und der Wirtschaft die Welt zu «heilen», gewissermassen als weltpolitischen Deal: Er schafft Frieden, dafür wird Amerika wieder «gross». Dieses Sendungsbewusstsein zeigt sich auch in seinen Avancen in Sachen Panamakanal, Grönland und Mexiko.
Völkerrechtlich gehört der Gazastreifen seit den Osloer Verträgen zu den palästinensischen Autonomiegebieten (PA). Durch den Putsch der Hamas im Jahr 2007 wurde die Verwaltung faktisch von der Autonomiebehörde getrennt. Die Wiederherstellung der politischen Souveränität der PA über Gaza käme daher einer Wiederherstellung der völkerrechtlichen Situation gleich.
Trumps Vision, aus dem Gazastreifen eine levantinische Riviera zu machen, unterstreicht, wie sehr er die Welt als Objekt grosser wirtschaftlicher Projekte sieht. Er glaubt, wenn die Welt von diesem ökonomischen Denken erfasst wird, werden alle begeistert aufspringen und mitmachen. Er hofft, dass selbst die Türkei eine solche Gelegenheit, ihrer Bauindustrie Aufträge zu verschaffen, nicht ungenutzt verstreichen lässt. Er wird ausserdem hoffen, dass die VAE die Schaffung eines kleinen Dubai in Gaza als Chance definieren, die geostrategische Gefahrenlage am Golf auszugleichen. Vielleicht jongliert er sogar mit einer Beteiligung russischer Firmen.
Zweistaatenlösung wieder auf dem Tisch
Die gemeinsame Erklärung der Regierungen Saudi-Arabiens, der VAE, Katars, Ägyptens und Jordaniens an Rubio enthält eine merkwürdige Anerkennung von Trumps «Friedenswillen» und gleichzeitig eine entschiedene Ablehnung seiner Gaza-Pläne. Sie nutzen die Gelegenheit, um die Zweistaatenlösung wieder auf den Tisch zu bringen. Betrachtet man die palästinensische und israelische Bevölkerung, gibt es eigentlich keine Alternative. In Israel befürworten 60 Prozent die Zweistaatenlösung, in den palästinensischen Gebieten dürften es ebenso viele sein. Es käme jetzt nur darauf an, die alten Konfigurationen der Zweistaatenlösung zu reformieren und den Realitäten anzupassen.
Ausgangspunkt könnte der Olmert-Plan von 2008 sein. Damals wurde ein Landtausch vorgeschlagen, um etablierte israelische Siedlungsgebiete zu bewahren und der palästinensischen Bevölkerung Freizügigkeit in einem geschlossenen Staatsgebiet zu sichern. Wichtig wäre eine Roadmap hin zu dem erklärten Ziel, dem palästinensischen Volk die Möglichkeit zur politischen Souveränität zu geben. Es wäre dann auch Aufgabe der palästinensischen Politik, die Zukunft gutnachbarschaftlicher Beziehungen zu Israel zu entwickeln.
Bemerkenswert ist, dass in der Erklärung der fünf Staaten die Hamas nicht mehr erwähnt wird und die arabischen Staaten ihre Bereitschaft bekundet haben, den politischen, sozialen und wirtschaftlichen Wiederaufbau gemeinsam mit der palästinensischen Autonomiebehörde zu tragen. Die Verantwortung der Bevölkerung des Gazastreifens wird besonders hervorgehoben. Die arabischen Staaten sind offenbar bereit, eine Art Mandat für Gaza zu übernehmen, das den Wiederaufbau Gazas sicherstellt. Dies könnte auf eine arabische Variante des Dayton-Abkommens für Bosnien-Herzegowina von 1995 hinauslaufen, die zu einer Autonomie für Gaza führt. Und wenn diese international à la Dayton definiert wird und ein Mandat der «Weltgemeinschaft» bildet, könnte man sogar eine gewisse Konvergenz mit Trumps Plänen erkennen.
Minimale Chance für Trumps Idee
Es ist absehbar, dass über kurz oder lang eine Lösung nach saudischem oder nach Trumpschem Muster zum Tragen kommen wird. Wenn nicht, droht eine unbeschränkte Fortschreibung des Konflikts. Angedacht sind zum Beispiel eine permanente israelische Militärverwaltung ähnlich derjenigen im Westjordanland, die früher oder später zu einer Annexion führen würde. Denkbar sind ferner eine Politik der Aufrechterhaltung des Status quo einschliesslich der Kontrolle durch die Hamas oder eine begrenzte gemischte israelisch-palästinensische Kontrolle.
Trumps Idee hätte eine minimale Realisierungschance, wenn sie sich als Win-win-Möglichkeit bestimmen liesse. Aber genau dies dürfte wohl nicht der Fall sein, auch wenn Trump noch so überzeugt ist, sein Plan eben bedeutete doch eine Win-win-Situation. Für die Bevölkerung in Gaza läge ein Gewinn in der Erlangung politischer und sozialer Souveränität, auf deren Grundlage sie selbst über ihre Zukunft befinden und entscheiden könnte. Denn auch unter den Bewohnern des Gazastreifens gibt es ein breites Spektrum politischer Meinungen und sehr unterschiedliche Vorstellungen über ihre Zukunft. Nur in einem sind sie sich wirklich einig. Ihre Zukunft liegt in Gaza.