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USA/Ukraine/Russland

Trumps einäugige Vermittlung im Ukraine-Krieg

25. April 2025
Reinhard Meier
Reinhard Meier
Witkoff, Putin
Trumps Abgesandter Steve Witkoff mit Putin in St. Petersburg, 11. April 2025 (Foto: Keystone/EPA/GAVRIIL GRIGOROV/SPUTNIK)

Trumps persönlicher Abgesandter Steve Witkoff reist am Freitag zum vierten Mal nach Russland, um mit Putin über einen Waffenstillstand im Ukraine-Krieg zu verhandeln. Mit dem ukrainischen Präsidenten Selenskyj hat sich Witkoff bisher nie zu ähnlich ausführlichen Gesprächen in Kiew getroffen. Reden die Parteien aneinander vorbei statt über konkrete Kompromissformeln? 

Der ukrainische Präsident Selenskyj hat diese Woche wieder einmal Trumps Zorn erregt, weil dieser in einer Stellungnahme erklärt hatte, ein formeller Verzicht seines Landes auf die Halbinsel Krim, die Russland 2014 völkerrechtswidrig annektiert hatte, komme nicht in Frage, das würde gegen die ukrainische Verfassung verstossen. Trump kritisierte ihn darauf per Social-Media-Post als Friedensverhinderer und aufsässigen Provokateur. 

Die deutsche Nachkriegsteilung als mögliches Muster?

Dabei gäbe es in der Krim-Frage durchaus pragmatische und temporäre Kompromissmöglichkeiten. Zum Beispiel könnten sich für einen Waffenstillstand die Konfliktparteien darauf verständigen, dass die Ukraine die russische Besatzung der Halbinsel vorläufig als De-facto-Realität respektiert, deren juristische oder völkerrechtliche Zugehörigkeit aber offengelassen wird. Nach diesem Grundmuster war nach langen spannungsreichen Jahren im Kalten Krieg auch ein Modus vivendi zwischen den beiden deutschen Nachkriegsstaaten zustande gekommen. Ähnliches galt damals auch in Bezug auf die baltischen Staaten, die nach dem Zweiten Weltkrieg von der Sowjetunion annektiert worden waren, was insbesondere die USA nie völkerrechtlich anerkannt hatten. 

Es bleibt unverständlich, weshalb die Trump-Regierung bei ihren gegenwärtigen Vermittlungsbemühungen für eine Friedenslösung oder zumindest einen Waffenstillstand im Ukraine-Krieg derartige pragmatische Kompromissmuster nicht in den Vordergrund der Diskussion rückt. Für Kiew wäre es sicher wesentlich leichter, in einen Waffenstillstand mit Russland einzuwilligen, wenn dieser nicht mit der Moskauer Forderung nach einem endgültigen Verzicht auf die Krim sowie die von Russland nur teilweise besetzten ostukrainischen Provinzen Donezk, Luhansk, Cherson und Saporischja verknüpft würde. 

Diesen Anspruch hat dieser Tage Putins Sprecher Peskow mit dem billigen Argument begründet, dass die erwähnten Provinzen ebenso wie die Krim inzwischen zu einem verfassungsmässig legitimierten Teil Russlands geworden seien. Dass diese Territorien durch reine Willkürakte, die durch keine international anerkannten Entscheidungsverfahren legitimiert sind, dem russischen Staat zugeschlagen wurden, wird dabei übergangen. Peskow fügte als zusätzliche Voraussetzung für einen Waffenstillstand in einem Interview mit dem Magazin «Le Point» einen Verzicht auf weitere westliche Waffenlieferungen an die Ukraine hinzu. Zudem äusserte er dezidierte Zweifel daran, dass Russland die Stationierung von ausländischen Schutztruppen zur Überwachung eines eventuellen Waffenstillstandes in der Ukraine akzeptieren würde. 

Trumps Abgesandter reist nicht nach Kiew 

Von all diesen Detailfragen ist in den Verlautbarungen, die bisher nur bruchstückhaft über den von der Administration Trump angeblich gegenüber Kiew und Moskau vorgelegten «Friedensplan» bekannt geworden sind, nicht die Rede. Man kann aber annehmen, dass Trumps Unterhändler und persönlicher Freund, der Immobilienunternehmer Steve Witkoff, sich über solche Modalitäten mit Putin ausführlich unterhalten wird, wenn er mit ihm am Freitag zu einer neuen Gesprächsrunde zusammensitzt. Es ist bereits das vierte derartige Zusammentreffen des Trump-Vertrauten mit dem Kremlchef zum Thema Waffenstillstand. 

Das wirft die naheliegende Frage auf, weshalb Witkoff nach solchen Gesprächen in Moskau noch nie in Kiew Zwischenstation gemacht hat, um mit dem ukrainischen Präsidenten ebenso ausführlich über dessen Vorstellungen für einen Waffenstillstand und über Möglichkeiten für Annäherungen zwischen den beiden Positionen zu reden. Bei diesem sehr einseitigen Konsultationsverfahren Washingtons verfestigt sich nicht nur in Kiew die Meinung, Trump konzentriere sich bei seinen Bemühungen um die Beilegung des Ukraine-Krieges allein darauf, dem russischen Aggressor einen «Deal» schmackhaft zu machen und die langfristigen Interessen Kiews als nebensächlich oder irrelevant beiseite zu wischen. An diesem Eindruck ändert sich auch nicht viel, wenn Trump für einmal eine kritische Nachricht mit dem Text «Wladimir, Stopp!» verschickt, wie dies am Donnerstag nach den jüngsten schweren Raketenangriffen auf die ukrainische Hauptstadt Kiew geschehen ist. 

Abwendung der USA vom Ukraine-Konflikt?

Von früheren Äusserungen im Umkreis des neuen amerikanischen Präsidenten über die Möglichkeit einer massiven Aufstockung der US-Militärhilfe an Kiew, falls Russland keine Bereitschaft zeige, innert nützlicher Frist einen Waffenstillstand zu akzeptieren, ist dagegen seit Monaten nichts mehr zu hören. Doch Hinweise auf dieses alternative Druckmittel sollte Trumps Unterhändler Witkoff bei seinen Gesprächen im Kreml nicht einfach unter den Tisch fallen lassen. Würde es mit dem nötigen Nachdruck eingesetzt, hätte es Putin wohl nicht gewagt, das schon im März von Kiew und Washington lancierte Angebot für einen dreissigtägigen umfassenden Waffenstillstand durch endlose Ausreden und Ablenkungsmanöver zu torpedieren.

Trump und seine Adlaten haben auf diese einseitige Absage Moskaus zu einer wenigstens temporären Waffenruhe nur mit der alles andere als beeindruckenden Ankündigung reagiert, man werde sich nicht mehr weiter um den Ukraine-Krieg kümmern, wenn mit beiden Konfliktparteien nicht in Kürze ein Abkommen zustande komme. Die Aussicht auf einen solchen Rückzug Amerikas wird Putin schwerlich zu einer Abkehr vom angestrebten Diktatfrieden und zu akzeptablen Kompromissen mit der Ukraine bewegen. Ganz im Gegenteil, der Kriegsherr im Kreml hätte allen Grund, sich zufrieden die Hände zu reiben, wenn Washington sich von der weiteren Beschäftigung mit dem Ukraine-Konflikt abwenden würde. 

Die Hoffnung, dass Trumps Abgesandter Witkoff, der bisher durch schmeichlerische Äusserungen über Putin aufgefallen ist, wirksame Anstrengungen unternimmt, um den Kreml vom entschlossenen Willen Washingtons zur Durchsetzung einer auch für die Ukraine akzeptablen und haltbaren Friedenslösung zu überzeugen, hält sich leider in engen Grenzen. 

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