
US-Präsident Donald Trump will die Ukraine in einen Diktatfrieden drängen, der die Grossmachtansprüche von Russlands Machthaber Vladimir Putin akzeptiert. Damit macht sich Trump zum Steigbügelhalter für die Ausweitung russischer Einflusssphären in Osteuropa. Die neue US-Politik stellt das überrumpelte Europa vor eine Zerreissprobe.
«Nach dem, was ich von unseren russischen Freunden … gesehen habe, bin ich überzeugt, … dass sie nichts mehr verachten als Schwäche, vor allem militärische Schwäche», sagte der britische Politiker Winston Churchill 1946 in einer Rede über den Eisernen Vorhang. Trump scheint von einer solchen Charakterisierung Russlands wenig zu halten. Schon bevor die eigentlichen Verhandlungen mit Putin über die Zukunft der Ukraine begonnen haben, hat der US-Präsident dem russischen Herrscher gegenüber weitreichende Zugeständnisse gemacht. Trump will die Ukraine nicht in die NATO aufnehmen, keine US-Truppen zur Überwachung eines Waffenstillstands bereitstellen und europäischen Friedenstruppen in der Ukraine keinen NATO-Schutz anbieten. Nicht einmal Trump-Unterstützer können diese unbedarften Konzessionen, anscheinend ohne jegliche Gegenleistung von Putin, als kluge Taktik schönreden.
Unterwanderung
Der französische Präsident Emmanuel Macron und der britische Premierminister Keir Starmer versuchen jetzt eiligst, Trumps freundlichen Kurs gegenüber Russland zu korrigieren. Der US-Präsident soll davon überzeugt werden, Putin in den Friedensverhandlungen unter Druck zu setzen. Besonders die osteuropäischen Staaten warnen davor, dass Putins Grossmachtgelüste nicht abklingen werden, sollte Russland gestärkt aus den Ukraine-Friedensverhandlungen hervorgehen. Die Dezimierung der russischen Armee nach drei Kriegsjahren macht zwar einen weiteren konventionellen Angriffskrieg Russlands in naher Zukunft unwahrscheinlich. Doch der hybride Krieg, den Russland seit Langem gegen Europa führt, würde ein von Trump gestärkter Putin wohl mit neuem Elan weitertreiben.
Der russische Machthaber braucht ein gespaltenes und krisengeschütteltes Europa, um möglichst ungestört Osteuropa unterwandern, angreifen und letztlich beherrschen zu können. Das ist - mit einem kurzen Unterbruch in den 1990er und Anfang der 2000er Jahre - seit Jahrzehnten die Ausrichtung der sowjetischen und russischen Aussenpolitik. Eine Zäsur ist, dass Europa bei der Abwehr russischer Operationen erstmals nicht mehr auf die Unterstützung der USA zählen kann. Vielmehr unterstützt das Umfeld des US-Präsidenten hemmungslos Parteien, die Russlands Destabilisierungsoperationen in Europa verharmlosen. Und Trump stellt die Bereitschaft der Amerikaner in Frage, den Europäern im Rahmen des Nato-Verteidigungspaktes im Kriegsfall beizustehen.
Zerreisprobe
Putin wird die Gunst der Stunde amerikanischer Schwäche kaum ungenutzt lassen. Europa muss sich darauf einstellen, dass Russland Sabotageakte, Hackerangriffe, Desinformationskampagnen, Einflussnahmen bei Wahlen, Mordanschläge und das Einschleusen von Flüchtlingen jederzeit intensivieren könnte. Das Wall Street Journal hat Mitte Februar enthüllt, wie eine 2023 gegründete russische Geheimdienst-Einheit für «Umstürze, Attentate, Bombenanschläge und Cyberattacken» eingesetzt wird. Es ist ein weiteres Glied in einer langen Reihe von aufgedeckten russischen Operationen in Europa.
Bedroht von Putin und verschmäht von Trump, steht Europa vor einer gewaltigen Zerreissprobe. Ohne europaweit koordinierte Anstrengungen gegen russische Attacken und einen Diktatfrieden in der Ukraine wird Putin weiter versuchen Europa zu destabilisieren und seine Herrschaftsansprüche über Osteuropa durchzusetzen. Churchills Warnung aus seiner Rede über den Eisernen Vorhang hat nichts an Aktualität eingebüsst: «Unsere Schwierigkeiten und Gefahren werden nicht dadurch beseitigt, … dass wir einfach abwarten und schauen was geschieht, und sie werden auch nicht durch eine Politik der Beschwichtigung beseitigt.»