
Der Trump-Clan versucht zum zweiten Mal, globale demokratische Errungenschaften zu zertrümmern. Putin hat nie etwas von Demokratie gehalten und sieht sich als Zar im 21. Jahrhundert. Europa schreckt gerade unsanft aus dem Tiefschlaf auf und versucht, sein demokratisches Verständnis mit neuen Milliarden-Schulden zu besänftigen.
In der Schweiz drehen sich die demokratischen Diskussionen um ewige Neutralität und das Vertrauen in die Regierung schwindet. Allen Ernstes wird gefordert, dass wer seine Schulden nicht bezahlen kann, davon befreit werden müsse.
Ein Neoimperialist richtet aus dem Weissen Haus ein weltweites Chaos an. Seine erratische Geopolitik verdient den Namen Politik in keiner Weise, eher wäre zum Beispiel US-Isolationismus angebracht. Mangels Verantwortungsgefühl wähnt er sich als Box-Champion, der danach trachtet, seine Gegenspieler erbarmungslos flachzulegen. Am liebsten würde er morgen schon Mexiko, Kanada, Grönland als Gliedstaaten der USA annektieren und im selben Atemzug seine Truppen und Geldmittel aus dem «Trittbrettfahrer» Europa abziehen. Ökonomen weltweit sind sich darin einig, dass Trumps Zollerhöhungen falsch sind und die lauthals verkündete Lockbotschaft «Zölle können die USA wieder reich machen» nicht erfüllen. Die Konsequenzen seines Tuns scheinen ihn allerdings im Moment nicht zu interessieren, das ist ausserhalb seines Vorstellungsradius.
Das US-Volk ist gespalten: hier Standing Ovations für, dort fassungslose Lähmung gegen das Wüten ihres Präsidenten.
In Moskau sitzt der tatsachenverdrehende Autokrat scheinbar fest im Sattel. Seine ideologisch/autokratische Fantasie entwickelt sich unaufhörlich Richtung persönlichen Machtgewinns. Während sich in den USA noch viele Menschen über die momentane Entwicklung wundern, hat die Bevölkerung Russlands längst gelernt zu erdulden, ohne zu mucken. Die unverschämten Raubzüge des Präsidenten in der Ukraine werden – geht es nach seiner Strategie – nicht die letzten sein.
Das Volk hat schon gar nichts zu sagen.
In Europa stehen die Fahnen auf Halbmast. In Deutschland – als Beispiel – ist die Trauer über den Verlust der weltweiten Autoprestigemarken-Führung gross. Auch der Verlust der einstigen politischen und technischen Innovationskraft schmerzt. In der EU ging längst jeder Drive verloren, um mit «feindlichen» Mitgliedern in den eigenen Reihen umzugehen. Der kürzlich spektakulärste Entscheid seit Jahren: gewaltige Aufstockung der Schulden, um verpasste Investitionen nachzuholen.
Es scheint, dem europäischen Volk sei das Interesse an Politik abhandengekommen und die Thematik persönliche Sicherheit werde schlicht verdrängt.
Bleibt die Schweiz. Realisieren wir, dass um unser Land herum Diktatoren, Autokraten, Egoisten und Verrückte daran sind, die rechtsbasierte globale Ordnung zugunsten ihrer persönlichen Interessen- und Machtpolitik zu pulverisieren? Konzentrieren wir uns lieber auf fruchtlose Diskussionen um ewige Neutralität unseres Landes, einen fiktiven Zustand, der nie war und heute völlig entrückt, ja feige, anmutet? Oder verlieren wir uns weiterhin jahrelang in isolationistische Grabenkämpfe über unser Verhältnis zur EU? Jetzt, da sich ein Zusammenrücken der europäischen Demokratien aufdrängt und wir ohne Verbündete und Gleichgesinnte einer eher ungewissen Zukunft entgegensteuern? Können wir endlich akzeptieren, dass unsere helvetische Freiheit nicht durch mediale «Hellebardenkämpfe» im Albisgüetli garantiert wird?
Die Zukunft Europas
Ein Team aus Forschenden der Universität Zürich hat sich der Frage gestellt, was Europa für eine erfolgreiche Zukunft brauchen würde. Bevor wir uns selbst fragen, was wir Schweizerinnen und Schweizer denn bräuchten, um unsere Existenz zukünftig chancenreich zu gestalten: Hier sind einige Erkenntnisse der Forschenden aus verschiedenen Disziplinen (alle folgenden Zitate aus: UZH 1/25).
Um erfolgreich zu bleiben, muss Europa gemeinsam handeln. «Europa muss sich zusammenraufen, um sich zu behaupten und Lösungen für die grossen globalen Probleme zu finden.» Nicht überraschend wird unterstrichen, dass ideologische Gräben zu überwinden und verstärkte wissenschaftliche Zusammenarbeit unbedingt notwendig sein werden. Schliesslich ist der Binnenmarkt besser zu nutzen und strategische Unabhängigkeit zu wahren, um einer nachhaltig verträglichen Zukunft entgegenzugehen.
«Europa ist gefordert: im Innern durch den Populismus, von aussen durch China und die USA, die unter Trump vom Partner zum Rivalen werden könnten.» Für uns wichtig zu realisieren sei – so die Meinung der Autoren –, dass der (autoritäre) Populismus die Demokratie untergräbt. Dass der Nationalismus den Zusammenhalt der EU gefährdet. Dass eine zersplitterte Parteienlandschaft die Regierungsbildung erschwert. Dass Russland Europas Sicherheit bedroht.
Tobias Straumann, Wirtschaftshistoriker an der Uni Zürich, erinnert daran, dass es immer «die grosse Stärke Europas war, dass man Dinge zugelassen hat, die die Welt verändern». So habe die Erfindung des Buchdrucks letztlich zur Reformation geführt. Diese grosse zivilisatorische Leistung steht im Gegensatz zur heutigen inflatorischen Kreierung von Standards und Regulierung, was nicht die Zukunft bedeuten kann.
Und noch das: In Grossbritannien ist die einstige Euphorie über den Brexit längst verflogen …
Die Schweiz im 21. Jahrhundert
Die Schweiz, reich geworden u. a. durch den Handel mit unseren europäischen Nachbarn, sollte sich endlich eingestehen, dass eine verstärkte Kooperation mit diesen die beste Option für eine erfolgreiche, langfristige Zukunft bedeutet. Statt die Abstimmung zu einem neuen EU-Vertrag vor uns herzuschieben und aus Angst vor den ewigen Abkommens-Gegnern zu zögern, wäre der Entscheid zu forcieren. Jetzt, da die Gewerkschaften endlich bereit für ein Ja sind, stehen die Chancen gut, dass wir Nägel mit Köpfen machen können. Wer da heute immer noch von Unterwerfung palavert, soll das ruhig auch weiterhin dürfen …
Die Schweiz ist Europa. In diesem Sinne sind die von der UZH publizierten Studienpunkte für Europa auch zutreffend für unser Land: Gemeinsam handeln (Polarisierung bekämpfen), ideologische Gräben überwinden («Kompass-Initiative» ignorieren), verstärkte wissenschaftliche Zusammenarbeit (heute nicht möglich mit EU), den Binnenmarkt besser nutzen (statt mit immer neuen Vorschriften einzuschränken), strategische Unabhängigkeit wahren (statt «gekaufte» Politik durch verdeckte Medienbeeinflussung von Milliardären zu dulden), gemeinsam ehrlich nachhaltige Zukunft anstreben (statt den Begriff inflatorisch unehrlich zu verwenden, was mit Greenwashing verstanden wird).
Es gibt viel zu tun.