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Unesco Welterbe

Tiwanaku

13. Juni 2013
Georg Gerster
Die Ruinen von Tiwanaku am Südende des Titicaca-Sees
Der Ruinenkomplex von Tiwanaku (vormals zungenbrecherischer Tiahuanaco) liegt nahe dem Südende des Titicacasees auf dem bolivianischen altiplano in über 3800 m Höhe, eine archäologische Fundstätte ungleich jeder andern in Südamerika. Unwirtlicher, kahler, karger geht’s nimmer. Umso erstaunlicher die monumentalen Bauten – oder was eben nach ihrer Nutzung als Steinbruch für La Paz und umliegende Kirchen von einem halben Dutzend Kultanlagen übrig ist. Das …
Die Ruinen von Tiwanaku am Südende des Titicaca-Sees
Der Ruinenkomplex von Tiwanaku (vormals zungenbrecherischer Tiahuanaco) liegt nahe dem Südende des Titicacasees auf dem bolivianischen altiplano in über 3800 m Höhe, eine archäologische Fundstätte ungleich jeder andern in Südamerika. Unwirtlicher, kahler, karger geht’s nimmer. Umso erstaunlicher die monumentalen Bauten – oder was eben nach ihrer Nutzung als Steinbruch für La Paz und umliegende Kirchen von einem halben Dutzend Kultanlagen übrig ist. Das noch aufgehende Mauerwerk besteht aus grossen, präzis geschnittenen, mörtellos gefügten Blöcken.

Den Hof eines halb unterirdischen Heiligtums (auf dem Flugbild ganz unten) frieden Wände mit skulptierten Menschenköpfen ein, ein Hinweis auf Kopfjagd. Auf der im Bild anschliessenden Plattform für einen Tempel steht (in der oberen rechten Ecke) das sogenannte Sonnentor, eine Ikone der Vorinkazeit. In dem Puzzle der vorinkaischen Kulturen hat Tiwanaku von jeher die Rolle eines Jokers. Sogar Archäologen zitieren gerne Tiwanaku-Einfluss, wenn eine Leerstelle im Bild einer Regionalkultur zu füllen ist. Und erst die Obskuranten und Spintisierer vom Dienst – für sie ist Tiwanaku ein Geheimnisknochen, den abzunagen sie nicht müde werden: Gegründet wurde es von Götterastronauten schon im Tertirär; 250 000 oder auch nur 25000 Jahre soll es alt sein, die älteste Stadt der Erde. Undsofort undsofort. Möge man sich über solche Phantastereien damit hinwegtrösten, dass ja auch Wissenschaft immer nur der aktuelle Stand unseres Unwissens ist – und Tiwanaku gibt zweifellos mehr Fragen auf, als es gesicherte Antworten zulässt.

Siedlungsspuren hier sind wenigstens dreitausend Jahre alt. Aber erst als die Dörfler die Enge ihrer ökologischen Nische mit verbesserten Anbautechniken für Kartoffeln, Bohnen und Quinoa sprengten und Agrarüberschüsse erzeugten, erblühte Tiwanaku im ersten Jahrtausend n. Chr., zwischen 300 und 900, zu einem religiösen und kulturellen Zentrum des südlichen Andenraums. Auch politisch entwickelte es Ambitionen. Es dominierte das heutige Bolivien und darüber hinaus den Nordwesten Argentiniens, das nördliche Chile und das südliche Peru.

Die Forschung sieht zunehmend Tiwanaku als Kapitale eines ersten Grossreichs in den Anden – auch wenn dieses Gebilde kaum die straffe Bürokratie des späteren Inkareichs vorwegnahm. Tiwanaku wurde im Jahr 2000 Welterbestätte. Bolivien setzte in letzter Minute durch, dass Tiwanaku entgegen dem ursprünglichen Antrag ausdrücklich nicht nur als spirituelles, sondern auch als politisches Zentrum (mit einst bis an den Pazifik reichender Macht) gewürdigt werde. Schon möglich, dass es damit einfach die archäologische Neuorientierung nachholte. Aber vielleicht ist die Umbenennnung auch eine Botschaft durch die Blume an Chile und Peru: der isolierte Andenstaat Bolivien kann den Verlust von Küste und Meer (1884, nach dem Salpeterkrieg) nicht verschmerzen. – Jahr des Flugbilds: 1994 (Copyright Georg Gerster/Keystone)
Die Ruinen von Tiwanaku am Südende des Titicaca-Sees

Der Ruinenkomplex von Tiwanaku (vormals zungenbrecherischer Tiahuanaco) liegt nahe dem Südende des Titicacasees auf dem bolivianischen altiplano in über 3800 m Höhe, eine archäologische Fundstätte ungleich jeder andern in Südamerika. Unwirtlicher, kahler, karger geht’s nimmer. Umso erstaunlicher die monumentalen Bauten – oder was eben nach ihrer Nutzung als Steinbruch für La Paz und umliegende Kirchen von einem halben Dutzend Kultanlagen übrig ist. Das noch aufgehende Mauerwerk besteht aus grossen, präzis geschnittenen, mörtellos gefügten Blöcken.

Den Hof eines halb unterirdischen Heiligtums (auf dem Flugbild ganz unten) frieden Wände mit skulptierten Menschenköpfen ein, ein Hinweis auf Kopfjagd. Auf der im Bild anschliessenden Plattform für einen Tempel steht (in der oberen rechten Ecke) das sogenannte Sonnentor, eine Ikone der Vorinkazeit. In dem Puzzle der vorinkaischen Kulturen hat Tiwanaku von jeher die Rolle eines Jokers. Sogar Archäologen zitieren gerne Tiwanaku-Einfluss, wenn eine Leerstelle im Bild einer Regionalkultur zu füllen ist. Und erst die Obskuranten und Spintisierer vom Dienst – für sie ist Tiwanaku ein Geheimnisknochen, den abzunagen sie nicht müde werden: Gegründet wurde es von Götterastronauten schon im Tertirär; 250 000 oder auch nur 25000 Jahre soll es alt sein, die älteste Stadt der Erde. Undsofort undsofort. Möge man sich über solche Phantastereien damit hinwegtrösten, dass ja auch Wissenschaft immer nur der aktuelle Stand unseres Unwissens ist – und Tiwanaku gibt zweifellos mehr Fragen auf, als es gesicherte Antworten zulässt.

Siedlungsspuren hier sind wenigstens dreitausend Jahre alt. Aber erst als die Dörfler die Enge ihrer ökologischen Nische mit verbesserten Anbautechniken für Kartoffeln, Bohnen und Quinoa sprengten und Agrarüberschüsse erzeugten, erblühte Tiwanaku im ersten Jahrtausend n. Chr., zwischen 300 und 900, zu einem religiösen und kulturellen Zentrum des südlichen Andenraums. Auch politisch entwickelte es Ambitionen. Es dominierte das heutige Bolivien und darüber hinaus den Nordwesten Argentiniens, das nördliche Chile und das südliche Peru.

Die Forschung sieht zunehmend Tiwanaku als Kapitale eines ersten Grossreichs in den Anden – auch wenn dieses Gebilde kaum die straffe Bürokratie des späteren Inkareichs vorwegnahm. Tiwanaku wurde im Jahr 2000 Welterbestätte. Bolivien setzte in letzter Minute durch, dass Tiwanaku entgegen dem ursprünglichen Antrag ausdrücklich nicht nur als spirituelles, sondern auch als politisches Zentrum (mit einst bis an den Pazifik reichender Macht) gewürdigt werde. Schon möglich, dass es damit einfach die archäologische Neuorientierung nachholte. Aber vielleicht ist die Umbenennnung auch eine Botschaft durch die Blume an Chile und Peru: der isolierte Andenstaat Bolivien kann den Verlust von Küste und Meer (1884, nach dem Salpeterkrieg) nicht verschmerzen. – Jahr des Flugbilds: 1994 (Copyright Georg Gerster/Keystone)

 

 

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