Nach dem russischen Rückzug aus dem Norden der Ukraine würden Tausende Ukrainer und Ukrainerinnen vermisst, sagte Präsident Selenskyj. Sie seien entweder getötet oder nach Russland deportiert worden. In Butscha und Umgebung werden immer mehr Tote gefunden. Um Spuren zu verwischen, würden Leichen in mobilen Krematorien verbrannt, erklärte der Bürgermeister von Mariupol.
Wird laufend aktualisiert
- Funksprüche bestätigen russische Täterschaft
- Die Ukraine verlang «Waffen, Waffen, Waffen»
- Matriupol vor dem Fall?
- «Tausende Vermisste»
- Mobile russische Krematorien
- Exodus aus dem Donbass
- Harte EU-Sanktionen
- Harte US-Sanktionen
- Nato erwartet «langen Krieg»
- Flucht aus Mariupol
- Moderne russische Minen
«Tötet sie alle, verdammt!»
Nach Angaben des Nachrichtenmagazins «Der Spiegel» hat der deutsche Auslandgeheimdienst Funksprüche abgefangen, welche die russische Täterschaft in Butscha und Umgebung beweisen sollen. In einem der Funksprüche erzählte ein Soldat, wie er und ein Kollege einen Zivilisten vom Velo geschossen hätten. In einem vom ukrainischen Geheimdienst in Mariupol aufgefangenen Funkspruch befiehlt ein russischer Kommandant seinen Einheiten: «Tötet sie alle, verdammt! Zivilisten, alle, tötet sie alle!»
«Spitze des Eisbergs»
Die Russen hätten ihre Taktik geändert. Sie würden jetzt die Leichen nicht mehr liegenlassen, wie in Butscha, sondern sie von den Strassen und aus Häusern einsammeln, verstecken oder verbrennen. «Wir wissen bereits von Tausenden Vermissten», sagte Selenskyj.
Das Morden in Butscha sei möglicherweise nur «die Spitze des Eisberges», hatte die amerikanische Regierungssprecherin Jen Psaki am Mittwoch erklärt. Zu vielen Gebieten, aus denen die Russen abziehen mussten, hätten die Ukrainer noch keinen Zugang. «Wahrscheinlich wurden auch dort Gräueltaten begangen», sagte Psaki.
Die Leichen von Butscha
Die in der Kleinstadt Butscha eingesammelten Toten werden in ein Leichenschauhaus in der Hauptstadt Kiew gebracht. Dort werden sie von ukrainischen und internationalen Forensikern obduziert. Auch rund um Butscha sind offenbar Dutzende Zivilisten von den Russen umgebracht worden. Putin bezeichnete am Mittwoch die Ereignisse in Butscha als «plumpe und zynische Provokation des Kiewer Regimes».
Die Russen im Zentrum von Mariupol?
Pro-russische Einheiten und russische Streitkräfte kontrollieren nach eigenen Angaben das Stadtzentrum von Mariupol. Die etwa 3’000 ukrainischenSoldaten, die sich noch in der Stadt befinden, seien zurückgedrängt worden. Dies erklärt Eduard Bassurin, ein Sprecher der pro-russischen Kräfte. Jetzt werde vor allem noch um den Hafen der Stadt sowie um ein Stahlwerk gekämpft. Überprüfen lassen sich diese Angaben nicht. Nach Zeugenaussagen ist die humanitäre Lage in der Stadt katastrophal. Es wird befürchtet, dass der Beschuss und die Belagerung der Stadt mehr als zehntausend Tote gefordert hat. Die russischen Kräfte weigern sich, Hilfssendungen in die Stadt kommen zu lassen.
Die Ukraine verlangt mehr Waffen
Der ukrainische Aussenminister Dmytro Kuleba sagte am Nato-Ministertreffen in Brüssel, sein Land brauche zusätzliche Waffen. «Wenn wir nicht schnell zusätzliche Militärhilfe erhalten, wird es noch mehr Gräueltaten geben», sagte er. «Meine Tagesordnung ist sehr einfach. Sie enthält nur drei Punkte: Waffen, Waffen und Waffen», sagte er.
Obwohl die Ukraine kein Mitglied der Nato ist, wird sie von der Allianz unterstützt. Viele Nato-Länder liefern bereits Waffen an die Ukraine. «Je mehr Waffen wir bekommen und je schneller sie in der Ukraine ankommen, desto mehr Menschenleben werden gerettet, desto mehr Städte und Dörfer werden nicht zerstört, und es wird keine Butschas mehr geben», sagte Kuleba.
Exodus aus dem Donbass
Die Menschen in den ostukrainischen Regionen im Donbass erwarten heftige Angriffe der russischen Armee. Tausende haben sich auf die Flucht nach Westen gemacht. Nachdem Russland sich aus dem Norden der Ukraine zurückgezogen hatte, sollen sich die russischen Truppen nach eigenen Angaben jetzt auf den Krieg im Osten und Süden konzentrieren. Die nahe beim Donbass liegende ostukrainische Stadt Charkiw, die zweitgrösste Stadt in der Ukraine, wird seit Tagen beschossen.
Neue EU-Sanktionen
Die EU will den Kauf russischer Kohle verbieten. Die am Mittwoch begonnenen Gespräche der EU-Staats- und Regierungschef werden am Donnerstag fortgeführt. Russischen Schiffen soll verboten werden, in EU-Häfen anzulegen. Auch sollen russische und belarussische Transportunternehmen nicht mehr in die EU liefern dürfen. Sollten die Massnahmen angenommen werden, wären es die härtesten, die die EU bisher getroffen hat. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen schliesst auch ein Embargo für russisches Öl nicht aus. Das würde Russland hart treffen, den Westen allerdings auch. Der ukrainische Aussenminister Dmytro Kuleba schrieb auf Twitter, dass ein Embargo auf Gas und Öl notwendig sei, um Russlands Fähigkeit, den Krieg zu finanzieren, wirklich zu beeinflussen.
Auch die USA kündigen Sanktionen an
Das Weisse Haus kündigt an, neue, harte Sanktionen gegen Russland zu verhängen. Betroffen ist Russlands grösste Bank, die Sberbank, sowie die Alfda Bank, das grösste private Finanzinstitut des Landes. Amerikanische Bürger dürfen in Russland nicht mehr investieren. Sanktioniert werden auch die zwei erwachsenen Kinder von Putin, Katerina Wladimirowna Tichonowa und Maria Wladimirowna Woronzowa, ferner die Frau und die Tochter von Aussenminister Lawrow sowie weitere Mitglieder des Nationalen Sicherheitsrats. Betroffen ist auch der frühere Staatschef Dmitri Medwedew und seine Familie. «Mit dieser Massnahme werden sie vom US-Finanzsystem abgeschnitten und ihre Vermögenswerte in den Vereinigten Staaten sind eingefroren», schreibt die amerikanische Regierung.
Wer sind die sanktionierten Putin-Töchter?
Nach amerikanischen Angaben ist Katerina Tichonowa «eine Führungskraft in der Technologiebranche, die mit ihrer Arbeit die russische Regierung und die Verteidigungsindustrie unterstützt». Ihre Schwester Maria Woronzowa leite «staatlich finanzierte Programme, die vom Kreml Milliarden von Dollar für die Genforschung erhalten haben und von Putin persönlich beaufsichtigt werden».
Russische Truppen in Belarus
Russland hat alle seine Truppen, die gegen die Städte Kiew und Tschernihiw in Stellung gebracht worden waren, abgezogen und sie nach Belarus und Russland zurückgeschickt. Dort sollen sie neu bewaffnet und mit Nachschub versorgt werden, erklärt ein hochrangiger Pentagon-Beamter am Mittwoch.
«Ein langer Krieg»
Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg rechnet damit, dass der Krieg in der Ukraine «viele Monate oder sogar Jahre dauern» könnte. An der Nato-Tagung in Brüssel sagte Stoltenberg, es gebe keine Anzeichen dafür, dass Putin auf die ganze Ukraine verzichten wolle.
Biologische Waffenlabors in der Ukraine?
Russland wirft den USA vor, in der Ukraine biologische Waffenlabors zu finanzieren. Die Uno erklärt, es lägen keine Beweise dafür vor. Die USA wiesen die Behauptung als Propaganda zurück. Russland erhob den Vorwurf an einer informellen Sitzung des Sicherheitsrats, an der die USA und Grossbritannien nicht teilnahmen.
G20-Treffen ohne Russland?
Sollte Russland am nächsten G20-Treffen teilnehmen, werden die USA abseits stehen. Präsident Biden will sich nicht mit russischen Delegierten an den gleichen Tisch setzen. Janet Yellen, die amerikanische Finanzministerin, sagte, «der Präsident hat klar gemacht, dass es für Russland in keiner der Finanzinstitutionen ein ‘business as usual’ geben kann». Das nächste G20-Meeting soll Mitte November im indonesischen Bali stattfinden.
Angriffe auf Mykolajiw und Mariupol
Russische Streitkräfte bombardieren zunehmend zivile Ziele in der Hafenstadt Mykolajiw am Schwarzen Meer. Auch Mariupol wird heftig beschossen. Dort ist es dem IKRK, dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz, noch immer nicht gelungen, dringende Hilfslieferungen in die Stadt zu bringen und Zehntausende zu evakuieren. Etwa 130’000 Menschen sind dort unter schrecklichsten Bedingungen eingekesselt.
500 gelingt die Flucht aus Mariupol
Mehr als 500 Menschen sind am Mittwoch auf eigene Faust mit eigenen Fahrzeugen aus der eingekesselten Hafenstadt Mariupol geflohen. Sie wurden nach dem Verlassen der Stadt vom IKRK in Empfang genommen und in die Stadt Saporischschja geleitet. IKRK-Delegationsleiter Pascal Hundt machte die Russen dafür verantwortlich, dass sie Hilfslieferungen in die Stadt und die Evakuierung Zehntausender blockiere.
Belastete Friedensgespräche
Der türkische Aussenminister Mevlüt Çavuşoğlu sagte, die Bilder aus Butscha hätten «die relativ positive Atmosphäre», die bei den Friedensgesprächen in Istanbul erreicht wurde, beschädigt. Die Türkei bleibe jedoch vorsichtig optimistisch, was die Verhandlungen angehe, und erwarte, dass die Gespräche wieder aufgenommen würden.
Russland im Menschenrechtsrat suspendiert?
Die Uno-Generalversammlung wird heute, Donnerstag, unter Führung der USA über die Suspendierung Russlands aus dem Uno-Menschenrechtsrat abstimmen. Dies erklären Diplomaten. Um ein Land auszuschliessen, braucht es eine Zwei-Drittel-Mehrheit der 193 Uno-Mitglieder. 2011 war Libyen aus dem Menschenrechtsrat ausgeschlossen worden.
Orban schert aus
Der am Sonntag wiedergewählte ungarische Präsident Viktor Orbán hat mit Wladimir Putin telefoniert und wird der russischen Forderung nachkommen und russische Energielieferungen in Rubel bezahlen. Damit stellt er sich gegen einen Beschluss der EU. Orbán, der als Putin-Freund gilt, hat angeboten, einen Waffenstillstand in der Ukraine zu vermitteln. «Wenn die Russen Rubel verlangen, zahlen wir in Rubel», sagte er.
Neue russische Minen
Die Russen scheinen nach Angaben der New York Times einen neuen Waffentyp einzusetzen: eine hochmoderne Landmine, die mit Sensoren ausgestattet ist, die erkennen können, wenn sich ein Mensch in der Nähe befindet. Ukrainische Bombentechniker hätten den Sprengkörper, der «POM-3» genannt wird, in der Nähe von Charkiw entdeckt.
Drohen-Ausbildung
Amerikanische Militärspezialisten lehren ukrainische Soldaten den Einsatz bewaffneter amerikanischer Drohnen vom Typ Switchblade. Dies gab Verteidigungsminister Lloyd J. Austin vor dem Repräsentantenhaus bekannt. Die USA hatten der Ukraine Dutzende solcher Drohen geliefert, mit denen russische Panzer und Militärfahrzeuge angegriffen werden können.
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Journal 21