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Aktivisten der ägyptischen Revolution unter Druck

Streik- und Demonstrationsverbot in Ägypten

10. Juni 2011 , Zug und Madrid
Journal21
Am 8. Juni hat die ägyptische Regierung erklärt, sie bestätige das Gesetz, nach dem Teilnehmer und Anstifter von Streiks und Demonstrationen, welche die Produktivität schädigten, mit schweren Bussen und mit Gefängnisstrafen bis zu drei Jahren bestraft werden sollen, und sie gedenke, es von nun an strikte anzuwenden.

Das Gesetz wurde ursprünglich 24. März dieses Jahres erlassen und vom regierenden Obersten Rat der Streitkräfte (englische Abkürzung SCAF) einen Monat später ratifiziert. Dies war unmittelbar, nachdem Demonstranten in Kairo den Sitz der zivilen Geheimpolizei in Brand zu stecken versucht hatten und die ägyptische Börse ein historisches Tief erreichte. Doch bisher war dieses Gesetz nicht systematisch sondern eher episodisch zur Anwendung gekommen.

Die ägyptische Menschenrechts-Vereinigung und das "Unabhängige Zentrum für Dienste für Gewerkschaftler" protestierten empört und erklärten, das Gesetz verstosse gegen die Menschenrechte der ägyptischen Arbeiter und Demonstranten, gegen die Meinungsfreiheit sowie gegen mehrere internationale Konventionen, die Ägypten ratifiziert habe. Die Zeitungen berichteten dies ohne weitere Kommentare, doch die Blogs und die im Internet erscheinenden Meinungsäusserungen sprechen eine andere Sprache.

"Wir machen nicht nur keine Fortschritte", meinte einer der Aktivisten, "wir machen Schritte zurück!".

Die Angeschuldigten vor Militärgerichten

Man findet auch ausführliche Darlegungen darüber, was dieses Gesetz in der Praxis bedeutet. Die Internetseiten machen deutlich, dass die unter dieser Vorschrift Angeklagten nicht vor die normalen Gerichte gestellt würden, sondern vor Militärgerichte, wo sie praktisch keine Chancen haben, sich zu verteidigen. Die Urteile dort seien automatisch und arbiträr.

In Ägypten ist war die zivile Geheimpolizei nach der Absetzung Mubaraks abgeschafft worden, doch die militärische Geheimpolizei besteht weiter. Sie wird ebenso wenn nicht mehr gefürchtet als einst die zivile, und dies offensichtlich nicht ohne Grund, weil sie mit ihren Gefangenen umgehen kann, wie sie will. Es ist diese militärische Geheimpolizei, die sich bisher der Durchsetzung des erwähnten Gesetzes angenommen hat, und es steht zu befürchten, dass dies auch weiterhin der Fall sein wird.

Die in erster Linie betroffenen Kreise der Aktivisten der Revolution und der Gewerkschaftsbewegung behaupten, Tausende ihrer Kollegen seien bereits verhaftet und abgeurteilt. Sie sehen das Gesetz als einen der wichtigsten Belege dafür, dass die herrschenden Militärspitzen darauf ausgingen, die ägyptische Revolution "zu ersticken" und alles beim Alten zu lassen, indem sie nur ein paar weithin sichtbare Köpfe auswechselten. Sie rufen zu einer "zweiten Revolution" auf; nur eine solche könne die Errungenschaften der ersten noch retten. Sie merken an, die politischen Verantwortlichen und die der Korruption angeklagten Mitglieder des Regimes von Husni Mubarak sowie der abgesetzte Machthaber selbst würden vor zivile Gerichte gestellt, wo sie über alle Möglichkeiten verfügten, sich zu verteidigen, während die Aktivisten der Revolution, wenn sie es wagten, weiter für ihre Ziele zu kämpfen, riskierten, vor Militärgerichte zu kommen, wo sie praktisch keinerlei Verteidigungsmöglichkeiten besässen und wo die Verhandlungen sowie die Verurteilungen geheim bleiben könnten.

Eine "Zweite Revolution" ?

Der Regierung geht es zweifellos in erster Linie darum, die Streiks und die Unruhen zu beenden, welche die ägyptische Wirtschaft schwer belasten.

Dies sind gewiss berechtigte Sorgen. Doch die Methoden, die angewandt werden, um eine "Beruhigung" der Lage zu erreichen und die offensichtlich von den herrschenden Militärspitzen abgesegnet wurden, unterscheiden sich nicht von jenen, die Husni Mubarak anwandte, nur dass das Instrument, welches eingesetzt wird, um diese Beruhigung durchzusetzen, nun die militärische Geheimpolizei ist, nicht mehr, wie vor der Revolution, die heute aufgelöste zivile.

Die "zweite Revolution", zu der die Aktivisten aufrufen, müsste sich daher nicht mehr gegen die zivile Polizei wenden, welche die "erste Revolution" hatte besiegen können, sondern gegen die Armee und ihre Geheimpolizei, einen Gegner, dessen Macht und Prestige alle Ägypter kennen und fürchten. Schon aus diesem Grund wird es schwer sein, eine zweite grosse Demonstrationswelle auszulösen. Der andere Hauptgrund dürfte sein, dass die grosse Masse der wenig politisch denkenden Ägypter gegenwärtig noch glauben, sie hätten ihre Revolution gewonnen, und es sei an der Zeit, nun wieder zu einer, hoffentlich demokratischen, Normalität zurückzukehren.

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