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Untwerwegs 2024/02

Stille sehen: Winterspaziergang im Engadin

6. Februar 2024
Dieter Imboden
Engadin

Jeden Tag ist mein Freund Norbert, der Fotograf, mit seiner Kamera, einem simplen Handy, im Oberengadin unterwegs. Oft erhalte ich seine ersten Bilder schon am Vormittag, kaum ist die «rosenfingerige» Morgendämmerung erwacht. 

Von Norbert Bruggmann (Fotos) und Dieter Imboden (Text)

Norbert scheint hier jeden Baum, jeden Stein am See, jedes Gebäude und jedes Strässchen zu kennen. Er hat einen besonderen Blick für das Unauffällige, für die leisen Töne, findet seine Motive überall, nicht nur in der Einsamkeit der verschneiten Natur, über der Eisfläche der Oberengadiner Seen oder am Ufer des träge dahinfliessenden Inn, sondern auch mitten im Getümmel der zu den Bergbahnen hastenden Touristen, in den vergessenen Hinterhöfen, an Strassenrändern und Hausfassaden. 

Auf meinen Wanderungen ertappe ich mich immer wieder beim Gedanken, was wohl Norbert fotografieren würde und wie, um Leserinnen und Lesern das besondere einer Landschaft oder einer Siedlung zu vermitteln. Im Sommer 2021 war ich mit ihm zwei Tage unterwegs, vom Engadin über den Malojapass hinunter ins Bergell, am nächsten Tag in der Umgebung von Chiavenna. Kürzlich habe ich mit Norbert und seiner Frau Barbara einen Spaziergang durchs Oberengadin gemacht, durch den Wald westlich von Champfèr, am kleinen Friedhof vorbei, der sich zwischen die schlanken Lärchen und  behäbigen Arven duckt, ans Ufer des Ley da Champfèr zur Buocha d’Sela, dem Mund (Ausfluss) der La Sela, wie der Inn hier und bis in die Ebene von Samedan eigentlich heisst.

Wir hatten viel zu bereden, über das Leben und Altwerden, über die leidige Politik, über das Schreiben und Fotografieren, aber wir haben kein einziges Foto gemacht, weder er noch ich. «Fotografieren kann man nur allein, man braucht dazu Ruhe und viel Zeit. Sehen kann man nur in der Stille. Ich brauche Zeit, bis ich die Motive entdecke – oder genauer: bis sie mich entdecken», sagt Norbert.

Also habe ich nach unserem Treffen Norbert gebeten, mir einige «Bilder der Stille» aus der Umgebung seines Wohnorts Sils zu schicken, welche im Winter auf jenen Spaziergängen entstanden sind, als die Zwiesprache zwischen Objekt und Betrachter ungestört blieb. Zusammen haben wir eine Auswahl getroffen. Daraus ist eine kleine Geschichte entstanden.

Engadin
Lautlos sinken die Flocken vom Himmel und packen die Zeugnisse des Menschen in Watte.

Engadin
In der Morgendämmerung tragen Bäume und Pflanzen fein ziselierten Schmuck.

Engadin 3


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Im Schutze eines kleinen Hügels haben sich einige Grashalme erfolgreich gegen das weisse Leinentuch gewehrt, das sich über die Landschaft gelegt hat.


Engadin
Eine verdorrte Blütendolde steht einsam in der weissen Pracht.


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Bald werfen ersten Sonnenstrahlen bizarre Schatten.

Engadin


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Zwei Holzpfähle ragen beschäftigungslos und verloren aus dem Schnee.

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Die Nacht gehört der Natur, der Tag dem Menschen. Man hört ihre lärmenden Fahrzeuge von weitem. Die in die Luft geschleudert Brocken fallen wie Schrapnelle in den frischen Schnee ...

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... einige rollen den Hang hinunter und hinterlassen eine erste Spur.


Engadin
Schichten werden aufgeschnitten wie Eistorten.


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An einer Strassenmauer malt der abprallende Schnee das Bild eines Elefanten.


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Bald folgen andere Zeugnisse zivilisatorischer Präsenz.



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Die Seen haben sich in diesem Jahr lange gegen einen Deckel aus Eis gewehrt ...

Engadin
... sehr zur Freude der Berge, welche im Spiegel des Wassers lange ihre eigene Pracht bewundern konnten.


Engadin
Später zeichnet der Wind bizarre Formen aufs Eis.


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Als sich das Licht hinter den Bergen verzieht ...

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... und sich erneut die Nacht über das Hochtal legt, steigen wir auf der beleuchteten Treppe hinauf ins Land der Träume.

Alle Fotos © Norbert Bruggmann

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