
Die westlichen Wirtschaftssanktionen hätten Russland nicht in die Knie gezwungen, erklärt Kreml-Sprecher Dmitri Peskow. Zwar hätten sie Russland nicht «in eine komfortable Lage» versetzt, doch «der entscheidende Effekt, den sich der West erhofft hat, ist nicht eingetreten».
- EU-Kommission für Kandidatenstatus der Ukraine
- Macron: «Zerquetscht Russland nicht»
- Kreml: Sanktionen haben nicht «entscheidend» geschadet
- Wahlloses russisches Bombardieren
- Russischer Schlepper versenkt
- Selenskyj dankt
- Forderung nach mehr Waffen
- USA: Waffen kommen im «Rekordtempo»
- BBC-Interview mit Lawrow
Kreml-Sprecher Peskow: 40–45% Ausfälle kompensieren
«Wir fühlen uns jetzt sogar etwas besser, als man denken würde», sagte Peskow in einem CNN-Interview. «Natürlich verstehen wir unsere Probleme, wir verstehen, dass wir in sehr kurzer Zeit einen ziemlich bedeutenden Rückgang von mehr als 40-45% bei den Importen kompensieren müssen.» Russland werde jetzt seine heimische Produktion «sehr ernsthaft ankurbeln».
«Um die Importe zu reorganisieren, müssen wir die Richtung der Importe neu organisieren. Wir müssen die westliche Richtung kompensieren, indem wir die Importe aus der östlichen Richtung erhöhen», sagte Peskow in Anspielung auf die zunehmenden Importe aus asiatischen Ländern. «All das ist durchaus möglich, weil unsere Welt so gross und so reich ist.»
Ob Russland die Absicht habe, Teil der Südukraine und die Region Charkiw zu besetzen, wurde er von CNN gefragt. Die Entscheidung werde vom «Willen der Menschen vor Ort» abhängen, sagte er. Das oberste Ziel sei es, die Menschen im Donbass und in Luhansk vor denjenigen zu schützen, die zum Beispiel gerade Donezk bombardieren und dort Zivilisten umbringen. Und das tun sie schon seit acht oder neun Jahren», sagte der Kreml-Sprecher.
Peskow sagte, Russland stelle keine Bedrohung für die baltischen Staaten und Finnland dar. «Wir sind sicher, dass die Mitgliedschaft Finnlands und Schwedens in der Nato keinen zusätzlichen Nutzen für die Sicherheit des europäischen Kontinents bringen wird. Im Gegenteil, sie wird zu zusätzlichen Spannungen führen», sagte er.
EU-Kommission für Ukraine-Beitritt
Die EU-Kommission empfiehlt, dass die Ukraine den Status eines EU-Beitritts erhält, erklärte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Dies geschieht «natürlich unter der Voraussetzung, dass das Land eine Reihe weiterer Reformen durchführt».
Nach Ansicht der Kommission (Exekutive) habe «die Ukraine deutlich gezeigt, dass das Land bestrebt und entschlossen ist, den europäischen Werten und Standards gerecht zu werden».
Der französische Präsident Emmanuel Macron sagte, «der grösste Teil Westeuropas unterstütze den Plan, aber es gebe auch Länder, die zurückhaltender seien, sagte er. Die Frage einer EU-Kandidatur der Ukraine werden auf dem Gipfel des Europäischen Rates am kommenden Donnerstag und Freitag entschieden.
«Der Weg zum EU-Beitritt ist lang», fügte er hinzu.
Die in Gelb und Blau auftretende van der Leyen schloss ihre Erklärung mit den Worten: «Wir alle wissen, dass die Ukrainer bereit sind, für die europäische Perspektive zu sterben. Wir wollen, dass sie mit uns den europäischen Traum leben.»
Die Kommission empfahl auch den Kandidatenstatus für den ukrainischen Nachbarn Moldawien, nicht aber für Georgien, bis dieses weitere Bedingungen erfüllt hat.
Die Staats- und Regierungschefs der 27 EU-Mitgliedstaaten werden nächste Woche zu einem Gipfeltreffen zusammenkommen, um die Stellungnahme der Kommission zu erörtern.
Selbst wenn sich die Mitgliedstaaten darauf einigen sollten, dass die Ukraine ein Beitrittskandidat sein sollte – was keineswegs sicher ist –, ist der Prozess für einen EU-Beitritt kompliziert und dauert im Durchschnitt knapp fünf Jahre.
«Zerquetscht Russland nicht!»
Der französische Präsident Emmanuel Macron wendet sich gegen eine «Zerschlagung» Russlands. In einem Interview mit der privaten französischen Fernsehstation BFM TV sagte er: «Wenn Russland zerquetscht wird, wird die Ukraine niemals Frieden haben.»
Macron sagte, er habe einige sagen hören, dass «das Ziel dieses Krieges die Zerschlagung Russlands ist. Und da sage ich, dass sie sich irren. Wenn sie das tun, werden sie niemals einen Verhandlungsfrieden bekommen.» «Wir haben manchmal den Krieg gewonnen und den Frieden verloren.»
Macron sprach am Donnerstagabend im Zug auf dem Rückweg von Kiew nach Polen. Eine «Zerschlagung» Russlands sei auch nicht das Ziel des ukrainischen Präsidenten Selenskyj, sagt er in dem Interview. Er verteidigte auch die Bemühungen Frankreichs, Gespräche zwischen Moskau und Kiew zu vermitteln. Doch zur Zeit bestehe weder auf russischer noch auf ukrainischer Seite eine Bereitschaft zu echten Gesprächen.
Macron bekräftigte die Unterstützung Frankreichs für die Ukraine und wies den Vorwurf zurück, dass seine früheren Äußerungen, er wolle Russland nicht «demütigen», die Beziehungen zum ukrainischen Präsidenten beeinträchtigt hätten. «Wir tun alles, damit die Ukraine diesen Krieg gewinnt», sagte er.
Wahlloses Bombardieren
Die russischen Streitkräfte sind dabei, die umkämpfte ostukrainische Stadt Sewerodonezk dem Boden gleichzumachen. «Viel zu zerstören gibt es bald nicht mehr», beklagt sich ein ukrainischer Beamter. In der Stadt harren vermutlich noch etwa 10’000 Menschen aus. Viele sind ins Azot-Chemiewerk geflüchtet. Eine Evakuierung kam bisher nicht zustande. Noch halten die ukrainischen Streitkräfte nach eigenen Angaben etwa 30% des Stadtgebiets.
Deutlich wird, dass das nächste Ziel der Russen Lyssytschansk wird, die Zwillingsstadt von Sewerodonezk. Seit Tagen wird die Stadt, die auf einem Hügel liegt, mit Bomben belegt.
Von Lyssytschansk aus hoffen die Russen dann in die Provinz Donezk vorzustossen und die Städte Slowjansk, Kramatorsk und Bachmut zu erobern.
Russischer Schlepper versenkt
Das ukrainische Militär hat nach eigenen Angaben einen russischen Schlepper im Schwarzen Meer versenkt. Das Schiff hätte Flugabwehrsysteme auf die vor Odessa liegende Schlangeninsel bringen sollen. Ein ins Internet gestelltes kurzes Video soll den Beschuss zeigen.
«Der Schlepper der Schwarzmeerflotte ‘Vasiliy Bekh' wurde im Schwarzen Meer während des Transports von Munition, Waffen und Personal der Schwarzmeerflotte zur Schlangeninsel getroffen», teilte die ukrainische Marine am Freitag über ihren offiziellen Telegrammkanal mit. Der Schlepper habe ein «TOR»-Flugabwehrraketensystem an Bord gehabt. Nach Angaben der Website Marine Traffic verliess das Boot am Dienstagabend Sewastapol auf der Krim.
Selenskyj dankt
Der Besuch von Spitzenpolitikern aus Frankreich, Deutschland, Italien und Rumänien sei «ein historischer Tag» für die Ukraine, sagt der ukrainische Präsident Wolodimir Selenskyj.
«Die Ukraine hat die Unterstützung von vier mächtigen europäischen Staaten gespürt», sagt der Präsident in seiner abendlichen Videoansprache. Noch nie seit ihrer Unabhängigkeit sei die Ukraine so dicht an die Europäische Union herangerückt.
Der ukrainische Aussenminister Dmytro Kuleba bezeichnet den Besuch von Scholz als wichtigen Schritt zur Wiederherstellung gegenseitigen Vertrauens. Aber: «Den Worten, die uns heute entgegengebracht wurden, müssen Taten folgen.» Das Verhältnis zwischen der Ukraine und Deutschland ist gespannt.
«Beschleunigtes Verfahren»
Der ukrainische Präsident hat die Staats- und Regierungschefs der EU aufgefordert, seinem Land durch ein verkürztes Verfahren eine beschleunigte Mitgliedschaft in der Union zu ermöglichen, um der russischen Aggression entgegenzuwirken.
«Wir verstehen, dass der Weg in die Europäische Union wirklich ein Weg ist und nicht nur aus einem Schritt besteht. Aber dieser Weg muss beginnen, und wir sind bereit, daran zu arbeiten, dass unser Staat zu einem Vollmitglied der Europäischen Union wird, und die Ukrainer haben bereits das Recht verdient, diesen Weg einzuschlagen», sagte er.
Selenskyj fordert erneut schwere Waffen
In diesem Monat seien bereits 3’000 russische Raketen gegen die ukrainische Zivilbevölkerung eingesetzt worden, sagte der ukrainische Präsident Selenskyj am Donnerstag nach dem Treffen mit EU-Staats- und Regierungschefs.
Die Ukraine könne die russischen Angriffe umso schneller beenden, je schneller sie vom Westen Waffen kriege. «Jede solcher Lieferungen bedeutet gerettete Ukrainer. Und jeder Tag, an dem Entscheidungen verzögert oder aufgeschoben werden, ist eine Chance für das russische Militär, Ukrainer zu töten oder unsere Städte zu zerstören. Es besteht ein direkter Zusammenhang: Je mehr starke Waffen wir bekommen, desto schneller können wir unser Volk und unser Land befreien», sagte Selenskyj.
«Sie bekommen so viel wie möglich»
«Die amerikanischen Regierung wird der Ukraine so schnell wie möglich und so lange wie nötig militärische Hilfe leisten, bis Russland den Kampf einstellt.» Dies sagte am Donnerstag der amerikanische Koordinator des Nationalen Sicherheitsrates John Kirby.
«Sie bekommen so viel wie möglich und so schnell wie möglich», sagte er. «Wir arbeiten sehr, sehr hart daran.» Die Hilfe komme «im Rekordtempo» an und die USA stünden im «ständigem Gespräch» mit der Ukraine.
Der russische Präsident Wladimir Putin habe «keine Bereitschaft gezeigt, die Kämpfe einzustellen» und in gutem Glauben zu verhandeln. «Bis dahin werden wir den ukrainischen Streitkräften dabei helfen, sich zu verteidigen und zu versuchen, das Territorium zurückzuerobern, insbesondere im Osten und im Süden, das sie jetzt zurückzuerobern versuchen», sagte Kirby, ein Konteradmiral im Ruhestand.
BBC-Interview mit Lawrow
«Wir sind nicht in die Ukraine einmarschiert», sagte der russische Aussenminister Sergey Lawrow am Donnerstag in einem Interview mit der BBC. «Wir haben eine spezielle Militäroperation ausgerufen, weil wir keine andere Möglichkeit hatten, dem Westen zu erklären, dass die Aufnahme der Ukraine in die Nato ein krimineller Akt ist.»
In einem der wenigen Interviews, die Lawrow seit Kriegsbeginn gab, wiederholte er die offizielle Kreml-Version, dass es in der Ukraine Nazis gäbe. Russische Beamte behaupten oft, dass ihr Militär das Land «entnazifizieren» müsse.
«Russland ist nicht blitzsauber. Russland ist, was es ist. Und wir schämen uns nicht, zu zeigen, wer wir sind», sagte und er und warf der BBC vor, die Wahrheit über die ukrainischen Aktionen in den Gebieten, die seit 2014 von russischen Separatisten gehalten werden, nicht richtig darzustellen.
Auf die Beziehungen zwischen Grossbritannien und Russland angesprochen sagte er: «Ich glaube nicht, dass es überhaupt noch Spielraum gibt.» Sowohl Boris Johnson als auch Aussenministerin Liz Truss «sagen offen, dass wir Russland besiegen und in die Knie zwingen sollten. Also los, tun Sie es!»
Angesprochen auf die beiden Briten, die von einem «Gericht» einer ukrainischen pro-russischen «Volksrepublik» zum Tode verurteilt worden waren, sagt er: «Ich interessiere mich nur für das Völkerrecht. Nach dem Völkerrecht werden Söldner nicht als Kombattanten anerkannt.» Der BBC-Interviewer entgegnete, die Männer hätten in den ukrainischen Streitkräften gedient und seien keine Söldner. Lawrow antwortete, das müsse von einem Gericht entschieden werden.
(Wird laufend aktualisiert)
Journal 21