Mariupol, die Stadt am Schwarzen Meer, hat den russischen Invasoren wochenlang heroischen Widerstand geleistet. Jetzt sind die russischen Streitkräfte nach tagelangen Bombardierungen ins Innere des Stahlwerks «Asowstal» eingedrungen. Der Kommandant der ukrainischen Truppen spricht von «schweren, blutigen Kämpfen».
Wird laufend aktualisiert
- Die Russen im Innern des Stahlwerks
- Feuerpause in Mariupol?
- Russische Manöver mit atomwaffentauglichen Raketen
- USA halfen beim Töten russischer Genräle
- Schwere Kämpfe im Donbass
- Belarussische Manöver
Das amerikanische «Institut für Kriegsstudien» (ISW), ein Thinktank, erklärt am Donnerstag, dass es den Russen zum ersten Mal gelungen sei, tief ins Asowstahl-Werk einzudringen.
Im Werk selbst, mit seinen verzweigten Tunneln und Atombunkern, harren noch immer etwa 1500 bis 2000 ukrainische Kämpfer und mindestens 200 Zivilisten aus. Das Stahlwerk ist die letzte Bastion des ukrainischen Widerstands in Mariupol. Die Stadt selbst und den Hafen hatten die russischen Streitkräfte bereits erobert. In den letzten Tagen wurde das Stahlwerk fast pausenlos vom Meer, vom Land und von der Luft aus mit Raketen beschossen.
Ukrainische Beamte befürchten, dass die Russen im Werk ein Massaker anrichten.
Die Einnahme von Mariupol ist der erste grosse Sieg der Russen in der Ukraine und hat wichtige strategische Bedeutung. Die Russen erhalten damit Zugang über eine Landbrücke von den ostukrainischen sezessionistischen pro-russischen «Volksrepubliken» Donezk und Luhansk bis zur Halbinsel Krim, die 2014 von den Russen erobert worden war. Bisher mussten die Russen die Krim über die 19 Kilometer lange Brücke über die Strasse von Kertsch erreichen.
Die BBC meldet am Donnerstag: «Es könnte sein, dass wir die letzten Tage des Kampfes um Mariupol erleben.»
Die Einnahme von Mariupol erlaubt es den Russen, ihre Truppen, die rund um das Stahlwerk im Einsatz waren, in den Osten abzuziehen. Dort werden sie dringend gebraucht, denn die russische Offensive im ostukrainischen Donbass verläuft nicht nach Plan.
Feuerpause in Mariupol?
Die russischen Streitkräfte wollen nach eigenen Angaben ab heute, Donnerstag, für drei Tage «humanitäre Korridore» aus dem belagerten Stahlkomplex Azowstal öffnen. Nach Angaben des Militärs werden die Wege aus dem Werk in Mariupol am 5., 6. und 7. Mai von 08:00 bis 18:00 Uhr Moskauer Zeit geöffnet.
Während dieser Zeit werden die russischen Streitkräfte ihre militärischen Aktivitäten einstellen und ihre Einheiten in eine sichere Entfernung zurückziehen, so das Militär in einem Online-Posting.
Westliche Militäranalysten vermuten, dass jetzt viele der Zivilisten aus dem Werk geschafft werden sollen. Anschliessend könnten die Russen das Innere der Anlage mit seinen über 1500 Kämpfern endgültig stürmen. Ukrainische Beamte befürchten, dass die russischen und pro-russischen Soldaten dann ein Blutbad anrichten.
«Keine Feuerpause»
Hauptmann Swyatoslaw Palamar, der stellvertretende Kommandant des Azow-Regiments im Stahlwerk von Mariupol, wirft den Russen vor, die angekündigte Feuerpause nicht einzuhalten. Auf Telegram erklärte er: «Es ist der dritte Tag, seit der Feind in das Asowstal-Werk eingedrungen ist, wo die schweren, blutigen Kämpfe weitergehen.»
«Wieder einmal haben die Russen ihr Versprechen eines Waffenstillstands gebrochen und die Evakuierung der Zivilisten, die in den Kellern der Fabrik Schutz vor dem Beschuss suchen, nicht zugelassen», sagte Palamar.
«Unser Feind hält sich nicht an ethische Normen, Konventionen oder Gesetze.»
Bilder aus Mariupol
Militärmanöver in Kaliningrad
Putin erhöht den psychologischen Druck auf den Westen. In Kaliningrad (Königsberg), einer russischen Exklave zwischen Litauen und Polen, führt die russische Armee Militärmanöver durch. Zum Einsatz kommt offenbar auch das atomwaffenfähige Raketensystem Iskander-M. An der Übung nehmen etwa 100 Soldaten teil. Geübt werden Starts der Iskander-Raketen, die eine Reichweite von bis zu 500 Kilometern haben.
Die USA helfen beim Töten russischer Generäle
Die USA haben der Ukraine geholfen, russische Generäle zu töten. Amerikanische Geheimdienste hätten den ukrainischen Verbänden Informationen geliefert, die eine Tötung der Generäle möglich machten. Ukrainische Beamte sagten, an der Front seien zwölf russische Generäle getötet worden. Bisher war man von acht ausgegangen. Die USA geben keine Zahl bekannt.
Die Vereinigten Staaten haben sich darauf konzentriert, den Standort und andere Details über die mobilen Hauptquartiere des russischen Militärs zu liefern. Ukrainische Beamte haben diese geografischen Informationen mit ihren eigenen Erkenntnissen kombiniert. Verwendet wurden auch abgefangene Nachrichten, die auf die Anwesenheit hochrangiger russischer Offiziere hindeuteten. Anschliessend verübten die ukrainischen Truppen Angriffe, bei denen die Generäle getötet wurden.
Auch der russische Generalstabchef Waleri Gerasimow könnte ins Visier der Amerikaner und Ukrainer geraten sein. Er besuchte vergangene Woche einen Frontabschnitt im Donbass. Die Ukrainer erklärten später: «Wir sind zu spät gekommen.» Der Ort, wo sich Gerasimow aufgehalten hatte, wurde angegriffen, dabei wurden nach ukrainischen Angaben Dutzende russischer Soldaten getötet.
344 Evakuierte
Aus Mariupol sind 344 Menschen evakuiert und in die südukrainische Stadt Saporischschja gebracht worden. Organisiert wurde die Aktion vom Internationalen Komitee vom Roten Kreuz IKRK und von der Uno. Bei diesen Evakuierten handelt es sich um Menschen, die in der Stadt gewohnt haben – und nicht um Zivilisten, die im Azowstahl-Werk Zuflucht gesucht hatten.
Auch aus anderen südukrainischen Gebieten, die von den Russen kontrolliert werden, wurden Menschen nach Saprorischschja evakuiert, so aus Manhusch, Berdjansk, Tokmak und Wasyliwka.
Kämpfe im Donbass
Ukrainischen Truppen ist es gelungen, russische Vorstösse südöstlich von Isjum zu blockieren. Im nördlichen Donbass melden die Ukrainer die Rückeroberung mehrerer Gebiete.
Die Russen versuchen, auf die Städte Liman, Popasna und Sjewjerodonezk vorzudringen, wurden aber nach ukrainischen Angaben zurückgedrängt. Vor Donezk werden die ukrainischen Verbände mit Raketen und Artillerie beschossen. Im Süden, im Gebiet zwischen Cherson und Mykolajiw, ist es den Ukrainern gemäss Berichten des Generalstabs gelungen, den Russen einige Ortschaften zu entreissen.
600 Ukrainer getötet?
Nach Angaben des russischen Verteidigungsministeriums wurden vergangene Nacht mehr als 600 Ukrainer getötet. In einem Beitrag auf Telegram teilte das Ministerium mit, dass russische Artillerie in der Nacht mehrere ukrainische Militärposten und Ausrüstungen getroffen habe, darunter Luftfahrtausrüstung auf dem Flugplatz Kanatowo in der zentralen Region Kirowohrad und ein grosses Munitionsdepot in der südlichen Stadt Mykolajw.
Angriffe auf Zuglinien
Seit Tagen versuchen russische Kampfflugzeuge, Eisenbahnlinien und Strassen zu zerstören. So sollen Waffenlieferungen aus dem Westen verhindert werden. «Russland versucht, unsere Logistik zu ruinieren, weil sie uns im Felde nicht besiegen können», sagt Andrij Jermak, ein enger Berater von Präsident Selenskyj.
Angriffe auf Dnipro
Angegriffen wurde auch eine Eisenbahnanlage in der Stadt Dnipro. Dabei wurde offenbar eine Eisenbahnbrücke über den Dnipro-Strom getroffen.
Manöver in Belarus
Das mit Russland verbündete Belarus führt an der Grenze zur Ukraine Militärmanöver durch. Laut dem britischen Geheimdienst sei beobachtet worden, wie belarussische Soldaten aus ihren Garnisonen zu Übungen ins Feld zogen. Doch, so der Geheimdienst, Russland werde diese Manöver vermutlich «aufbauschen, um ukrainische Truppen im Norden zu binden».
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Journal 21