Die Verbindungen zu den ukrainischen Kämpfern im Azow-Stahlwerk in Mariupol sind abgebrochen. Dies sagt der Bürgermeister der Stadt, Wadym Bojtschenko. «Unglücklicherweise gibt es heute keine Verbindung zu den Jungs, es gibt keine Verbindung, um zu verstehen, was passiert, ob sie in Sicherheit sind oder nicht. Gestern gab es noch eine Verbindung zu ihnen, heute nicht mehr.» Bilder und Videos, aufgenommen von pro-russischen Online-Portalen, zeigen heftige Explosionen im Werk. Ein hochrangiger Berater des ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenskyj erklärte der BBC, dass die Russen das Stahlwerk gestürmt hätten.
Wird laufend aktualisiert
- Schwere Kämpfe im Stahlwerk in Mariupol
- Kuleba: Die Festung bleibt bestehen
- EU will kein russisches Öl mehr
- Weitere Sanktionen gegen Russland
- Auch Patriarch Kyrill betroffen
- Russische Angriffe zurückgeschlagen
- Vor dem Sturm in Mariupol?
- Weitere Evakuierungen aus Mariupol
- Manöver in Belarus
- Putin, «Hauptverbrecher des 21. Jahrhunderts»
Stahlwerk gestürmt?
Im Werk, der letzten Bastion des ukrainischen Widerstands in Mariupol, würden heftige Kämpfe stattfinden, sagt er. «Heute gibt es schwere Kämpfe auf dem Gebiet unserer Festung, auf dem Gebiet von Asowstal. Unsere tapferen Männer verteidigen diese Festung, aber es ist sehr schwierig, denn schwere Artillerie und Panzer beschiessen die gesamte Festung; russische Kampfflugzeuge sind im Einsatz, Schiffe haben sich genähert und beschiessen die Festung ebenfalls», sagte Bojtschenko.
David Arakhamia, der Vorsitzende der ukrainischen Parlamentsfraktion, sagte: «Die Versuche, das Werk zu stürmen, dauern schon den zweiten Tag an. Russische Truppen befinden sich bereits auf dem Gelände von Azovstal.»
In den Bunkern der Anlage befinden sich vermutlich 1500 bis 2000 ukrainische Kämpfer und etwa 200 Zivilisten, die Schutz in der Anlage gesucht hatten. Das Werk wird seit Wochen von den Russen belagert. Im Innern würden «katastrophale Verhältnisse» herrschen, sagten Hilfsorganisationen.
Im ukrainischen Fernsehen sagte Bojtschenko, dass 30 Kinder in der Anlage eingeschlossen sind und noch auf ihre Rettung warten.
Unterdessen erklärte der Kreml, dass die russischen Streitkräfte die Azovstal-Anlage nicht «stürmen», sondern stattdessen «Versuche von Militanten» unterdrücken, neue Feuerstellungen einzunehmen.
«Es gibt einen öffentlichen Befehl Putins, die Erstürmung abzubrechen; es gibt keine Erstürmung», sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow am Mittwoch in einem Telefonat mit Reportern.
Peskow fügte hinzu: «Wir sehen, dass es Verschärfungen gibt, die damit zusammenhängen, dass die Militanten auf Feuerstellungen gehen. Diese Versuche werden sehr schnell unterdrückt. Mehr gibt es dazu noch nicht zu sagen.»
Kuleba: Die Festung bleibt bestehen
Der ukrainische Aussenminister Dmytro Kuleba hat Behauptungen zurückgewiesen, Mariupol sei nun vollständig unter russischer Kontrolle. In einem Livestream auf Twitter erklärte er, dass das Stahlwerk Azovstal, das letzte Rückzugsgebiet ukrainischer Kämpfer in der Stadt, immer noch nicht eingenommen worden sei.
Humanitäre Korridore in Mariupol
Wie die Nachrichtenagentur Reuters berichtet, wird das russische Militär ab Donnerstag für drei Tage humanitäre Korridore aus dem belagerten Stahlkomplex Azovstal öffnen. Nach Angaben des Militärs werden die Wege aus dem Werk in Mariupol am 5., 6. und 7. Mai von 08:00 bis 18:00 Uhr Moskauer Zeit geöffnet.
Während dieser Zeit werden die russischen Streitkräfte ihre militärischen Aktivitäten einstellen und ihre Einheiten in eine sichere Entfernung zurückziehen, so das Militär in einem Online-Posting.
Von ukrainischer Seite ist noch nichts über mögliche Evakuierungen zu hören.
Ende letzter Woche wurden Dutzende von Zivilisten aus dem Azovstal-Werk evakuiert, wobei eine grosse Gruppe von ihnen in das von der Ukraine kontrollierte Saporischschja gebracht wurde.
EU will Ölembargo gegen Russland
«Wir werden dafür sorgen, dass wir vom russischen Öl in geordneter Weise loskommen», erklärt EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen am Mittwochvormittag vor dem EU-Parlament. «Und zwar so, dass wir und unsere Partner alternative Lieferwege sichern können und gleichzeitig darauf achten, dass wir die Auswirkungen auf den Weltmarkt so gering wie möglich halten.»
Ölembargo: Ausnahmen für Ungarn und die Slowakei?
Zwar will die EU seinen Mitgliedstaaten verbieten, russisches Öl zu importieren. Doch um den Ländern Zeit für die Umstellung zu geben, sollen Übergangsfristen eingeführt werden. Nach sechs Monaten soll ein Einfuhrverbot für Rohöl verordnet werden, nach acht Monaten dann auch ein Einfuhrverbot für Ölprodukte. Ursula von der Leyen sagt, es werde nicht einfach sein, vom russischen Öl unabhängig zu werden. «Aber wir müssen es einfach tun.»
Die grosse Frage ist, ob Ungarn und die Slowakei Ausnahmen vom Ölembargo erhalten werden. Wegen des fehlenden Meerzugangs sehen sich diese Staaten nicht in der Lage, schnell alternative Lieferquellen zu organisieren. Von der Leyen erwähnt keine Ausnahmen.
Neue Sanktionen
Von der Leyen stellt zudem ein sechstes Sanktionspaket vor, das sich gegen Russlands Wirtschaft, sein Militär und seine Propaganda richtet. Das Paket soll in den kommenden Tagen beschlossen werden. Sie nennt vier verschiedene Arten von Sanktionen:
Hochrangige Militäroffiziere, die in Butscha und Mariupol Kriegsverbrechen begangen haben, sollen ins Visier genommen werden: «Wir wissen, wer sie sind, sie werden nicht ungestraft davonkommen.»
Die Sberbank, Russlands grösste Bank, soll vom Swift-Überweisungssystem abgekoppelt werden.
Auch Kyrill I.
Grosse staatliche russische Fernsehsender sollen von der EU per Kabel, Satellit oder Internet abgeschnitten werden, da sie «Sprachrohre sind, die Putins Lügen verbreiten», wie von der Leyen sagt. Dazu gehören RT und Sputnik sowie drei weitere russische Staatssender. Man werde ihnen die Sendefrequenzen streichen.
Auch das Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche und die Familie von Kreml-Sprecher Dmitri Peskow werden auf die Sanktionsliste gesetzt. Patriarch Kyrill I. hat sich auf die Seite von Putin gestellt und verteidigt seinen Krieg in der Ukraine.
Grösste Angriffswelle
Die russischen Streitkräfte haben am Dienstag Raketen und Marschflugkörper auf Lwiw, Winnyzja, Odessa, die Regionen Kiew und Dnipro abgeschossen. Es war die grösste Angriffswelle seit Beginn des Krieges. Westliche Militäranalysten erklären, ein klares Ziel der Bombardierungen sei nicht zu erkennen. Präsident Wolodimir Selenskyj bezeichnet die Angriffe als Zeichen der Schwäche. «Offenbar hat das russische Militär heute äusserst nervös auf unsere Erfolge reagiert», sagte er am Dienstagabend.
Öldepot bei Donezk in Flammen
Russische Angriffe zurückgeschlagen
Die ukrainischen Streitkräfte haben in den ostukrainischen Regionen Donezk und Luhansk in den letzten 24 Stunden zwölf russische Angriffe zurückgeschlagen. Dies erklärt der ukrainische Generalstab. In der Region Popasna würden die Kämpfe weitergehen. Popasna liegt westlich von Luhansk.
Vor einem Vorstoss bei Isjum?
Russland hat 22 taktische Bataillone nahe der ostukrainischen Stadt Isjum zusammengezogen, heisst es im jüngsten Update des britischen Militärgeheimdienstes. Es sei sehr wahrscheinlich, dass die russischen Truppen über Isjum bis zu den Städten Kramatorsk und Sjewjerodonezk vorstossen wollen. So wollen sie eine Ausgangslage schaffen, um die ukrainischen Truppen im nordöstlichen Donbass abzuschneiden.
Manöver in Belarus
In Belarus, einem mit Russland verbündeten Staat, haben Manöver begonnen. Das belarussische Verteidigungsministerium erklärte, bei den Übungen würden die Fahrzeuge der Armee auf ihre Kampfbereitschaft getestet. Das Ministerium betonte, dass die Übung keine Bedrohung für die Nachbarn darstelle. Belarus gilt als Aufmarschgebiet für die russische Armee. Die Ukraine schliesst nicht aus, dass belarussische Soldaten an der Seite Russlands in den Krieg ziehen werden. Vor der russischen Invasion am 24. Februar hatten russische und belarussische Truppen an der Grenze zur Ukraine Manöver durchgeführt. Putin und Aussenminister Lawrow erklärten damals, es bestehe nicht die Absicht, die Ukraine anzugreifen.
Russische Raketen auf Lwiw
Mindestens drei russische Raketen schlugen am späten Dienstagabend in der westukrainischen Stadt Lwiw ein. Ziel war offenbar das ukrainische Eisenbahnnetz. Die Angriffe hatten zur Folge, dass die Wasser- und Stromversorgung in der Stadt ausfiel.
Angriffe auf Eisenbahnstrecken
Um den Nachschub für westliche Waffen zu unterbinden, haben russische Kampfflugzeuge erneut Eisenbahnlinien mit Raketen beschossen. Andrij Jermak, der Leiter des Präsidialamtes erklärt, es werde den Russen nicht gelingen, den Nachschub an Waffen zu stoppen. «Alles kommt an», sagt er.
Putin, «der Hauptverbrecher des 21. Jahrhunderts»
In der Kiewer Vorstadt Irpin haben russische Soldaten eine ganze Reihe Kriegsverbrechen begangen, darunter Folter, Massentötung und der Einsatz verbotener Waffen. Die ukrainische Generalstaatsanwältin erklärte, ukrainische Beamte hätten Beweise für die Verbrechen gefunden.
Generalstaatsanwältin Iryna Venediktova erklärte am Fernsehen, dass in der Stadt 290 Leichen zur gerichtsmedizinischen Untersuchung geborgen worden seien.
Sie sagte, ihr Team habe einen russischen Soldaten identifiziert, der für die Folterung von mindestens zehn Menschen verantwortlich sei. Der Soldat habe Hilfe von anderen bekommen, die noch nicht identifiziert werden konnten.
Die Ermittler haben bestätigt, dass die 64. russische Motorschützenbrigade in Irpin war. Es handelt sich dabei um dieselbe Einheit, deren Mitglieder beschuldigt werden, unbewaffnete Zivilisten in der nahe gelegenen Stadt Butscha entführt und gefoltert zu haben.
Die Staatsanwälte hätten auch summarische Erschiessungen und Massenbegräbnisse an sieben Orten dokumentiert, sagte Venediktova – ebenso den Einsatz zahlreicher Waffen, die nach den Genfer Konventionen verboten sind, darunter Antipersonenminen und Granaten mit pfeilförmigen Schrapnells.
Auf die Frage nach den sich häufenden Berichten über die Vergewaltigung von Ukrainerinnen durch russische Soldaten sagte Venediktova, sie rechne mit einer «riesigen Zahl» von Fällen.
Der Kreml hat die Vorwürfe von Kriegsverbrechen und sexueller Gewalt zurückgewiesen und Bilder von offensichtlichen Opfern von Gräueltaten im Kiewer Vorort Butscha als inszeniert bezeichnet. Da sich jedoch die Beweise häufen, dass die russischen Streitkräfte absichtlich und ohne Grund ukrainische Zivilisten töteten, wollen viele Staats- und Regierungschefs den russischen Präsidenten Wladimir Putin zur Rechenschaft ziehen.
Frau Venediktova beschuldigte Putin am Dienstag, «der Hauptverbrecher des 21. Jahrhunderts» zu sein, und sagte, dass er «unbedingt» für die von seinen Soldaten begangenen Kriegsverbrechen belangt werden sollte.
(Wird laufend aktualisiert)
Journal 21