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Ukraine Tag 57

Mariupol von den Russen «befreit»

21. April 2022
Mariupol
Ab Mitte März bombardieren russische Kampfflugzeuge das Stahlwerk in Mariupol am Asowschen Meer. Nachdem die Russen einen grossen Teil der Stadt erobert hatten, suchten etwa 3’500 ukrainische Kämpfer und Zivilisten Zuflucht in dem Werk. Die Russen kesselten die Anlage am 21. April ein. (Foto: Twitter)

Die südukrainische Hafenstadt Mariupol ist nach Angaben des russischen Verteidigungsministers durch die Russen befreit worden. Die an der «Befreiung» beteiligten russischen Soldaten würden mit einem Orden ausgezeichnet, erklärte Präsident Putin. Im Stahlwerk «Asowstal» haben sich noch immer etwa 2’500 ukrainische Kämpfer verschanzt. Sie seien «vollständig blockiert» sagte Verteidigungsminister Sergej Schoigu.

Wird laufend aktualisiert

  • Selenskyj gibt Mariupol noch nicht ganz verloren
  • Nato-Quelle: «Kein schneller russischer Sieg»
  • Mariupol «befreit»
  • Putin: «Herzlichen Glückwunsch»
  • Charkiw «wie wild» bombardiert
  • Tausend Leichen in Leichenhallen
  • «Baldiger blutiger Kampf»
  • Hunderttausend russische Soldaten
  • Russland unter Zeitdruck
  • Vier Busse verlassen Mariupol
  • Zwölf Millionen auf der Flucht


«Keine Fliege kommt durch»

Am Montag hatten pro-russische Verbände angekündigt, sie würden das Stahlwerk stürmen. Putin erklärte nun am Donnerstag, dazu gebe es keinen Grund mehr. Das Stahlwerk sei derart blockiert, «dass nicht einmal eine Fliege durchkäme, ohne bemerkt zu werden», sagte er. Die stellvertretende ukrainische Ministerpräsidentin Iryna Wereshchuk sagte am Donnerstag, dass sich in den Bunkern der Anlage auch etwa 500 verwundete Kämpfer und tausend Zivilisten befänden. Ein Marine-Kommandant, der sich im Werk befindet, teilte der BBC mit, dass die dort eingeschlossenen verletzten Soldaten ohne Medikamente und andere Hilfsmittel «verrotten» würden. Er liess durchblicken, dass sich die eingekesselten ukrainischen Truppen in einer verzweifelten Situation befänden.

«Herzlichen Glückwunsch»

Putin forderte die Eingeschlossenen erneut auf sich zu ergeben. «Die russische Seite garantiert ihnen ihr Leben und eine würdige Behandlung.» 

«Natürlich ist es ein Erfolg, ein so wichtiges Zentrum im Süden wie Mariupol unter Kontrolle zu bringen», sagte Putin zu Verteidigungsminister Schoigu. «Herzlichen Glückwunsch.»

Schoigu sagte, die ganze Fabrik werde in den nächsten drei, vier Tagen ebenfalls eingenommen.

Die russischen Truppen, die Mariupol seit Beginn des Krieges eingekesselt und beschossen haben, kontrollieren seit Längerem das Stadtzentrum und den Hafen der Stadt. Mariupol war zum Symbol russischer Grausamkeiten geworden. Die russischen Streitkräfte bombardieren fast pausenlos zivile Ziele, unter anderem Wohnblocks, ein Theater, Schulen, Spitäler und Friedhöfe. Hilfsorganisationen fürchten, dass der Krieg in Mariupol weit über zehntausend Tote gefordert hat.

Siehe auch: Journal21: Mariupol, ein Wendepunkt

Das «Asowstal»-Werk in Mariupol stammt aus sowjetischen Zeiten. Der riesige Industriekomplex verfügt über dicke Betonwände, Stahltüren und unterirdische Gänge. Er war so konzipiert, dass er einem Atomkrieg standhalten könnte. «Es ist im Grunde eine Stadt unter der Stadt», erklärte Yan Gagin, ein russischer Berater in der sezessionistischen «Volksrepublik» Donezk gegenüber der New York Times.

Das Industriegelände ist vier Quadratkilometer gross. Es verfügt über einen eigenen Hafen am Asowschen Meer. Jährlich produzierte das Werk etwa zehn Millionen Tonnen Stahl und war damit eines der grössten Stahlwerke Europas.

«Die Russen brauchen noch vier Wochen»

Die ostukrainische Donbass-Region wird der russischen Übermacht noch mindestens vier Wochen standhalten. Dies geht aus vertraulichen Nato-Einschätzungen hervor. «Die russischen Streitkräfte brauchen möglicherweise mindestens vier Wochen, um ihre territoriale Kontrolle über zwei ukrainische Regionen im Donbass auszuweiten», heisst es. 

Das würde bedeuten, dass es Putin nicht gelänge, am 9. Mai, dem «Tag des Sieges über Nazi-Deutschland», der in Russland mit einer Militärparade gefeiert wird, einen grossen russischen Sieg in der Ukraine zu verkünden. Die Militärexperten der Nato sind der Ansicht, dass die russische Armee noch immer schwere Defizite aufweise. Trotz Umstrukturierung, neuer Führung und Verstärkung kämpfe sie nicht effektiv. «Es ist unwahrscheinlich, dass die erfolgte Verstärkung die Kampfeffektivität wesentlich erhöht.»

Selenskyj gibt nicht auf

Der ukrainische Präsident hat Mariupol noch nicht für komplett aufgegeben. «Die Situation ist schwierig, die Situation ist schlecht», sagte der Präsident am Donnerstag in Kiew. Es gebe mehrere Wege, die Stadt zu befreien. 

«Es gibt einen militärischen Weg, auf den man sich vorbereiten muss, und wir bereiten uns vor», sagte Selenskyj. Dazu brauche es die Hilfe westlicher Partner. «Für uns selbst ist es schwierig, wir brauchen entsprechende Waffen, doch denken wir darüber nach», meinte er. Ein anderer Weg sei ein diplomatischer, humanitärer.

 

Russland unter Zeitdruck

Am 9. Mai feiert Russland jährlich mit grossem Pomp und einer Militärparade den Tag des Sieges über Nazi-Deutschland. Nach Meinung des britischen Militärgeheimdienstes möchte Putin an diesem Tag wichtige Erfolge im Krieg in der Ukraine vorweisen können. Deshalb stünden, so der Geheimdienst, die Russen unter einem gewissen Zeitdruck. «Dies könnte sich darauf auswirken, wie schnell und energisch sie versuchen, Einsätze im Vorfeld dieses Datums durchzuführen.»

Charkiw «wie wild» bombardiert

Nach Angaben des Bürgermeisters von Charkiw bombardiert Russland die Stadt «wie wild». In einer Fernsehansprache sagte Ihor Terechow, dass sich noch etwa eine Million Menschen in der nordöstlichen Stadt aufhalten. Etwa 30% der Bevölkerung – vor allem Frauen, Kinder und ältere Menschen – wurden evakuiert.

Tausend Leichen in Leichenhallen

Die Leichen von 1’020 Zivilisten werden in Leichenhallen in und um Kiew gelagert, nachdem sich die russischen Truppen aus der Region zurückgezogen haben. Dies erklärte ein ukrainischer Beamter gegenüber der französischen Nachrichtenagentur AFP.

Zuvor waren in der Stadt Borodjanka in der Nähe von Kiew die Leichen von neun Zivilisten gefunden worden, von denen einige Folterspuren aufwiesen, wie ein hoher Polizeibeamter gegenüber AFP sagte.

«Diese Menschen wurden von den Besatzern getötet, und einige zeigen Anzeichen von Folter. Ich möchte betonen, dass diese Menschen Zivilisten waren. Das russische Militär hat wissentlich auf Zivilisten geschossen, die keinen Widerstand geleistet haben», sagte der Polizeichef der Region Kiew, Andriy Niebytov.

Er sagte, die Polizei habe zwei Gräber in der Nähe von Borodyanka entdeckt. In einem Grab seien drei Menschen – darunter ein 15-jähriges Mädchen – entdeckt worden, in einem zweiten Grab seien die Leichen von sechs Menschen gefunden worden, sagte er.

«Baldiger blutiger Kampf»

Nach Beginn der russischen Grossoffensive am Sonntag haben im Osten der Ukraine noch keine grösseren Kämpfe stattgefunden. Den Russen gelang es mit kleineren taktischen Angriffen noch nicht, entscheidend vorzustossen und Gebiete zu gewinnen. Doch die Präsenz von über hunderttausend russischen Soldaten lässt nach ukrainischer und westlicher Einschätzung «einen baldigen blutigen Kampf» erwarten.

Auch das amerikanische «Institute for the Study of War», ein angesehener Think-Tank, erklärte, die Russen hätten zwar Teile der wichtigen Frontstädte Rubischne und Popasna eingenommen, doch es sei ihnen nicht gelungen, grössere Durchbrüche zu erzielen. Sie hätten auch «keine neuen Fähigkeiten zur Durchführung mehrerer erfolgreicher, gleichzeitiger Vorstösse demonstriert», erklärt der Think-Tank.

Auch die «Gruppe Wagner»

Die ukrainischen Streitkräfte berichteten über die Anwesenheit einer kleinen Anzahl syrischer oder libyscher Söldner, die in Popasna kämpften. Dabei handelt es sich wahrscheinlich um Soldaten der «Gruppe Wagner», einer privaten, Putin ergebenen Elitetruppe, die als besonders grausam gilt.

Russischer Angriff gestoppt

Olexij Arestowytsch, ein Berater des ukrainischen Präsidenten, erklärte, die ukrainischen Truppen hätten einen Vormarsch russischer Truppen auf die Stadt Slowjansk nördlich von Kramatorsk gestoppt. Die Russen seien von Norden her vorgedrungen, hätten aber gestoppt werden können.

Über hunderttausend russische Soldaten

Russland hat im Osten und Südosten der Ukraine 76 taktische Bataillone stationiert. Vor wenigen Tagen waren es noch 65. Ein Bataillon zählt bis zu tausend Soldaten. Dazu kommen etwa 22 weitere Bataillone, die sich in Russland oder Belarus an der Grenze zur Ukraine befinden. Diese Angaben machte das Pentagon.

Vier Busse verlassen Mariupol

Vier vollbesetzte Busse haben am Donnerstagvormittag Mariupol verlassen können. Russland und die Ukraine hatten vereinbart, dass am Mittwoch ein humanitärer Korridor für Menschen aus Mariupol errichtet wird. Die stellvertretende ukrainische Ministerpräsidentin Iryna Wereshchuk erklärte am Mittwochabend jedoch, dass ein solcher Korridor «nicht wie geplant funktioniert hat». Heute Donnerstag würde ein weiterer Versuch unternommen. Ziel ist es, mit 90 Bussen etwa 6’000 Frauen, Kinder und ältere Menschen aus der belagerten Stadt zu evakuieren. Am Donnerstag verliessen nun die ersten Busse die Stadt.

Reparierte ukrainische Kampfbomber

Zwanzig ukrainische Kampfbomber, die wegen Schäden aus dem Verkehr gezogen werden mussten, sind wieder einsatzbereit. Wie das amerikanische Verteidigungsministerium mitteilt, hatten die USA nötige Ersatzteile geliefert, um die Bomber wieder kampffähig zu machen.

Die USA bilden ukrainische Soldaten aus

Nach Angaben des amerikanischen Verteidigungsministerium bilden amerikanische Spezialisten ukrainische Soldaten ausserhalb der Ukraine aus. Im Zentrum steht die Handhabung amerikanischer Waffen.

Über zwölf Millionen auf der Flucht

Nach jüngsten Angaben des UNHCR, des Uno-Hochkommissariats für Flüchtlinge, haben 5’034’439 Menschen die Ukraine verlassen. Allein Polen hat über 2,8 Millionen aufgenommen. Dazu kommen laut letzten Angaben der Internationalen Organisation für Migration (IOM) 7,1 Millionen sogenannte «Binnenflüchtlinge» (Internally displaced People), also Menschen, die ihre Häuser und Wohnungen verlassen haben und irgendwo in der Ukraine selbst Zuflucht gesucht haben.

Russland testet Interkontinentalrakete

Der Test einer neuartigen ballistischen russischen Langstreckenrakete zeigt nach amerikanischen Angaben, wie isoliert Putin zurzeit sei. Dies nähre die Befürchtung, dass er «weiter ausschlagen könnte» (that he might lash out further). Russland gab jedoch zu, dass die neue Rakete noch nicht einsatzbereit sei. Putin hatte erklärt, die Rakete solle «alle, die versuchen, unser Land in der Hitze einer wilden, aggressiven Rhetorik zu bedrohen, zum Nachdenken zwingen».

Die Rakete vom Typ Sarmat (Nato-Codename: SS-X-30 Satan 2) soll eine Reichweite von 18’000 Kilometern haben und Atomsprengköpfe tragen können. Putin erklärte anlässlich des Starts, dass es «auf der Welt auf lange Zeit nichts geben werde, was der Rakete ebenbürtig» sei.

Gemäss dem Abrüstungsvertrag New Start mussten die Russen die USA im Voraus über den Test informieren. Das haben sie getan, erklärt Pentagon-Sprecher John Kirby. «Solche Tests sind Routine, und sie waren keine Überraschung», betonte Kirby. Der Test werde nicht als Bedrohung für die Vereinigten Staaten oder ihre Verbündeten angesehen. 

Wimbledon ohne Russen

Ein hochrangiger Tennisfunktionär erklärte, wegen der russischen Offensive in der Ukraine würden russische und belarussische Tennisspieler vom diesjährigen Tennisturnier in Wimbledon ausgeschlossen. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow bezeichnete dies als «inakzeptabel».

(Wird laufend aktualisiert)

Journal 21

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