„Sorry“ kommt von „sorrow“ (Kummer, Sorge, Betrübnis, Traurigkeit, Leid, Schmerz) und heisst denn auch „betrübt“, „traurig“. Im Sprachalltag jedoch hat das Wort längst eine andere Funktion: Es ist die globalisierte Entschuldigungsfloskel. Sie meint nichts Bestimmtes, sondern signalisiert ungefähr: nimm’s nicht übel, war nicht bös gemeint.
Der Rempler, das Missverständnis, der Patzer oder der kleine Schaden verlangen nach symbolischer Wiedergutmachung. Alle Sprachen stellen dafür feste Formeln zur Verfügung. Als das Französische noch Weltsprache war, diente „Pardon!“ als polyglotte Abbitte. Es ist heute vom ebenso kurzen „Sorry!“ weitgehend verdrängt worden.
„Sorry!“ ist ein Einweg-Entschuldigungs-Signal. Es funktioniert ohne Quittierung oder gar formelle Annahme durch den Geschädigten und taugt dadurch fürs Ausbügeln der in urbaner Eile passierenden kleineren Friktionen. Bei gravierenden Vorkommnissen, die besprochen, verhandelt und womöglich kompensiert werden sollen, wäre das „Sorry!“ hingegen zu leichtgewichtig.
Die Sprache wägt die Tragweite von Verfehlungen genau ab und kennt unterschiedliche Routinen, um das in Schräglage Geratene wieder ins Lot zu bringen. Liegt das „Sorry!“ am unteren Ende der Skala, so steht ganz oben die Bitte um Vergebung. Das Wort „Vergebung“ zeigt an, dass ein geschehenes Unrecht nicht vom Verursacher aus der Welt geschafft werden kann, sondern dass es dazu eines Entgegenkommens des Geschädigten bedarf. Nur er kann das Unrecht beseitigen, indem er die Schuld ausdrücklich erlässt. Vergebung zu gewähren – und sie anzunehmen – ist denn auch ein für beide Seiten anforderungsreicher Vorgang, für den es Zeit und menschliche Qualitäten braucht.
Eine Meldung der SDA hat diese Woche berichtet, im Bistum Sitten seien Priester identifiziert worden, die zwischen den 50er- und 90er-Jahren Kinder missbrauchten. Entgegen den Vorwürfen von Betroffenen behaupte der gegenwärtige Bischof von Sitten, seine Vorgänger hätten davon nichts gewusst. In der Meldung heisst es: „Bischof Jean-Marie Lovey bat die Opfer um Vergebung.“ – Hier hat ein Kirchenoberer es sich mit den Anforderungen des Vergebens zu leicht gemacht. Es ist, als hätte er den Missbrauchsopfern ein „Sorry!“ hingeworfen.