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Kommentar 21

Sondierung statt Führung

25. Dezember 2017
Stephan Wehowsky
Seit der Bundestagswahl vom 24. September 2017 wird in Berlin sondiert.

Das Jahr endet mit Sondierungen, und das neue Jahr beginnt mit Sondierungen. In Deutschland scheint das Sondieren zu einer neuen politischen Mode geworden zu sein. Wird die neue Regierung, wenn sie denn je zustande kommt, auch nur noch sondieren, anstatt zu regieren? Wird am Ende überhaupt noch jemand den Unterschied zwischen Sondieren und Regieren kennen?

Martin Schulz wurde im Frühjahr 2017 mit 100 Prozent der Stimmen auf dem damaligen SPD-Parteitag zum SPD-Vorsitzenden und Kanzlerkandidaten der SPD gewählt. Angela Merkel wurde wiederholt in internationalen Rankings als einflussreichste Frau beziehungsweise Politikerin hervorgehoben. Sie sondiert, er sondiert, keiner führt.

Man stelle sich einmal vor: Helmut Kohl war Ende der 1980er Jahre ein höchst umstrittener Politiker. Seine eigene Partei rückte von ihm ab. Dann fiel die Mauer. Es bot sich die historische Chance der Wiedervereinigung. Hat Kohl sondiert? Nein, er hat geführt. Er wusste, was er wollte, riss international und national alle führenden Politiker mit und überrollte auch Margaret Thatcher. Er war energischer als alle Bedenken.

Heutzutage möchte niemand mehr anecken. Unsere Gesellschaft ist in Wirtschaft und Politik soft geworden: Marktforschung statt Kreativität, Umfragen statt Führung. Auf dem Markt ähneln sich die Produkte, Politik wurde zur Suche nach dem kleinsten gemeinsamen Nenner. Der reicht aber nicht zur Lösung von grossen Problemen. Führen und Sondieren sind zwei verschiedene Paar Schuhe. Wer ist für die grösseren Schuhe geschaffen?

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