
Der ukrainische Präsident trifft am Rande des G7-Gipfeltreffens in Hiroshima mit Joe Biden zusammen. Der amerikanische Präsident hat gute Nachrichten für Selenskyj. Konfuse Nachrichten hingegen kommen aus dem Donbass. Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin erklärt, die Stadt Bachmut sei gefallen und befinde sich in pro-russischen Händen. Kiew dementiert.
Selenskyj erklärte am Sonntag, ohne kompletten russischen Abzug aus der Ukraine gebe es weder Verhandlungen noch Frieden.
«Solange die Invasoren in unserem Land bleiben, wird sich niemand mit Russland an den Verhandlungstisch setzen», schrieb der ukrainische Präsident auf Twitter. «Die Welt hat genug Macht, um Russland zu zwingen, den Frieden Schritt für Schritt wiederherzustellen.»
What you've achieved is a matter for the entire world and we are in awe of what you’ve done so far.
Biden sagte zu Selenskyj: «Was Sie erreicht haben, ist eine Angelegenheit für die ganze Welt, und wir sind voller Ehrfurcht vor dem, was Sie bis jetzt getan haben. ... Zusammen mit der gesamten G7 stehen wir hinter der Ukraine.
Während Selenskyj am Samstag von Saudi-Arabien kommend mit einer französischen Regierungsmaschine in Japan eingetroffen war, erklärte Wagner-Chef Prigoschin, die Schlacht um Bachmut sei zu Ende. Die ostukrainische Kleinstadt befinde sich seit Samstagmittag total in den Händen der Wagner-Söldner. Die Ukraine hingegen dementiert und spricht von einer «kritischen Situation». «Die Schlacht um Bachmut geht weiter», erklärte das ukrainische Oberkommando am Sonntag.
«Nur in unseren Herzen»
In Hiroshima hatte Selenskyj zunächst auf eine Frage eines Reporters, ob er glaube, Bachmut sei noch unter ukrainischer Kontrolle, erklärt: «Ich glaube nicht.» Sein Sprecher erklärte anschliessend, der Präsident habe die Frage falsch verstanden; er habe sich auf die russische Behauptung bezogen, wonach die Russen die Stadt erobert hätten.
Später sagte Selenskyj, Bachmut sei völlig zerstört. Er bestritt aber, dass Russland die Stadt erobert habe. «Es ist schade, es ist eine Tragödie, aber heute ist Bachmut nur in unseren Herzen.» Sein Büro stellte später klar, dass er nicht gesagt habe, dass die Stadt gefallen sei.
Der ukrainische Präsident hatte am Samstag in Hiroshima bilaterale Gespräche mit den Regierungs- und Staatschefs aus Grossbritannien, Italien, Frankreich, Indien, Deutschland und der EU-Kommission geführt.
«Historische Entscheidung»
Selenskyj zeigt sich hocherfreut, dass die USA nun ukrainische Kampfjet-Piloten ausbilden wollen. Dies sei eine «historische Entscheidung» und werde «die ukrainische Armee am Himmel erheblich stärken». Weiter sagte der ukrainische Präsident: «Ich freue mich darauf, die praktische Umsetzung dieser Entscheidung während des G7-Gipfels zu erörtern.»
Der ukrainische Präsident hatte die USA seit Kriegsbeginn dazu gedrängt, Jets zu liefern.
Joe Biden hatte am Freitag und Samstag die Staats- und Regierungschefs der G7-Staaten darüber informiert, dass die USA die Ausbildung ukrainischer Piloten an Kampfflugzeugen der vierten Generation, einschliesslich der F-16, billigen werden.
Die Ausbildung der Piloten werde ausserhalb der Ukraine in Europa erfolgen und Monate dauern, erklärte ein amerikanischer Beamter.
«Kampfjet-Koalition»
Noch ist unklar, ob die USA dann auch der Ukraine F-16-Kampfflugzeuge liefern werden – oder ob die Maschinen von anderen Nato-Staaten zur Verfügung gestellt werden.
Grossbritannien, die Niederlande und Frankreich hatten eine sogenannte «Kampfjet-Koalition» gebildet und wollen der Ukraine Kampfflugzeuge liefern. Auch Dänemark und Belgien wollen sich an der Koalition beteiligen.
«Die Sicherheit der Ukraine ist unsere Sicherheit»
Der britische Premierminister Rishi Sunak betonte am Sonntag in Hiroshima: «Die Sicherheit der Ukraine ist unsere Sicherheit.» Grossbritannien werde «in diesem Sommer» mit der Ausbildung ukrainischer Piloten auf F-16-Kampfjets beginnen.
Sunak begrüsste die «sehr greifbaren Fortschritte bei der Bereitstellung weiterer Unterstützung» für die Ukraine. «Die Ukraine muss nicht nur den Krieg gewinnen, sondern auch einen gerechten und dauerhaften Frieden», sagte Sunak.
«Dass Präsident Selenskyj Seite an Seite mit seinen G7-Verbündeten steht, ist meiner Meinung nach eine Botschaft an Russland und die Welt, dass wir geschlossen hinter Präsident Selenskyj und seinem Volk stehen und ihn so lange wie nötig unterstützen werden», sagte Sunak.
Während Selenskyj in Europa und der arabischen Welt herumreist, getraut sich Wladimir Putin offensichtlich nicht, das Land zu verlassen. «Putin versteckt sich, weil er Angst hat, getötet zu werden», erklärt General Vadym Skibitsky, die Nummer zwei des ukrainischen militärischen Geheimdienstes, in einem Interview mit der Römer Zeitung «La Repubblica». «Manchmal streckt Putin den Kopf hervor, doch wir wissen nicht einmal, ob das wirklich Putin oder ein Doppelgänger ist.»
F-16
Der amerikanische F-16 ist kein neues Mehrzweckkampf-Flugzeug. Der Erstflug fand bereits 1974 statt. Es handelt sich um einen einstrahligen «Allwetter-Jet», der seit Beginn der Serienproduktion 1976 4570 Mal gebaut wurde. Noch immer wird er von 25 Staaten, unter anderem mehreren Nato-Ländern, eingesetzt – nicht aber von Frankreich. Heute sind noch über 2200 F-16 in Betrieb. Er ist damit der am meistverbreitete Kampfjet. Die F-16 gelten noch immer als leistungsstarkes Waffensystem mit einer Reichweite von 860 Kilometern.
Russische Warnung
Nicht unerwartet warnt Russland den Westen vor der Lieferung von F-16-Kampfjets. Der stellvertretende russische Aussenminister sprach von «enormen Risiken», sollten die F-16 an die Ukraine geliefert werden. Alexander Grushko erklärte: «Wir sehen, dass die westlichen Länder immer noch an dem Eskalationsszenario festhalten.» Wörtlich: «Das birgt enorme Risiken für den Westen selbst. Auf jeden Fall wird dies in all unseren Plänen berücksichtigt, und wir haben alle notwendigen Mittel, um die gesetzten Ziele zu erreichen.»
Die Ukraine ist sich solche Erklärungen gewohnt. Ein Beamter in Kiew erklärte, wieder würden jene, die die Kämpfe begonnen haben, den Verteidigern vorwerfen, sie würden den Krieg «eskalieren».