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Polen

Rutscht Polen ins rechtspopulistische Lager?

19. Mai 2025
Heiner Hug
Rafal Trzaskowski
Rafal Trzaskowski am Sonntagabend in Tarnobrzeg (Keystone/EPA/Piotr Polak)

Zwar hat der EU-freundliche liberalkonservative Rafal Trzaskowski die erste Runde der polnischen Staatspräsidentschaftswahl knapp gewonnen, doch in der Stichwahl in zwei Wochen könnte der EU-kritische Trump-Bewunderer Karol Nawrocki das Rennen machen. 

Der 53-jährige Rafal Trzaskowski, der Bürgermeister von Warschau und Vertraute des EU-freundlichen Ministerpräsidenten Donald Tusk, kam am vergangenen Sonntag auf 30,8 Prozent der Stimmen – weniger als das pro-europäische Lager erhofft hat. Trzaskowski war als klarer Favorit gestartet, verlor jedoch im Laufe des Wahlkampfs langsam an Zustimmung. 

Dicht auf den Fersen mit 29,1 Prozent folgt ihm der 42-jährige Karol Nawrocki. Offiziell geht der Historiker als Parteiloser ins Rennen, ist jedoch der Kandidat der nationalistischen, EU-kritischen, patriotischen, klerikal-konservativen, rechtspopulistischen PiS. Er bewundert Donald Trump. Den EU-Migrations- und Asylpakt lehnt er ab. Er selbst sagt, er sein kein «Politiker», sondern «ein Patriot». Gegen einen Nato- und EU-Betritt der Ukraine wehrt er sich.

Karol Nawrocki
Karol Nawrocki am Sonntagabend in Danzig (Keystone/AP/Wojciech Strozyk)

Da keiner der 13 Kandidaten und Kandidatinnen am Sonntag das absolute Mehr erreicht hat, gehen die beiden Bestplatzierten, Trzaskowski und Nawrocki, am 1. Juni in die Stichwahl.

Der dritte Mann

Mitentscheidend wird sein für wen in der Stichwahl die Anhänger des drittplatzierten Kandidaten, Sławomir Mentzen, stimmen werden. 15,4 Prozent der Wählerinnen und Wähler sprachen sich für ihn aus. Er gilt als rechtsradikal und ist ein dezidierter EU- und Deutschland-Kritiker. Er spricht sich gegen die militärische Unterstützung der Ukraine aus, und auch er gilt als überzeugter Anhänger von Präsident Trump. Seine Gegner werfen ihm seine Nähe zur AfD vor. Da er in den sozialen Medien, vor allem auf TikTok, sehr aktiv ist, wird er vor allem von jungen Menschen unterstützt.

Sławomir Mentzen
Sławomir Mentzen in Warschau (Keystone/EPA/Leszek Szymanski)

Zwar steht Mentzen dem PiS-Kandidaten Nawrocki ideologisch sehr nahe, doch eine persönliche Fehde entzweit die beiden. Deshalb ist unklar, wie viele Mentzen-Anhänger schliesslich für Nawrocki stimmen werden. Doch auch wenn es nur ein Teil von ihnen ist, wird es Rafal Trzaskowski schwer haben. Rechnet man alle Parteien zusammen, so kommt das Pro-EU-Lager auf nur etwa 40 Prozent der Stimmen, während die rechtspopulistischen Parteien zusammen mit über 50 Prozent der Stimmen rechnen können. 

Nawrocki kann unter anderem auf die Stimmen des rechtsextremen Filmregisseurs Grzegorz Braun zählen. Für ihn stimmten 6,2 Prozent der Wählerinnen und Wähler. Er ist ein erklärter Judenhasser und stellt seinen Antisemitismus offen zur Schau. Israel bezeichnet er als «Terrorstaat». Im Wahlkampf verbrannte er eine EU-Flagge. 

Abgestrafter Tusk

Der Staatspräsident ist in Polen sehr einflussreich. Der bisherige, jetzt abtretende konservative Staatspräsident Andrzej Duda legte Ministerpräsident Tusk stets Steine in den Weg und hinderte ihn daran, seine progressive Agenda zu verwirklichen. 

Weil Tusk aufgrund dieses Patts sein Programm nicht zügig umsetzen konnte, wurde jetzt der Tusk-Vertraute Rafal Trzaskowski abgestraft. Tusk wurde vorgeworfen, seine Reform-Agenda kaum verwirklicht zu haben. Das Kalkül des rechtspopulistischen PiS könnte also aufgehen: PiS-Staatspräsident Duda hinderte den reformwilligen Ministerpräsidenten daran, Reformen durchzuführen, was zur Folge hat, dass Tusk und jetzt auch Rafal Trzaskowski bestraft werden.

EU Ja oder Nein?

Die Wahl hat europapolitisch enorme Bedeutung. Trzaskowski steht wie Ministerpräsident Tusk für ein starkes Europa und eine starke Nato. Beide sind sehr Trump-kritisch und unterstützen die Ukraine in ihrem Kampf gegen Russland.

Würde jedoch der PiS-Kandidat Nawrocki gewählt, würde das einen schweren Schlag für die EU bedeuten. Er ist nicht nur EU-kritisch, sondern oft regelrecht EU-feindlich. Er sieht sich im Bündnis mit Viktor Orbán, Marine Le Pen und dem Slowaken Robert Fico. Zudem unterstützte er den jetzt überraschend nicht gewählten russlandfreundlichen, rechtsextremen, europafeindlichen rumänischen Kandidaten George Simion.

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