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Zypern

Russisches Roulette

20. März 2013
Journal21
Vergessen wir alle wohlgesalbten Worte der Eurokraten. Einstimmige Beschlüsse, Blabla. Erst jetzt geht’s richtig zur Sache. Mit geladenem Revolver.

Griechenland, Spanien und auch Italien haben es schon vorgemacht. Mit Bedingungen an einen Schuldner ist das so eine Sache. Besonders im Kartenhaus Euro-Raum, wo selbst die kleinste Karte stechen kann. Wenn der Spieler nur sein Blatt richtig ausspielt. Wobei, eigentlich geht’s hier um Russisches Roulette.

Peng, und wer ist tot?

Kurz die Spielregeln in der EU-Version dieses angeblich russischen Brauchs. Auch hier wird in die Kammer eines Revolvers eine Patrone gesteckt, dann die Trommel gedreht, damit niemand mehr weiss, wo sie sich befindet. In der Originalversion hält sich ein Mitspieler die Waffe an die Schläfe, drückt ab und – falls er es überlebt – reicht den Revolver an seine Mitspieler weiter. In der EU wird eine davon etwas abweichende Version praktiziert. Zuerst wird dem schwächsten Mitspieler, im aktuellen Fall Zypern, die Knarre an den Kopf gehalten. Der unterschreibt dann alles, was ihm vorgelegt wird. Aber das ist nur die Ouvertüre.

Der Euro-Schuss

Der Revolver wird verstaut, alle Mitspieler treten vor die Presse und verkünden, dass einstimmig und im europäischen Sinn und Geist eine Lösung gefunden worden sei. War nicht einfach, brauchte wieder die bewährte Nachtsitzung, aber das Problem ist gelöst. Zypern kriegt 10 Milliarden Euro, steuert selbst 5,8 Milliarden bei, und alle leben fröhlich und friedlich weiter. Nun zieht sich aber der schwächste Spieler auf seine absaufende Insel zurück, zückt wieder den Revolver und hält ihn an die eigene Schläfe. Dabei sagt er: Wollt ihr wirklich, dass ich abdrücke? Um seiner Entschlossenheit Nachdruck zu verleihen, lässt er das lokale Parlament die schon unter der Teilnahme des zypriotischen Präsidenten einstimmig beschlossene Zwangsabgabe für alle Bankkunden ohne eine einzige Ja-Stimme ablehnen. Sozusagen der Warnschuss in die Luft.

Hühnerhaufen

Damit verwandelt sich mal wieder die ganze aufgeblasene Wichtigkeit der unüberschaubaren Heerscharen von Euro-Finanzministern, Kommissaren, Präsidenten, Gruppenchefs und Gouverneuren in einen aufgeregten Hühnerhaufen, bei dem natürlich niemand dieses Ei gelegt haben will. Niemand will’s gewesen sein, nicht der deutsche Finanzminister Schäuble, nicht die übrigen Minister, und am allerwenigsten Eurokraten aller Rangstufen. Währenddessen hat der zypriotische Präsident das erste Mal abgedrückt, allerdings wohl wissend, dass in dieser Kammer nur eine Platzpatrone steckte. Der ewige Vorteil des Schuldners gegenüber dem Gläubiger: Wenn du dein Geld zurückwillst, musst du aber lieb zu mir sein. Sonst muss ich mich entleiben, und dann ist dein Geld endgültig futsch.

Plan B?

Wie in den letzten Jahren fast immer zeichnet die EU aus, dass es nicht mal im Ansatz einen Plan B gibt. Dass sich Zyperns Parlament weigern könnte, der Zwangsabgabe für alle Bankkunden zuzustimmen, war, richtig geraten, natürlich unvorhersehbar. Der Zwerg Zypern mopst doch tatsächlich gegen den weisen Ratschluss von Brüssel auf. Eigentlich eine Unverschämtheit. Aber nun, wie weiter? Sind die Eurokraten nicht mal wieder Gefangene des eigenen Wortes? Denn wenn nur mit diesen und genau diesen Massnahmen der drohende Staatsbankrott Zyperns abgewendet werden könnte – und genau deshalb wurden sie ja beschlossen –, dann ist die Insel also ohne dieses sogenannte Rettungspaket demnächst bankrott? Die Zyprioten sehen das im Moment gelassener: Sie haben ebenfalls nicht im Ansatz einen Plan B.

Entweder oder

Pleite droht, einzig mögliche Rettung gefunden, Rettung kaputt, Pleite. Normalerweise müsste das so sein, wenn ein paar Grundregeln der Logik gelten würden. Aber gemach, nun wird das getan, was die EU am besten kann: Es wird gewurstelt. Und geschachert und gezockt. Zypern will natürlich erträglichere Bedingungen oder schlichtweg mehr Geld, mehr Kredit. Weniger Selbstbeteiligung. Die EU will nicht. Nun kommen wir zur Vollendung des Russischen Roulettes à la EU. Zypern hält sich weiterhin den Revolver an die Schläfe, die EU zückt einen eigenen, hält ihn der kleinen Insel an die andere Schläfe und sagt finster: Bei uns sind aber alle sechs Kammern geladen. Und beide Mitspieler rufen drohend: «Gleich drück ich ab. Nein, ich. Nein, du traust dich nicht. Nein, du bist zu feige.»

Die Erlösung

Angesichts dieser nun wirklich zum absurden Schmierentheater verkommenen Veranstaltung namens EU, ich wiederhole mich, wird es allen als Erlösung erscheinen, wenn endlich der erste Euro-Staat Bankrott erklärt. Und aus dem Euro austritt. Das wird fürchterlich für die Zyprioten, natürlich auch für die Kleinanleger. Aber der einzige Trost besteht darin: Alles andere wäre alternativlos noch viel schlimmer. Nach fünf Jahren Gewurstel, seit der Einführung des Euro auf Zypern im Jahre 2008, wer würde das noch weitere fünf Jahre aushalten? Das kann man nun wirklich keinem Menschen zumuten. Nicht mal in der EU.

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