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Trump/Putin

«Russisches Alaska»

14. August 2025
Heiner Hug
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Dieses Dokument sehen die Russen auch heute gar nicht gern. Mit diesem Scheck kauften die USA im April 1867 das bisher russische Alaska für 7,2 Millionen Dollar.

Es ist das erste Mal, dass ein russischer oder sowjetischer Präsident Alaska besucht. Putin setzt am Freitag seinen Fuss auf ein Gebiet, das bis vor 158 Jahren russisch war. Russische Propagandisten, TV-Moderatoren und Politiker brüskieren mit spöttischen Aussagen. Sie fordern, Alaska müsse wieder russisch werden. 

Russische Nationalisten und Rechtsextreme nehmen den bevorstehenden Besuch Putins im 49. US-Bundesstaat zum Anlass, die USA zu reizen. Sie weisen darauf hin, dass die Russen die ersten Europäer waren, die Alaska entdeckten und besiedelt hatten. Also müsse Alaska, wie die Ukraine, «heimgeholt» und in russisches Territorium eingegliedert werden. Nicht alle nehmen das ernst. Vieles ist Satire.
 

Semjon Iwanowitsch Deschnjow

Der russische Kosak Semjon Iwanowitsch Deschnjow war es, der 1648 die Meerenge zwischen Sibirien und Amerika entdeckte. Doch das amerikanische Festland betrat er nicht. Im Bild: Semjon Iwanowitsch Deschnjow auf einer russischen Briefmarke (2010)

Eigentlich müsste das, was wir heute «Beringstrasse» nennen, «Deschnjowstrasse heissen, denn Deschnjow war der Erste, der nachwies, dass Europa von Amerika getrennt ist.
 

Vitus Behring, ?

Der dänische Navigator Vitus Bering segelte 1728, achtzig Jahre nach Deschnjow, durch die Meerenge zwischen Sibirien und Alaska, ohne die Küste von Alaska zu sehen. Bering stand in Diensten des Zaren. Das Ölgemälde wurde lange Zeit für ein Porträt von Bering gehalten. Nach seiner Exhumierung im Jahr 1991 und einer anschliessenden forensischen Untersuchung wird dies heute angezweifelt.

«Kamtschatka-Expedition»

Im Sommer 1741 brachen im Rahmen der «Kamtschatka-Expedition» gleich zwei Schiffe auf, um die Meerenge zu erforschen. Das eine Schiff, die «St. Peter» stand unter dem Kommando von Bering, der enttäuscht war, dass er bei seiner ersten Expedition kein amerikanisches Festland sah. Er wollte diese Schmach jetzt gutmachen.

Tschirikow

Das zweite Schiff, die «St. Paul», wurde vom russischen Sibirienforscher und Seemann Alexei Illjitsch Tschirikow kommandiert. Nachdem Berings «St. Peter» in Seenot geraten war, sichtete Tschirikow am 15. Juli 1741 als erster Europäer Land an der Südküste Alaskas. Er schickte zwei Trupps auf Erkundungstour, doch beide verschwanden auf nicht geklärte Weise. Wurden sie von den Urbewohnern getötet? Ein Versuch Tschirikows, an Land zu gehen, scheiterte.

Einige Tage später landete auch Vitus Bering in Alaska, bevor er auf der Rückreise an Erschöpfung starb.

Hunderte Ureinwohner niedergemetzelt

Schon bald begann eine russisch-amerikanische Gesellschaft, Alaska zu kolonialisieren. Interesse bestand vor allem an wertvollen Pelzen. Dafür wurden Seeotter, Bären, Polarfüchse, Wölfe und Nerze getötet. Die russische Zarin Katharina II. hatte ihre Landsleute aufgefordert, die Ureinwohner gerecht zu behandeln. Das geschah nicht immer. 

Die Einheimischen wurden gegen ihren Willen gezwungen, für die «Kolonialisten» zu jagen. Der russische Entdecker, Geograf und Seefahrer Grigori Iwanowitsch Schelochow liess Hunderte Ureinwohner niedermetzeln, weil sie sich gegen die Eroberer wehrten. Schelochow errichtete die erste feste russische Siedlung in Alaska. Er gründete auch eine Schule, in der die Einheimischen Russisch lernen und die orthodoxe Religion annehmen mussten. 

Verkauf an die USA

Nach kurzen Gastspielen der Spanier und Briten in Alaska begannen die Russen, ihre Besitztümer in Alaska an die Amerikaner zu verkaufen. Der Grund: finanzielle Schwierigkeiten des russischen Kaiserreichs. 

Der amerikanische Aussenminister William H. Seward machte sich für den Kauf Alaskas stark. Er war Aussenminister unter Abraham Lincoln und dessen Nachfolger Andrew Johnson. Am 9. April 1867 – vor 158 Jahren – begingen die Russen einen kapitalen Fehler, den sie noch heute bereuen. Sie unterschrieben zusammen mit Seward einen Vertrag, in dem sie für 7,2 Millionen Dollar (heutiger Wert etwa 160 Millionen) Alaska an die USA verkauften. 

William Seward
William Seward (Foto:PD)

In den USA war der Kauf stark umstritten. Viele kritisierten, man zahle doch nicht so viel Geld für ein wertloses Territorium. Man sprach von «Seward Torheit» (Seward’s folly). Kurz nach dem Attentat auf Abraham Lincoln wurde auch auf Seward ein Attentat verübt, bei dem er schwer verletzt wurde. Der Attentäter war ein Gesinnungsgenosse des Lincoln-Mörders. 

Goldrausch

Seward äusserte im August 1868 seine Zuversicht, dass Alaska sich mit der Zeit zu einem wertvollen Teil der USA entwickeln werde. Er sollte schon bald recht bekommen. Kurz nach dem Kauf brach in Alaska der Goldrausch aus. Charlie Chaplins Film «Gold Rush» spielt in Alaska, wurde allerdings hauptsächlich in Kalifornien gedreht.

«The Gold Rush»
Charly Chaplin im 1925 gedrehten Stummfilm «The Gold Rush». (Keystone/AP/The Roy Export Company Establishment)

Am 18. Oktober 1867 wurde Alaska formell von Russland den Vereinigten Staaten übertragen. Dieses Datum wird in Alaska als «Alaska Day» gefeiert. Für alle Staatsangestellte ist es ein Freitag.

Am 3. Januar 1959 wurde Alaska als 49. Bundesstaat in die USA aufgenommen.

«I’m going to Russia on Friday» 

Und jetzt also reist Putin in das Gebiet, das einst zum russischen Zarenreich gehörte. Nationalisten und Chauvinisten provozieren die Amerikaner schon lange mit dem «russischen Alaska». Und Trump schüttet ihnen jetzt Wasser auf die Mühlen.

Während eines Pressetermins am vergangenen Montag, 11. August, sagte er: «I’m going to see Putin, I’m going to Russia on Friday.»  Going to Russia? Er sagte diesen Satz zweimal. In sozialen Medien überboten sich die Spötter: «Aha, er will Alaska den Russen zurückgeben», hiess es aus Moskau hämisch. Ein User aus San Antonio schreibt: «Oh, my God, das ist der Präsident, den wir gewählt haben.» Und ein Franzose ist nicht zimperlich: «Dieser Idiot, der die ganze Welt terrorisiert, weiss nicht einmal, dass Alaska seit über 150 Jahren nicht mehr zu Russland gehört.» Die Pressesprecherin des Weissen Hauses, Karoline Leavitt, musste beschämt eingreifen und Trumps Fehler korrigieren. 

«Alaska gehört Russland»

Zu jenen, die schon immer eine Rückgabe Alaskas an Russland verlangten, gehört Wladimir Solowjow, ein populärer Fernseh-Moderator, der Putin sehr nahe steht. In einer Fernsehsendung Anfang dieses Jahres fordert er, Finnland, Polen, die drei baltischen Staaten und Alaska müssten wieder in das russische Reich eingegliedert werden. «Alaska gehört Russland», sagt er.

Solowjow ist nicht allein. Sergey Mironow, Vorsitzender der Partei «Gerechtes Russland» und enger Vertrauter des Kreml-Chefs, hatte schon Ende 2023 verlangt, Russland solle darüber nachdenken, Alaska von den USA zurückzufordern. Im Juli 2022 warnte Duma‑Sprecher Vyacheslav Volodin, dass die USA «denken sollten, dass wir auch etwas zurückholen könnten» –, wenn sie russische Vermögenswerte einfrieren. Er erwähnte Alaska und schlug ein Referendum unter den Einwohnern Alaskas über einen Anschluss an Russland vor. 

Provozieren, brüskieren, reizen

Im letzten Jahr hat Putin ein Dekret erlassen, mit dem er finanzielle Mittel bereitstellt, um «russisches Eigentum im Ausland» aufzuspüren. Erwähnt wird dabei ausdrücklich auch «Eigentum und ehemalige Ländereien in Alaska», auch solche Besitztümer aus der Zeit des Zarenreichs.

Die amerikanische Regierung bezeichnet die Forderungen russischer Nationalisten als «absurd». «Alaska ist ein integraler Bestandteil der Vereinigten Staaten», erklärte ein Sprecher des amerikanischen Aussenministeriums.

Natürlich ist die Forderung, Alaska solle wieder russisch werden, realitätsfremd. Das wissen auch die Nationalisten, die gerne provozieren und brüskieren. Und auch Putin, ein knallharter Realist, weiss das. Doch auch er liebt die Provokation. Nur schon die Erwähnung eines «russischen Alaska» dürfte den Kreml-Herrscher mit spöttischer Häme erfüllen.

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