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Kommentar 21

Kaczyński freut’s, Orbán freut’s, Putin freut’s

2. Juni 2025
Heiner Hug
Jarosław Kaczyński
Das Kalkül des 75-jährigen erzkonservativen PiS-Gründers Jarosław Kaczyński ist aufgegangen. Im Bild: Kaczyński in der Nacht zum Montag. (Foto: Keystone/PA/Marcin Obara)

Die Wahl des 42-jährigen Karol Nawrocki erschüttert die EU und wird das Lager der rechtspopulistischen, teils rechtsextremen Kreise in Europa stärken – mit möglichen Konsequenzen für die Ukraine.

Karol Nawrocki hatte nie ein politisches Amt inne. Der promovierte Historiker ist zwar offiziell parteilos, steht jedoch klar im Solde des klerikal-konservativen, EU-kritischen, teils Deutschland-feindlichen, rechtspopulistischen PiS. Jarosław Kaczyński, der die Partei 2001 mit seinem Zwillingsbruder gegründet hatte, verglich den jetzigen proeuropäischen Ministerpräsidenten Donald Tusk mit Adolf Hitler und bezeichnete ihn als «deutschen Agenten». 

Kaczyński war es denn auch, der Nawrocki als PiS-Kandidaten auf den Schild hob. Der 75-jährige Kaczyński hoffte, dass ein offiziell Parteiloser auch Kreise ausserhalb der PiS ansprechen werde. 

Kaczyński beschuldigte im Wahlkampf den jetzt unterlegenen liberalen Rafał Trzaskowski, den Bürgermeister von Warschau und Vertrauten von Ministerpräsident Donald Tusk, eine Änderung der EU-Verträge anzustreben. Dies würde, so behauptete der PiS-Gründer, zum «Verlust der Souveränität Polens» führen und das Land Deutschland ausliefern. Berlin verfolge «imperiale Tendenzen», sagte Kaczyński. Die Deutschland-feindliche Propaganda war in Polen schon früher erfolgreich.

Karol Nawroski
Karol Nawroski in der Nacht zum Montag mit seinen beiden Söhnen (Keystone/EPA/Marc

Verbindungen zur Zuhälter-Szene

Nawrocki ist Direktor des «Instituts für Nationales Gedenken» (IPN). Nach Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine liess er landesweit sowjetische Denkmäler zertrümmern, was ihm viel Sympathien eintrug. Aus historischen Gründen besteht in Polen nach wie vor ein weitverbreiteter Russland-Groll. 

Nawroski, ein früherer Amateurboxer, war einst Türsteher in einem Hotel im Ostseebadeort Sopot (Zoppot) und pflegte gute Kontakte zum Rotlichtmilieu, zur Zuhälterszene und zur Unterwelt. Er soll betuchten Gästen Nobelprostituierte zugeführt haben. Zudem werden ihm Verbindungen zur polnischen Neonazi-Szene nachgewiesen. 

Er ist EU-kritisch bis EU-feindlich und will keinerlei Kompetenzen an Brüssel abgeben. Von Berlin verlangt er, wie sein Mentor Kaczyński, Reparationszahlungen für die Schäden, die Hitler-Deutschland angerichtet hat.

Trump nennt Nawrocki einen «grossartigen Mann»

Er gilt als feuriger Anhänger von Präsident Trump, der ihm seine Unterstützung zugesagt hat. Kristi Noem, die US-Ministerin für Heimatschutz, nannte den liberalen Trzaskowski «einen Sozialisten, der mit der Angst regieren wird, um eine gegen die Freiheit gerichtete Agenda durchzusetzen». Noem hatte die Polinnen und Polen aufgefordert, einen Präsidenten zu wählen, der mit Trump zusammenarbeitet. Der US-Präsident bezeichnete Nawrocki als einen «grossartigen Mann». 

Kürzlich geriet Nawrocki in die Schlagzeilen, weil er eine Gemeindewohnung von einem mittellosen 80-jährigen Mann mit Lügen erschlichen hatte. Er hatte dem alten Mann vorgegaukelt, ihm helfen zu wollen, tat es jedoch nicht. Der 80-Jährige landete schliesslich in einem städtischen Heim. 

Auch als Hooligan machte Nawrocki Schlagzeilen. 2009 nahm er an einer wütenden Massenschlägerei von Danziger Fussball-Rowdies teil. Mehrere Teilnehmer waren anschliessend verurteilt worden. All diese Leichen, die Nawrocki im Keller hat, schadeten ihm offensichtlich nicht. Wählerinnen und Wähler aus dem rechtspopulistischen und rechtsextremen Lager fanden diese Eskapaden sogar sympathisch.

 «Europa von den Migranten zurückerobern»

Für die EU ist die Wahl Nawrockis ein schwerer Schlag. Alles deutet darauf hin, dass Polen nun in das vom rechtspopulistischen ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán angeführte Lager abdriften wird. Orbán hat bereits Nawrocki seine Unterstützung zugesagt. Nawrocki, so Orbán, werde Europa helfen, einen «patriotischen Plan» zu verwirklichen.

Zusammen mit Nawrocki will Orbán «Europa von den Migranten zurückerobern und die christliche Kultur festigen». In diesem «patriotischen, konservativen, christlichen» europäischen Lager, zu dem jetzt Polen wieder gehören könnte, befinden sich auch die rechtsextremen und rechtsnationalistischen Parteien in Frankreich, Spanien, Portugal, den Niederlanden, der Slowakei und Slowenien. Auch die deutsche AfD und Teile der italienischen «Fratelli d’Italia» sind mit an Bord.

Für den liberalen, EU-freundlichen polnischen Ministerpräsidenten Donald Tusk bedeutet die Wahl Nawrockis ein Schlag in die Magengrube. Der polnische Staatspräsident hat weitgehende Befugnisse und kann Entscheide der Regierung mit Vetos blockieren. Das hat der bisherige rechtskonservative Staatspräsident Andrzej Duda immer wieder getan und dem liberalen Ministerpräsidenten Donald Tusk das Regieren fast verunmöglicht. Tusk hoffte nun, mit einem Sieg des europafreundlichen Rafał Trzaskowski würde er endlich sein Reformprogramm verwirklichen können. Daraus wurde nun nichts. «Ein Schritt zurück», kommentieren polnische Medien. 

Polen hat eine rasante wirtschaftliche Entwicklung hinter sich und ist zu einem Musterschüler der EU geworden. Das Land hat sich schnell nach aussen geöffnet. Das ging vielen konservativen Polinnen und Polen zu schnell und mag mit ein Grund für den Sieg des konservativen Nawrocki sein. 

Schlechte Nachricht für die Ukraine

Durch den Ukraine-Krieg ist die militärische Bedeutung Polens stark gewachsen. Das Land ist im Krieg gegen Putin zu einer wichtigen militärischen und logistischen Drehscheibe geworden. Ein grosser Teil der westlichen Militärhilfe läuft über Polen. Da die polnischen Rechtspopulisten die militärische Hilfe an die Ukraine immer mehr in Zweifel ziehen und kritisieren, könnte die jetzige Wahl Nawrockis Konsequenzen für die Verteidigung der Ukraine haben.

Wie Orbán lehnt auch Nawrocki eine Mitgliedschaft der Ukraine in der EU und der Nato ab. Die militärische Hilfe an Kiew soll gedrosselt oder ganz eingestellt werden. Putin freut’s.

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