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Sprach-Akrobatik

Newspeak lebt!

24. Dezember 2014
Reinhard Meier
Reinhard Meier
Wer Realitäten verdrehen oder verschleiern will, orientiert sich an George Orwells Newspeak. Ein aktuelles Newspeak-Beispiel: „Freisinn blocherscher Prägung“.

George Orwell, der scharfsichtige politische Analytiker und Autor der beiden Klassiker „Animal Farm“ und „1984“,  hat den Begriff des Newspeak in den globalen Wortschatz eingeführt. Gemeint ist damit generell der manipulative Gebrauch von Wort-Konstruktionen, die die wahren Sachverhalte verschleiern oder verdrehen sollen.

Ein Beispiel aus „1984“ ist die zum geflügelten Wort gewordene Formulierung „Big brother is watching you“. Von der ursprünglichen Wortbedeutung her sollte dieser Slogan  dem Bürger so etwas wie familiäre Fürsorglichkeit suggerieren. Doch unter den Bedingungen einer Diktatur wird ein solcher Hinweis  – von der Herrschaft durchaus gewollt -  sofort als unheimliche Drohung wahrgenommen.

"But Brutus is an honorable man"

 Berühmt war während der Herrschaft des Sowjetimperiums etwa der Begriff „Volksdemokratie“, oder für die DDR die Bezeichnung „Arbeiter- und Bauernstaat“.  Beide Wortschöpfungen hatten mit der sprachlich suggerierten Realität wenig oder gar nichts zu tun.  

Doch Wortverdrehungen, Realitätsverschleierungen oder bewusste Suggestion des Gegenteils der artikulierten Botschaft mit Hilfe rhetorischer Mittel dürften so alt sein, wie Menschen untereinander mit Hilfe der Sprache verkehren.  Das klassischste Beispiel einer wirkungsvollen Wortmanipulation ist der mehrfach wiederholte Satz von Mark Anton beim Begräbnis des ermordeten Julius Cäsar in Shakespeares „Julius Cesar“: „But Brutus is an honorable man“.

Köppels Wortschöpfung

Dieser Tage hat in der Schweiz ein neues schönes Beispiel von politischem Newspeak Furore gemacht. Es ist die Wortschöpfung von „Weltwoche“-Chefredaktor Roger Köppel, der – explizit im Zusammenhang mit der Debatte um einen neuen NZZ-Chefredaktor – von der Wünschbarkeit einer gemeinsamen politischen Linie zwischen der SVP und einem „Freisinn blocherscher Prägung“  schwärmte. 

Ein „Freisinn blocherscher Prägung“  aber hätte in Wirklichkeit eine ähnliche Bedeutung wie das Diktum von Mark Anton über Brutus als „honorable man“ – nämlich das Gegenteil, dessen, was formuliert wird.  Ein solcher Freisinn wäre kein Freisinn mehr, wie Felix Müller in der „NZZ am Sonntag“  prägnant  argumentiert hat.  Er würde seine eigene Identität verlieren und zum Anhängsel von Blochers nationalkonservativer Partei werden, die die EU als Feindbild pflegt und isolationistische Instinkte gegen liberale Weltoffenheit schürt. Bleibt zu hoffen, dass möglichst viele echte Liberale den Köppelschen Newspeak-Trick durchschauen.

 

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