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Kommentar 21

Neid und Gerechtigkeit

25. August 2014
Reinhard Meier
Reinhard Meier
Neid ist ein Übel. Aber mindestens so übel ist es, berechtigte Forderungen als Neid zu diskreditieren.

Kennen Sie jemand, der Roger Federer die Millionen neidet, die er mit seinen phänomenalen Leistungen als Tennisspieler verdient?  Wenn ja, dann handelt es sich um einen klaren Fall von Neid im Sinne von Missgunst. Neid zählt die katholische Kirche seit dem Mittelalter zu den sieben Hauptsünden.  Auch andere grosse Religionen verurteilen den missgünstigen Neid als destruktive Eigenschaft. Neid gegen einen Ausnahmekönner wie Roger Federer ist moralisch nicht zu rechtfertigen.  Er trägt  ja auch das volle Risiko. Spielt er schlecht, verdient er weniger und muss allein den Schaden tragen.

Hat die Abzockerdebatte um Brady Dougan und anderer Boni-Multimillionäre aus den Chefetagen gewisser Aktiengesellschafen mit Neid zu tun? Kritiker behaupten das zwar, aber in diesem Fall ist der Neid-Vorwurf vor allem ein Kampfbegriff.  Damit versucht man Stimmen zu diskreditieren, die die märchenhaften Bezüge von Managern jener Publikumsfirmen für ungerechtfertigt halten, bei denen glaubhafte Leistungen für solche Millionengagen nicht zu erkennen sind. Oder will jemand im Ernst behaupten, die über 60 Prozent jener Schweizer Stimmbürger, die 2013 für die Anti-Abzocker-Initiative des Unternehmers Thomas Minder gestimmt haben, seien alle von Neid getrieben?

Bei Neid- und Gerechtigkeitsdebatten tut man gut daran, die Motive und die Glaubwürdigkeit der Argumente genauer unter die Lupe zu nehmen. Nicht jede Forderung nach mehr sozialer Gerechtigkeit ist frei von falschen Neid-Appellen. Und mancher Neid-Vorwurf ist oft nur ein billiger Trick, um berechtigte Auseinandersetzungen um unverdiente Privilegien und  Selbstbedienungs-Jackpots moralisch abzublocken.

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