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Debatte zu dritt

Untergräbt die Solidarität mit Israel die Glaubwürdigkeit westlicher Werte?

3. Dezember 2024
Debatte zu dritt

Über die Frage, ob der Westen und insbesondere Deutschland im Zuge des Krieges ihre Reputation im Nahen Osten und im globalen Süden verspielen, diskutiert Tim Guldimann mit der Auslandchefin des schweizerischen Radios Susanne Brunner und dem Orientalisten Reinhard Schulze.

Susanne Brunner, Auslandchefin des schweizerischen Radios, führt als Beispiel für den Verlust der Glaubwürdigkeit westlicher Werte die Reaktion einer Libanesin in der Folge der von Israel zur Explosion gebrachten Pager-Geräte auf. Dieser Angriff habe im Libanon «die ganze Zivilgesellschaft (… getroffen, als eine) Attacke, die dermassen unverhältnismässig ist, die alle trifft (…) Ich hatte nie dieses Gefühl gegenüber Europa, aber es ist fast, wie wenn ich Europa hasse. (…) Was seit 9/11 passiert ist: Irak zerstört, Syrien zerstört, Libanon zerstört, die palästinensische Frage zerstört, wohin will der Westen damit überhaupt noch gehen?» Diese Frau habe eigentlich ausgedrückt: «Menschenrechte, die Ihr propagiert, die gelten nur für Euch.»

Für den Islamwissenschaftler Reinhard Schulze gibt es «im Moment zwei Modelle, die im Nahen Osten diskutiert werden: Das ist die Schaffung eines Gegen-Westens, das russische-chinesische Paradigma. (…) Und auf der anderen Seite die Suche nach einer eigenen Rechtfertigung, an den Werten teilzunehmen, (…) die das moralische Gesamtgewissen repräsentieren, das zeigen möchte: Das, was jetzt geschieht an Gewalt, muss aus einer (…) globalen universellen Position heraus bewertet werden, die auch für den Westen Gültigkeit hat. (…) Dieses generelle Schema wird eingeklagt und eingefordert, um beispielsweise Argumente gegen Hamas (…) zu finden». Gleichzeitig werde aber Israel «jetzt tatsächlich als so etwas wie der Vorposten des europäischen westlichen Imperialismus» gesehen». 

Brunner: «Wenn man sich im Nahen Osten umhört, sagt man, eigentlich hat Deutschland sein Judenproblem nur ausgelagert, und die Palästinenser müssen das jetzt ausbaden. (…) Was ich aber jetzt denke, ist, dass so, wie man den Begriff Antisemitismus braucht, ist das auch propagandistisch. Darunter leiden auch Juden und Jüdinnen, die kritisch sind gegenüber einer Regierung. (…) Da ist eine Keule, die uns natürlich immer einschüchtert. Wer will jetzt schon antisemitisch sein? Und da braucht’s manchmal ein bisschen mehr Mut, um zu sagen: Das ist einfach Quatsch.»

Schulze argumentiert, «dass wir es mit einem globalen politischen Muster zu tun haben, das sich seit dem Ukrainekrieg sehr verstärkt hat und auch im Nahen Osten wirksam wird, genauso wie in Europa, genauso wie in den USA, und in diesem neuen Paradigma ist auch Israel gefangen (… nämlich), dass die Politik so etwas wie einen geschichtlichen Auftrag der Nation zu verwirklichen habe, so ein politischer Messianismus, der sich in der Politik bei Trump, bei Putin, aber jetzt auch bei Netanjahu (…) etabliert hat. (…) Und dieser Messianismus (…) ist gewaltförmig.(…) Das erleben wir im Augenblick stark in Israel, wo der Krieg fast grenzenlos wird, weil die zugrundeliegende Ideologie auch grenzenlos wird».

Wird der Nahostkonflikt immer noch als ein religiös konnotierter Konflikt zwischen dem Islam und dem Westen gesehen? – Brunner: «Wo die religiöse Dimension eine Rolle spielt, ist, dass die Evangelikalen in den USA das als einen religiösen Konflikt sehen, in dem sie auf den Messias warten. (…) Auch wenn ich mit Siedlern spreche, von denen viele (…) aus dem evangelikalen Kreis kommen und von evangelikalem Geld finanziert sind. (…) Und ähnlich: Was die Hamas gemacht hat, hat natürlich vor allem Netanjahus Koalitionspartnern aus dem extremen Lager eine Möglichkeit gegeben, (…) eine gott-gegebene einmalige Chance, etwas zu verändern im Nahen Osten.»

Schulze: «Wichtig ist, dass Religion zum Spielfeld einer nationalistischen Politik geworden ist. Religion ist keine eigene unabhängige religiöse Kategorie mehr. (…) Wir haben eine Neubewertung des Religiösen. (…) Religion ist – wie in Russland – ganz stark inszeniert, Machtträger des Staates (…) Träger der Ideologie des Staates. (…) Manche konservative religiöse Akteure stehen kopfschüttelnd vor dieser Usurpation des Religiösen durch die imperialen Mächte.»

Guldimann, Brunner, Schulze
Tim Guldimann, Susanne Brunner, Reinhard Schulze
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Journal21 publiziert diesen Beitrag in Zusammenarbeit mit dem Podcast-Projekt «Debatte zu dritt» von Tim Guldimann.

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