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Kommentar 21

Lust am Konfusen

5. Januar 2017
Ulrich Meister
Kompliziert war es immer. Wird es aber konfus, so wird es skandalös.

Früher, am Ende des 19. Jahrhunderts, musste man mit Jacob Burckhardt vor den „terribles simplificateurs“ Angst haben. Sie nahmen den heutigen Populismus voraus und bahnten den Totalitarismen den Weg. Heute kriechen wir moderneren „simplificateurs“ auf den Leim, respektive auf die Giga-Bytes, mit denen Weltanschauungen auf Twitter-Format reduziert werden. So wird alles kommunizierbar und kommentierbar, durch alle und für alle – umsichtig gesteuert von Algorithmen.

Das könnte unser Weltbild eigentlich vielschichtiger gestalten. Aber das Gegenteil ist der Fall. Der Realitätsverlust nimmt zu. Je konfuser, desto besser, heisst die Devise zum Jahreswechsel: Der verstorbene Castro ist der neue Heiland; Putin wäre lieb, wenn die Amerikaner nicht so böse wären (das wird sich mit Trump jetzt glücklicherweise ändern); ohne die USA (Bush) gäbe es den IS nicht. Und ferne Konflikte provozieren Terrorismus bei uns wegen der „Globalisierung“ von Gewalt und Gegengewalt. – Sind die Opfer schuld? Müssen „wir“ unsere gerechfertigte, aber ohnmächtige Entrüstung über die Greueltaten von Sadam Hussein, Kadhafi und jetzt Asad vergessen oder bereuen? Hofieren „wir“ Saudiarabien?

Solche moralisierenden Fragen stellen sich auch angesichts unserer westlichen Scheinheiligkeiten inbezug auf das Flüchtlingsproblem. Und erst recht bei unserer Unlust, für andere zu sterben. Wie sagte es der Professor für Geopolitik: „Da zählt nur der Erfolg!“ Auch der kurzfristige? Und wenn Hitler gewonnen hätte? Diese Frage wird eigentlich zu selten gestellt.

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