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Buchhandel

Leserbindung statt Preisbindung

14. Dezember 2010
Alex Bänninger
Bücher seien, sagte SVP-Nationalrat Oskar Freysinger in der Wintersession zur Begründung der Preisbindung, keine Raviolibüchsen. Wie wahr! Bücher sind auch keine Kleiderbügel oder Gummibärchen.

Diese Unterscheidung genügt aber ernsthaft nicht, um tief in die kartellistische Mottenkiste zu greifen und die Buchpreisbindung wieder einzuführen. Was nach Auffassung einer nationalrätlichen Mehrheit alles an den gebundenen Preisen hängen soll, ist phantastisch. Die Hoffnungen gelten dem Erhalt des Kulturgutes Buch, der Erhöhung der Lesekompetenz, der gesicherten Titelvielfalt und dem aufblühenden Buchhandel, ja schlechthin der Rettung unserer literarischen Kultur.

Kulturpolitisch am Ziel vorbei

So wichtig diese Ziele sind, so wenig schafft es die Buchpreisbindung, sie auch nur annähernd zu erreichen. Sie verhindert einzig und allein den Preiswettbewerb zwischen den Buchhandlungen. Um einen Vorteil darin zu erkennen, dass das gleiche Buch in der schlecht rentierenden, weil schlecht geführten Buchhandlung gleich viel kostet wie in der gut rentierenden, weil gut geführten, braucht es das Vertrauen in wirtschaftliche und kulturelle Wunder. Und die Annahme dazu, das Buch sei keine Ware, sondern ein ökonomisch unschuldiges Mysterium.

Mit der Bejahung der Preisbindung hat eine nationalrätliche Mehrheit kulturpolitisch nicht überzeugt. Eine vitale und starke Buchkultur ist weder für glaubensbasierte Beschwörungen noch für die Billigmassnahme der fixen Preise zu haben. Es kostet kräftig Fördergeld etwa zur Finanzierung von Werkjahren für Schriftstellerinnen und Schriftsteller, von Übersetzungen in die vier Landessprachen, von Präsenzaktionen im Ausland und von wissenschaftlichen Forschungsarbeiten. In diesen Belangen wäre das Parlament gefordert.

Den Wandel akzeptieren

Stattdessen hat es sich vor den Karren des Schweizerischen Buchhändler- und Verlegerverbandes spannen lassen, der mit geschicktem Marketing Stimmen fürs Kulturgut Buch sammelt, indessen knallhart die verpönte Strukturerhaltung meint. Eine Branche bangt ums Überleben und sucht verzweifelt Zuflucht in veralteten Schutzbestimmungen.

Das ist fatal. Denn die Antwort auf die Frage, wie die Preiskonkurrenz zwischen den Buchhandlungen unterbunden werden kann, ist keine Antwort auf die existenzielle Frage, wie die herkömmliche Buchwelt die Chancen der Digitalisierung nutzt und ihre Gefahren meistert.

Geschüttelte Medienbranchen begegnen der Zukunftsangst regelmässig mit Preiskartellen, mit sinkender Qualität oder gleich mit einer Kombination beider untauglicher Massnahmen. Doch das Rad der Zeit läuft nicht rückwärts. Das Pergament wurde vom Papier verdrängt, die klösterliche Schreibstube vom Buchdruck und dieser vom Digitalsatz. Das Video löste den Film ab und die Elektronik die Fotografie. Das Theater wehrte sich vergeblich gegen das Kino – und dieses mit dem Radio erfolglos gegen das Fernsehen.

Selbsttäuschung einer Branche

Das nächste Kapitel ist längst vorbereitet: wie die traditionellen Zeitungen, Radio- und Fernsehsender verschwinden, haben auch die traditionellen Buchhandlungen ihre Zukunft hinter sich. Die Buchpreisbindung hat nicht einmal die Bedeutung eines Strohhalms. Sie ist gerade noch eine Metapher für die Selbsttäuschung einer Branche.

Im Übrigen wollen wir uns daran erinnern, dass es die Literatur vor den Buchhandlungen gab. Sie wird den neue Formen der Buchverbreitung trotzen. Das ist nicht das Problem. Die kulturpolitische Bewährung besteht darin, zum literarischen Schaffen zu ermuntern und die Bindung der Leserinnen und Leser zu fördern. Dafür genügt die Zementierung des jetzigen Buchhandel-Systems nicht, im Gegenteil. Nötig sind zwischen Autorenschaft und Leserschaft moderne Vermittler, die mit dem Wandel der Technik und der Lesegewohnheiten unternehmerisch umzugehen wissen. Der Wert des Kulturgutes Buch hängt nicht davon ab, ob es über den Ladentisch gekauft wird oder übers Internet, ob es gedruckt oder auf einem elektronischen Träger angeboten wird.

Es würde sich dringend empfehlen, auch der parlamentarischen Seite, die Buchhändlerinnen und Buchhändler aus dem nostalgischen Traum zu reissen und ihnen klar zu machen, dass ihnen radikale Veränderungen so wenig erspart bleiben wie den Druckereien und Zeitungen, den Theatern und Kinos, den Museen und Galerien. Je schneller diese Einsicht reift, desto besser fürs Kulturgut Buch.

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