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Kommentar 21

Kreolischer Zweifel

4. August 2016
Ulrich Meister
Ja-Sagen vermeidet den Zwist - der kreolische Volksmund lässt offen, ob das positiv ist. Nein-Sager sind aber per definitionem auch nicht positiv. Eine unzeitgemässe Betrachtung...

"Dann wi, la poin batay", sagt man sich in La Réunion, der französischen Insel im Indischen Ozean. Wörtlich in die Sprache der einstigen Kolonialmacht übersetzt, heisst das: "Dans le Oui, il n'y a point de bataille". Auf Deutsch: "Mit einem Ja gibt es keinen Zwist". Das klingt, wie oft im Volksmund, zweideutig. Die Ja-Sager sind, spätestens seit Brecht, aus guten Gründen mehr als verpönt. Aber Ja-Sager und Ja-Sagen ist letztlich nicht das Gleiche.

Die Kreolen von La Réunion (das sind alle Bewohner, die in La Réunion geboren sind, egal ihrer ethnischen Herkunft), haben einen guten Grund in ihrem multirassischen Übersee-Département das Ja zum Anderen zu pflegen, zumal anderswo das Ideal einer multikulturellen Gesellschaft angeschlagen ist. Dieses Ja sichert keine Idylle (schon eher die französischen Subventionen), aber ist eine Lebensnotwendigkeit (so wie auch die französischen Subventionen) für die Kreolen, Mischlinge, Afrikaner (Nachkommen der Sklaven),  Franzosen, Inder, Madegassen, Chinesen etc.

Das Sprichwort ist daneben viel banaler und viel tiefer, dank kreolischer Satire und afrikanischer Weisheit. Es visiert den Mitmenschen, die Ehefrau, den Chef, den religiösen Chef, die Schwiegermutter, den Arbeitskollegen, den Saufkumpan, den Polizisten, den Beamten (die schwierigere Beamtin), die Lokalpolitiker - und vermutlich auch die Haifische, welche die Strände unsicher machen und die Touristen verschrecken. Ja-Sagen kann Bequemlichkeit sein, Feigheit, Toleranz, Überlegenheit. Die "batay" (bataille), also Kampf oder Schlacht, wäre somit die letzte Lösung, wenn ein Ja nicht mehr weiterhilft. Aber "batay" tönt kreolisch, Kampf dagegen teutonisch. Ja oder Nein sind aber letztlich nicht  philosophische Prinzipen, sondern (anfechtbares) Resultat eines Denkens von jedem. Das Internet, einmal mehr, hat das schon entdeckt: Drei Gründe für Jasager glücklicher und erfolgreicher zu sein.

Vielleicht ersetzen bereits die Ja-Sager (Kreolen ausdrücklich ausgenommen) mit ihren gefährlichen politischen Präferenzen für autoritäre Regimes die ebenso unmenschlichen, weil virtuellen und beidseitig naiven Gut- oder Wutmenschen, bevor der Psychojournalismus die neueste DNA-Variante der nächsten Menschen erfindet. Alle werden schrecklich sein.

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