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EURO-POLITIKER

Kompetenz-Krise

27. März 2013
René Zeyer
In einer Krise ist verantwortliches Handeln der politischen Entscheidungsträger gefordert. Nicht nur im Fall Zyperns ist das in Europa ein Trauerspiel.

Problem erkennen. Problem benennen. Problem lösen. Diesen einfachen Dreisatz lernt jeder, der einmal in die Lage geraten könnte, eine Entscheidung treffen zu müssen. Und sei es auch nur zur Frage, ob es wohl sinnvoll sei, beim Verlassen der Wohnung einen Regenschirm mitzunehmen. Geradezu erschreckend ist aber die Unfähigkeit aller Entscheidungsträger der EU, wenn sie sich im Grunde nicht komplizierteren Problemen gegenübersehen.

Problem erkennen

Als Zypern in die EU eintrat, als Zypern am 1. Januar 2008 den Euro einführte, hatte das dortige Bankensystem genau die gleiche Struktur wie heute. Niemand sah da ein Problem. Zyperns Banken wurden durch die Finanzkrise 1 genauso durchgeschüttelt wie viele andere Banken weltweit.

Kein Problem. Als Ergebnis des erzwungenen «freiwilligen» Schuldenschnitts für alle privaten Besitzer von griechischen Staatsschuldpapieren verloren Zyperns Banken Milliarden, der Staat wurde zum Hauptaktionär der beiden Geldhäuser Laiki und Bank of Cyprus. Kein Problem.

Problem benennen

Wenn der Staat nicht mal mit Steuersubstrat Löcher in Bankbilanzen stopfen kann, muss er dafür Kredite aufnehmen. Wenn das von einer Rezession begleitet ist, entsteht eine fiskalische Lücke. Der dadurch entstehende zusätzliche Schuldendienst kann nicht durch erhoffte zukünftige Vermehrung des Steuersubstrats dank brummender Wirtschaft geleistet werden.

Bereits im Juni 2012 benannte Zypern dieses Problem und bat um Hilfe. Es erfolgte keine Reaktion, die unendlichen Heerscharen der Eurokraten in Brüssel hatten andere Probleme. Griechenland, Spanien, Italien. Problem benannt. Keine Reaktion.

Problem lösen

Der zyprische Staat ist in absehbarer Zeit, wir sprechen bereits von Wochen, Tagen, nicht mehr in der Lage, seine Schulden zu bedienen und seine Staatsbanken mit Liquidität zu versorgen. Jetzt ist wirklich Feuer im Dach, die Flammen schlagen unübersehbar in den europäischen Himmel. Die Eurokraten schalten auf Krisenmodus und beginnen mit den üblichen Nachtsitzungen.

Weil vom Tagewerk schon übermüdete Entscheidungsträger unter enormem Zeitdruck bekanntlich die besten Lösungen finden. Besonders wichtig in einer Krise ist, eine Lösung zu präsentieren und auch an ihr festzuhalten. Nur das gibt Vertrauen und Handlungssicherheit. Nur so werden Probleme gelöst.

Das Desaster im Desaster

Sprechen wir nicht von den Inhalten der präsentierten Lösung, sprechen wir nur von der Form. In einer existenziellen Krise Zyperns wurden innerhalb von lediglich zehn Tagen mindestens gleich viele Entscheidungen verkündet, zurückgenommen und durch neue ersetzt. Nicht, weil neue Entwicklungen das nötig gemacht hätten, denn die Fakten liegen ja seit spätestens Juni 2012 auf dem Tisch.

Das ist kein wirtschaftliches Desaster, sondern ein Systemversagen der politischen Strukturen, ein persönliches Versagen der Entscheidungsträger. Der Politiker. Der Eurokraten.

Im Grossen wie im Kleinen

Sprechen wir nicht von Oligarchen oder den wenigen reichen Anlegern. Sondern von der zypriotischen Bevölkerung. Die kommt seit 12 Tagen nicht mehr an ihre Bankguthaben. Zuerst durfte sie maximal 260 Euro pro Tag abheben, dann 100. Am Dienstag sollten die Banken wieder öffnen. Dann nur kleinere Banken.

Nun sollen alle Banken am Donnerstag öffnen. Vielleicht. Wenn man nicht Ostern ausnützen will. Ohne dass bekannt ist, wie viel Geld abgehoben werden kann. Wenn man mutwillig einen Bank-Run provozieren will, muss man das genau so machen. Gleichzeitig wird bekannt, dass in englischen und russischen Filialen der beiden Grossbanken gewaltige Summen abgehoben und transferiert wurden. Wenn man das Vertrauen des normalen Anlegers völlig zerstören will, muss man das genau so machen.

Handwerk und Kunst

Wer auf rein handwerklicher Ebene ein Problem dermassen schlecht im Griff hat, zu spät, widersprüchlich, verantwortungslos und jegliches Vertrauen mutwillig verspielend handelt, kann man dem wirklich zutrauen, das Kunststück fertigzukriegen, Zyperns existenzielle Probleme zu lösen?

Man muss keine Zahlengebirge durchsteigen, man muss sich nicht in Diskussionen darüber einlassen, ob der verkündete «Rettungsplan» funktioniert oder nicht. Man braucht nicht mal finanztechnische oder wirtschaftliche Grundkenntnisse, um zur klaren Antwort zu kommen: sicher nicht.

Der Staatsbürger

Der Zypriot unterwirft sich seinem Staat und versteht sich als Staatsbürger. Solange er Vertrauen darauf hat, dass die seinen Staat lenkenden Regierenden die ihnen übertragene Macht, bei aller in Entscheidungen vorhandenen Fehlerquoten und Unzulänglichkeiten, verantwortungsvoll und zu seinem Besten ausüben. Von ihm Opfer verlangen, die sie mit einer klaren Perspektive, einem nachvollziehbaren Ausweg aus der Krise begründen können.

Man muss nicht Zypriot sein, um zum Schluss zu gelangen: Weder in Brüssel noch in Nikosia ist davon auch nur das Geringste zu erkennen.

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