
Donald Trumps wirres Auf und Ab in der Handelspolitik verunsichert viele westliche Staaten und Unternehmer. Trifft es jetzt uns? Zehn Prozent Zölle oder zwanzig Prozent oder mehr? Nun regt sich Widerstand.
Wieso kaufen wir Jack-Daniels-Whiskey oder Four Roses oder Jim Beam? In Europa wird wunderbarer Whiskey hergestellt, in Schottland und England. Haben Sie schon irischen Whiskey getrunken? Delicous.
Wieso konsumieren wir kalifornischen Wein aus dem Napa Valley – ausgerechnet in Europa, wo in Frankreich, Italien, Spanien und Portugal die besten Weine kultiviert werden? Oder auch in Kanada. Haben Sie schon Tropfen aus dem kanadischen Okanagan Valley getrunken? Hervorragend. Niemand braucht kalifornischen Wein.
Und die fettigen, dick machenden Hamburger? Der aus British Columbia stammende kanadische Unternehmer Nick Brusatore sagt: «Selbst wenn Sie es nicht glauben, in Mexiko gibt es bessere Hamburger als in den USA, und sie haben einen besseren Nährstoffgehalt.»
Wieso amerikanische Sneakers?
Oder amerikanische Klamotten: Wieso Levi’s, Lee, Wrangler, Mustang, Diesel? In Europa gibt es Dutzende Jeans-Marken. Italienische, spanische und französische Designer stellen die amerikanischen Mode- und Kleiderproduzenten längst in den Schatten. Und die Sneakers? Wieso muss es immer Nike sein, wieso nicht Adidas, Puma oder On?
Europa und Asien haben eine renommierte Autoindustrie: Mercedes, BMW, VW, Renault, Citroën, Skoda, Fiat, Nissan, Toyota, Mazda, Honda, Hyundai – und all die anderen. Wieso kaufen wir amerikanische Autos, die sicher nicht besser sind als die europäischen oder asiatischen? Ok, einen Tesla fährt schon längst keiner mehr. Man will sich ja nicht schämen. (Absatzrückgang: 70 Prozent)
Auch der Boeing-Aktie droht jetzt der Absturz. Nicht verwunderlich: Welche europäische oder asiatische Fluggesellschaft kauft noch Flugzeuge dieser krisengeschüttelten Gesellschaft mit ihrer zweimal abgestürzten 737 MAX (346 Tote)? Europa hat mit dem Airbus-Konzern eine florierende Flugzeugindustrie. Fliegen geht auch ohne die USA.
Wieso immer der Grand Canyon?
Glück hatten die Amerikaner, dass die Schweiz ihre neuen (amerikanischen) Kampfflugzeuge, die F-35A, vor dem zweiten Amtsantritt von Trump gekauft hat. Würde sich heute in Bern eine Mehrheit dafür finden? Im Volk wohl schon gar nicht. Auch in Europa werden Kampfflugzeuge gebaut.
Dann der Tourismus? San Francisco verrottet, Los Angeles ist abgebrannt, New York wird immer schmutziger, und Washington war schon immer langweilig. Wieso immer der Grand Canyon? Und wenn es schon Amerika sein soll, wieso nicht die Tempel der Azteken, Maya oder Tolteken in Südmexiko oder Guatemala? Oder die Inka-Stätten in Peru? Oder die Iguazú-Wasserfälle an der argentinisch-brasilianischen Grenze? Oder das herrliche Vancouver Island mit der Hauptstadt Victoria? Die Welt ist so gross und schön. Es geht auch ohne die USA.
Trumps Drohungen gegen die nördlichen und südlichen Nachbarn zeigen erste Wirkungen. In mexikanischen Posts heisst es: «Nunca más yankees», «Yankees no more». Mexikos Präsidentin Claudia Sheinbaum bietet Trump gekonnt die Stirn.
«Schlimmer als Zölle»
Auch der neue starke Mann in Kanada, der ehemalige Zentralbankchef Mark Carney, zeigt Trump die Krallen. Nach den Provokationen des amerikanichen Präsidenten sind Kanadier und Kanadierinnen zusammengerückt. Viele haben beschlossen, keine US-Produkte mehr zu kaufen. «Kauft keine Ware aus den USA» heisst es in einem kanadischen Boykott-Aufruf. US-Whiskey zum Beispiel wird schon aus den kanadischen Regalen genommen. Die Folgen davon sind für die USA schlimmer, als Trump es ahnte. Lawson Whiting, der Chef des Jack-Daniel’s-Whiskey, ist fast schon in Panik ausgebrochen. Die kanadischen Gegenmassnahmen seien «unverhältnismässig», klagt er, sie seien «schlimmer als Zölle».
Auch aus dem kalifornischen Napa Valley kommen erste Klagen.
In Montreal demonstrieren Kanadier und Kanadierinnen gegen Amazon.
Ontario droht, Strom abzuschalten
Schon länger war gemunkelt worden, dass Kanada der Metropole New York den Strom abstellen könnte. Dazu kommt es wohl nicht. Doch jetzt verlangt die kanadische Provinz Ontario für den Stromexport eine erhebliche Zusatzgebühr. «Wir führen einen 25-prozentigen Aufschlag auf Stromexporte für die 1,5 Millionen amerikanischen Haushalte in den US-Bundesstaaten Minnesota, Michigan und New York ein», sagte der Premierminister von Ontario Doug Ford. Und wenn es im Handelsstreit eine Eskalation gibt, werde er nicht zögern, «den Strom komplett abzuschalten».
Auch im Internet formiert sich Widerstand gegen die rabiate Politik der USA. Der Subreddit «r/BuyFromEU» beschreibt sich simpel als «eine Gemeinschaft, die sich der Unterstützung europäischer Waren und Dienstleistungen widmet». Innert weniger Tage zog die Plattform 150'000 Mitglieder an und empfiehlt Alternativen zu US-Produkten.
Wenn viele, die unter dem erratischen Trump leiden, amerikanische Produkte verschmähten und nicht mehr in die USA in die Ferien gingen – dann würde die amerikanische Wirtschaft erheblich Schaden nehmen: Denn «It’s the economy, stupid». Würde das Trump zum Umdenken zwingen?
Illusionen sind fehl am Platz. Die Boykott-Aufrufe haben vor allem symbolischen Charakter. Die Weltwirtschaft ist heute derart verflochten, dass Boykott-Aufrufe nicht allzu viel bringen. Auf vielen Gebieten ist Europa auf die USA angewiesen. Und alle wissen: Ein Handelskrieg schadet allen.
Traurig ist es allemal, dass wir wieder über Mauern, Zölle, Boykotte und Retorsionsmassnahmen diskutieren. Trump hat uns um Jahrzehnte zurückgeworfen.