«IKRK warnt vor humanitärer Katastrophe». In das Erschrecken ob den so überschriebenen Meldungen mischt sich immer auch ein Befremden über den Ausdruck. Die Katastrophe liegt ja im Fehlen, in der Negation des «Humanitären», also jenes Einsatzes zugunsten von Rechten, Schutz und Unterstützung unterdrückter, verfolgter und notleidender Menschen. Der Ausdruck «humanitäre Katastrophe» ist gewissermassen in sich verdreht, etwa so, wie wenn eine Hungersnot als Ernährungskatastrophe bezeichnet würde. Doch das Sprachverstehen ist wendig, und man decodiert auch derart verkehrt konstruierte Chiffren intuitiv.
Werden Katastrophen als «humanitär» bezeichnet, so befremdet weniger die verdrehte Logik, sondern vor allem ein bürokratischer Beigeschmack. Dieser rührt daher, dass Hungersnöte, Gewaltexzesse, Dürren, Überflutungen, Flüchtlingsströme hinter einer kühlen Floskel versteckt sind, die keine Bilder und kein Mitgefühl hervorruft.
Was weniger offensichtlich ist: Auch der zweite Teil der Begriffskonstruktion ist verrutscht. «Katastrophe» (vom Griechischen für «Wendung» nach unten, zum Schlimmen, zur Zerstörung) steht üblicherweise für verhängnisvolle, unbeeinflussbar verkettete Grossereignisse. Selbst wenn menschliches Tun als Ursache mit im Spiel ist, hebt das Wort die Schicksalhaftigkeit der Auswirkungen hervor.
Mit Katastrophen im eigentlichen Sinn sind zerstörerische Naturereignisse oder unbeherrschbare, quasi naturgesetzlich ins Gewaltige gesteigerte Folgewirkungen von Handlungen gemeint. Jedenfalls enthält der Begriff das Ungewollte und Unvorhergesehene. Verwendet man das Wort «Katastrophe» nun aber summarisch auch für die Auswirkungen von Gewalt, Terror, Unterdrückung und Verhetzung, so läuft dies darauf hinaus, dass die Taten der Verursacher verschleiert werden mit der Vorstellung eines naturhaften Geschehens oder eines undurchschaubaren Schicksals.