Der frühere US-Aussenminister Henry Kissinger feiert heute Samstag seinen hundertsten Geburtstag. Als 15-Jähriger floh er mit seiner jüdischen Familie 1938 von seiner Heimatstadt Fürth in Bayern vor dem Hitler-Regime nach Amerika. Sechs Jahre später kehrte er als Soldat nach Deutschland zurück. Von 1969 bis 1977 war er Sicherheitsberater und Aussenminister unter den Präsidenten Nixon und Ford. In mehreren Interviews zeigt er sich dieser Tage präsent und hellwach.
In einem langen Gespräch mit der deutschen Wochenzeitung «Die Zeit» erklärt er, dass er gegenwärtig an einem neuen Buch über künstliche Intelligenz (KI) arbeitet. Aus dem Gespräch erfährt man, dass vier Feiern zu seinem runden Geburtstag geplant sind – eine mit der Familie in seinem Landhaus in Connecticut, eine in New York und London und eine Würdigung in seiner Heimatstadt Fürth. Tipps für das Geheimnis seiner erstaunlichen geistigen und relativen körperlichen Fitness gibt Kissinger nicht.
Neben verschiedenen andern Themen äussert sich der frühere Aussenminister, Historiker und Autor zahlreicher Bücher auch zum Ukraine-Krieg. Angesichts der Rücksichtslosigkeit von Putins Krieg befürworte er heute den Widerstand der Ukraine und deren Unterstützung durch den Westen. Er sei nach einem Ende des Krieges auch dafür, dass die Ukraine in die Nato aufgenommen werde. Früher habe er die Ansicht vertreten, die Ukraine sollte eine Brücke oder neutrale Zone zwischen Russland und dem Westen bilden. Dennoch sei er nicht der Meinung, dass alle Schuld für diesen Krieg bei Putin liege, meint der frühere Aussenminister, ohne diese Aussage näher zu erläutern.
Zur Möglichkeit eines Wahlsieges von Donald Trump bei den US-Präsidentschaftswahlen 2024 äussert sich Kissinger zurückhaltend. Er glaube aber nicht, dass es Trump gelingen würde, Amerikas bisherige Rolle bei der Verteidigung von Europas Sicherheit grundlegend zu verändern.
Zur Frage, ob es ihn störe, dass er von Kritikern gelegentlich als Kriegsverbrecher beschuldigt werde, zum Beispiel im Zusammenhang mit der Bombardierung des nominell neutralen Kambodschas während des Vietnam-Krieges, sagt Kissinger, natürlich ärgere ihn das. Kissingers Antwort: «Nennen Sie mir einen Guerillakrieg, in dem geduldet wurde, dass die Guerilla Stützpunkte unmittelbar hinter den Grenzen eines Nachbarlandes errichtet!»