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Libyen

Ghadhafi kämpft weiter

22. Februar 2011
Arnold Hottinger
Ghaddafi hat in seiner Rede vom Dienstag Nachmittag, der ersten, die er seit dem Beginn der Volkserhebung in Libyen hielt, deutlich gemacht, dass er nicht zu fliehen und nicht zurückzutreten gedenkt. Er sagte, er sei bereit, als »ein Märtyrer zu sterben«. Doch offensichtlich gedenkt er, bevor dies geschieht, alle militärische Macht, über die er noch verfügt, gegen seine Bevölkerung einzusetzen.

Die Demonstranten sprach er als Kakerlaken, Ratten und Söldner an, dann wieder als Verräter und Feiglinge. Die Rede machte deutlich, dass er sich nicht mehr in der Welt der Realitäten bewegt. Er befindet sich in der Welt seiner Illusionen und Träume. Die Volkserhebung will er auch als Bewegung missgeleiteter Kinder sehen, die von »IHNEN« (gemeint sind wohl die Imperialisten des Westens) mit Alkohol und Drogen abgefüllt worden seien.

Dies mit dem Ziel »Libyen zu erniedrigen«, indem es »als ein Ort des Chaos« erscheine. Er forderte die Eltern auf, ihre Kinder von der Strasse wegzuholen, sie würden sonst drogensüchtig und berauscht in die Hölle fahren.

Er rief alle, »die Ghaddafi lieben«, auf, in Erscheinung zu treten und ihn zu verteidigen, ohne die »Banden« zu fürchten. Von sich selbst sagte er, er habe Libyen Ruhm gebracht und bleibe der »Held der Revolution«. Er scheint die Grenze erreicht zu haben, an der er selbst nicht mehr zwischen seiner eigenen Propaganda und der Realität unterscheiden kann.

Ghadhafi kämpft auch gegen Teile seiner Armee

Ghaddafi behauptete seltsamerweise, er habe der Armee keinen Befehl gegeben, mit Gewalt einzugreifen, obwohl die Zahl der Todesopfer wahrscheinlich auf gegen 500 gestiegen ist, jene der Vermissten auf über 1000 und jene der Verwundeten gegen 10 000. Er fügte die Drohung hinzu, wenn die Lage schlimmer werde, würde seine Seite Gewalt einsetzen, entsprechend dem »internationalen Recht und der libyschen Verfassung«.

Ghaddafi bleibt sehr gefährlich, solange er über Waffen und Soldaten verfügt, mit denen er auf sein eigenes Volk einschlagen kann. Es scheint, dass er an zwei Fronten zu kämpfen hat, einerseits gegen die demonstrierende Bevölkerung, andrerseits gegen Teile seiner Armee, die sich von ihm losgesagt haben und gegen andere Einheiten kämpfen, die noch zu ihm halten. Dass Teile der Armee gegeneinander kämpfen, wird indirekt durch die Aussagen seines Sohnes Saif ul-Islam bestätigt, der erklärt hat, die libyschen Kampfflugzeuge hätten in Tripolis nicht die Demonstranten angegriffen sondern Munitionsdepots im Besitz von Militäreinheiten, die zu den Rebellen übergelaufen seien. In Wirklichkeit scheinen Häuser in den Volksvierteln von Tripolis bombardiert worden zu sein.

Wie lange bleiben die loyalen Truppen loyal?

Der Tag des Dienstags verlief ruhig in Tripolis, mit einer dichten Polizeipräsenz, wie es heisst, doch für die Nacht werden neue Angriffe und Schiessereien befürchtet. Die Grenze zwischen Ägypten und der Cyrenaika ist offen. Auf der libyschen Seite wird sie von bewaffneten Zivilisten des Volkswiderstandes bewacht, und ein erster Fernsehjournalist von al-Jazeera hat sie überschritten. In der Gegenrichtung strömen grosse Mengen von ägyptischen Gastarbeitern in ihre Heimat zurück. Es gibt in Libyen 1,5 Millionen von ihnen. Alle anderen Staaten suchen auch Wege, um ihre Angehörigen aus dem Land zu bringen. Ein Bürgerkrieg steht bevor. Doch niemand weiss, über wieviele loyale Truppen Ghaddafi noch verfügt und wie lange sie ihm loyal bleiben.

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