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Nahost

„Friedensabkommen, die keinen Krieg beenden“

16. September 2020
Peter Philipp
Als „historisches Ereignis“ feierten Präsident Trump und der israelische Ministerpräsident Netanjahu im Weissen Haus die Unterzeichnung von Abkommen zwischen Israel und den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) sowie Bahrain.

Trump bezeichnete die Abkommen als „Friedensschluss“ und zeigte sich überzeugt, dass den beiden Golfstaaten bald weitere arabische Staaten („fünf oder sechs“) folgen werden. Konkret konnte oder wollte er allerdings nicht werden.

Mahnung an Netanjahu auf dem Flug in die USA

An greifbaren Angaben hatte es seit Bekanntwerden der Annäherung zwischen Israel und den Emiraten – sowie kurz darauf auch Bahrain – eigentlich durchweg gefehlt. Selbst die Bezeichnung „Frieden“ wurde von Beobachtern bald in Frage gestellt: „Friedensvertrag, der keinen Krieg beendet“ tituliert etwa die israelische Tageszeitung „Haaretz“ und man spricht stattdessen immer öfter von „Normalisierung der gegenseitigen Beziehungen“. Ausserdem soll zumindest Netanjahu beim Flug nach Washington noch keinen endgültigen Vertragstext in der Tasche gehabt haben.

Der israelische Premier liess sich auf dem Flug von seiner Frau und den beiden Söhnen begleiten, wichtige Minister seiner Regierung aber blieben daheim. Grund genug für den Generalstaatsanwalt, Netanjahu noch auf dem Weg in die USA zu kontaktieren und ihn auf einen Fehler aufmerksam zu machen: Nicht der Ministerpräsident, sondern der Aussenminister sei für die Unterzeichnung solcher internationaler Abkommen zuständig. Dieser könne dem Premier zwar eine Vollmacht erteilen, dies sei hier aber nicht geschehen.

Aussenminister Ashkenazi gab die Vollmacht und ersparte Netanjahu einigen Ärger. Über die Abkommen muss nun im Kabinett, möglicherweise auch im Parlament abgestimmt werden.

Trumps eigentliche Interessen

Mit welchem Ausgang ist offen, denn bisher waren beide von Netanjahu nicht eingebunden worden. Ein Beweis mehr dafür, dass „Bibi“ (wie Netanjahu in Israel genannt wird) die Abkommen zum eigenen Nutzen verwenden will: In einer Zeit, wo seine Corona-Politik tagtäglich öffentlicher Kritik ausgesetzt ist und ein Korruptionsprozess – obwohl noch nicht offiziell im Gang – den Premier über die Massen beschäftigt, versucht Netanjahu sich als unverzichtbarer Politiker zu profilieren, dem allein nun auch die Förderung eines Nahost-Friedens zugeschrieben werden soll.

In diesem Verhalten ist Netanjahu voll mit Trump verwandt, bei dem auch noch das Punkten für die Novemberwahl hinzukommt. Seit zwei Jahren spricht dieser von seinen Plänen für Frieden in Nahost und das soll nun der erste konkrete Schritt gewesen sein. Dabei ist doch mehr als durchschaubar, wo die wahren Motive Trumps liegen: Er versucht, die Ölstaaten der Arabischen Halbinsel zu einer starken Front gegenüber dem Iran weiter auszubauen, und Beziehungen dieser Staaten mit Israel würden dabei kaum schaden. Zumal einige von ihnen ohnehin seit Jahrzehnten hinter den Kulissen inoffizielle Kontakte mit Israel unterhalten.

Trump erschliesst sich hiermit auch neue Möglichkeiten für Waffengeschäfte. Wie jetzt im Fall der Emirate. Hatte Washington bisher immer darauf geachtet, in Nahost nur Israel mit den modernsten Waffen zu beliefern, werden die Emirate jetzt auch die neuesten F-35 Kampfbomber kaufen können – sofern der Kongress das akzeptiert.

Annexionspläne vorerst auf Eis

Was aber mit der Frage eines Nahostfriedens? Hierbei ging es bislang ja nicht um den Persischen Golf oder den Iran, sondern den Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern. Seit langem bereits unterstützen die meisten Staaten der Arabischen Halbinsel die international geltende „Zweistaatenlösung“, wie sie im Oslo-Abkommen von 1993 auch zumindest angedacht worden war. Israel aber hintertrieb nicht zuletzt mit seiner Siedlungs- und Annexionspolitik wesentliche Ansätze dazu und es drohte in letzter Zeit die endgültige Zerstörung dieses Konzepts eines Staates Palästina neben Israel, weil Netanjahu rund 30 Prozent des Westjordanlandes annektieren wollte.

Saudi-Arabien hatte sich bereits im Jahr 2002 für ein Entgegenkommen gegenüber Israel eingesetzt: Auf saudisches Betreiben hin nahm die Arabische Liga auf einem Treffen in Beirut den Vorschlag an, man werde Israel anerkennen und Frieden mit ihm schliessen, wenn dieses auf die Grenzen von 1967 (vor dem Sechstagekrieg) zurückkehre und ein palästinensischer Staat entstehe. Weder damals noch bei einer erneuten Resolution dieser Art einige Jahre später reagierte Israel darauf.

Die Emirate forderten diesmal, Israel solle auf die geplante Annexion in Westjordanland verzichten, Netanjahu war aber nur bereit zu erklären, der Plan liege „vorerst“ auf Eis. Und das Abkommen kam zustande. Die Emirate gehen weiterhin davon aus, die Annexion verhindert zu haben, verschiedene Sprecher von Netanjahus Likud-Partei aber bestehen darauf, dass ein palästinensischer Staat für sie nicht in Frage komme, weil laut der Bibel das ganze Gebiet Israel „gehöre“.

Statt Frieden und Freundschaft ist also neuer Streit vorprogrammiert. Ähnlich wie nach dem Oslo-Abkommen: Auch da hatten einige Golfanrainer, unter anderem Oman, halboffizielle Beziehungen zu Israel aufgenommen. Als Israel dann aber an seiner Siedlungs- und Annexionspolitik festhielt, wurden diese Beziehungen wieder aufgehoben. Oder zu Geheimkontakten umfunktioniert.

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