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Elend in Gaza

Folgenlose Ermahnungen an Israel

23. Juli 2025
Erich Gysling
Erich Gysling
Gaza
Gaza-City, 23. Juli 2025: Ein Vater trägt den verhüllten Leichnam seines Kindes ins Al-Shifa-Krankenhaus. Nach Angaben des palästinensischen Gesundheitsministeriums in Gaza wurden bei israelischen Luftangriffen in der vergangenen Nacht und am frühen Morgen mehr als 36 Palästinenser getötet, darunter zehn Mitglieder der Familie Mushtaha. (Keystone/EPA, Mohammed Saber)

Internationale Kritik wegen der von Israel herbeigeführten humanitären Katastrophe prallt an der Netanjahu-Regierung ab. Rechtsextreme Regierungsmitglieder und die Sprecherin der Siedler fordern sogar ungehemmt die Vertreibung der Palästinenser aus Gaza.

Nicht weniger als 115 humanitäre Organisationen warnen vor einer «Massenhungersnot» im Gazastreifen und fordern ein Ende des Kriegs. Einen Tag zuvor hatten 28 Länder (auch die Schweiz war da ausnahmsweise mit dabei) mit ähnlichen Worten ein Ende des Blutvergiessens und der von Israel bewusst herbeigeführten Not im Küstenstreifen mit seinen ca. 2,2 Millionen Menschen verlangt. 

Die deutlichsten Worte fand der belgische König Philippe («Schande für die Menschheit»), die undeutlichsten kamen aus Deutschland, dessen Regierung den Appell an die Adresse der Regierung Israels nicht mitunterzeichnet hatte. Man dürfe die Regierung von Benjamin Netanjahu nicht vollständig isolieren, äusserte Kanzler Merz, und betonte, er und sein Aussenminister Wadephul hätten mit dem israelischen Premier telefoniert und ihn gedrängt, zu helfen, die Notlage in Gaza zu beenden. Man darf davon ausgehen, dass sowohl Merz wie auch Wadephul im Rahmen dieser Gespräche einmal mehr die prinzipielle Solidarität Deutschlands mit Israel betont haben – schliesslich beruht die deutsche Israel-Politik ja auf der Grundlage, dass die Sicherheit Israels Teil der «Staatsdoktrin» Deutschlands sei.

Waffen für Israel aus USA und Deutschland

Diese (von Angela Merkel erstmals so formulierte) Doktrin stösst in der Öffentlichkeit Deutschlands allerdings auf wachsende Kritik. Man leiste einem Freund keinen Dienst, wenn man ihn nicht davor warne, dass er sich auf einem Irrweg befinde, lautete sinngemäss ein Kommentar in der Süddeutschen Zeitung. Ob solche Kommentare in Massenmedien allerdings bei den Entscheidungsträgern in Berlin gehört werden, ist fraglich. Weder Kanzler Merz noch Aussenminister Wadephul haben bisher auch nur das leiseste Anzeichen einer Bereitschaft gezeigt, ihren (wie auch immer formulierten) Ermahnungen an Netanjahu auch Taten folgen zu lassen. Deutschland ist und bleibt, nach den USA, der wichtigste Waffenlieferant für Israel, und daran wird sich, Kritik aus der Öffentlichkeit hin oder her, wohl in absehbarer Zeit nichts ändern.

Vorhersehbar ist auch dies: Solange das Ausland es bei mahnenden Worten belässt und den Worten keine Taten folgen lässt, solange bleibt Benjamin Netanjahu seiner Vernichtungslinie im Gazastreifen treu und beharrt darauf, dass all die Bomben auf die Zivilbevölkerung, dass auch die katastrophale humanitäre Lage mit Hunger, Durst und eklatantem Mangel an medizinischer Versorgung normale Folgen des Hamas-Terrors vom 7. Oktober 2023 seien. Kurz: Für alles, für die über 59’000 Todesopfer und die Zerstörung der Städte des Gazastreifens, trage Hamas die Verantwortung. Und, so kann man die Erklärungen der israelischen Regierung weiterlesen, alles Elend würde beendet, gäbe Hamas die noch lebenden israelischen Geiseln frei (wahrscheinlich haben etwa zwanzig irgendwo in Tunnels überlebt) und würde kapitulieren.

«Säuberung» des Gazastreifens angestrebt

Wirklich? Premier Netanjahu selbst will es nicht offen erklären, aber verschiedene Mitglieder seiner Regierung äussern sich ohne Hemmungen: Der Gazastreifen soll von Palästinensern «gesäubert» und dann von Israel voll und ganz übernommen werden. Am Dienstag dieser Woche trafen sich in Jerusalem rechtsgerichtete Minister der Netanjahu-Regierung (u. a. Ben Gvir und Smotrich) mit Vertretern und Vertreterinnen der Siedler, also der Nachala-Bewegung mit deren Sprecherin, Daniella Weiss. «Das arabische Gaza-Kapitel ist vorbei», sagte sie, und schwärmte von einem nur von Israeli bewohnten und bewirtschafteten Gazastreifen. Ein anderes Mitglied von Nachala, Lital Slonim, stellte dann einen detaillierten Plan für die Küstenregion (er nannte den Gazastreifen «eine der schönsten Regionen des Staates Israel») vor: 300’000 Häuser sollen für jüdische Siedler gebaut werden, mit dem Ziel, das Zentrum der Region, getreu der vor Monaten von US-Präsident Trump entworfenen Vision, in eine «Riviera des Nahen Ostens» zu verwandeln.

Nur: Was soll mit den Palästinensern geschehen? Daniella Weiss äusserte sich dazu vage. Sie werden verschwinden, sagte sie. Wie? Sie könnten ja freiwillig ausreisen, lautete die Antwort, ohne einen Hinweis, wohin.

Alle ausländischen Regierungen, auch alle humanitären Organisationen, sind sich darin einig: Das, was die israelische Rechte (in stillschweigendem Einverständnis mit der Regierung von Premier Netanjahu) fordert, hat mit «Freiwilligkeit» nichts zu schaffen, sondern würde zu einer Zwangsvertreibung von 2,2 Millionen Menschen führen. Mit anderen Worten: zu einer schwerwiegenden Verletzung des internationalen Rechts, zu einem Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

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