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Schweizer Grossbanken und das Eigenkapital

Flüchten oder standhalten?

15. März 2011
Journal21
Heraufsetzung des Eigenkapitals: Das ist eine der wenigen angedachten staatlichen Massnahmen, mit der eine schnelle Wiederholung der Finanzkrise verhindert werden soll. Die Schweiz möchte im internationalen Vergleich noch ein paar Prozentpunkte drauflegen. UBS und Credit Suisse reagieren mit unterschiedlichen Drohungen.

Wenn eine Bank mit einem Eigenkapital von 30 Milliarden Finanzräder von über 1000 Milliarden dreht, können die schnell entgleisen. Diese banale Erkenntnis aus der letzten Finanzkrise hat zur Forderung geführt, dass weltweit verschärfte Eigenkapitalvorschriften gelten sollen. Im Gespräch sind cirka 7 Prozent nach Basel III, so die Abkürzung des Vorschlags der Regulierungskommission der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ).

Eine vom Bundesrat eingesetzte Expertenkommission hat unter Teilnahme der Schweizer Banken ein «Swiss Finish» von alles in allem 18 Prozent vorgeschlagen, dies unter dem Eindruck der weltweit grössten staatlichen Einzelrettungsaktion, wenn man die 68 Milliarden Franken für die UBS ins Verhältnis zum Schweizer BIP setzt.

Leere Drohungen

Die beiden Schweizer Grossbanken reagieren unterschiedlich auf diese Forderung. UBS-CEO Oswald Grübel denkt in einem Interview mit «Bilanz» laut über eine Flucht aus der Schweiz nach: "Es würde dann eine Holding Company im Ausland geben, die mit den einzelnen Gesellschaften Outsourcing-Verträge abschliesst." CS-CEO Brady Dougan setzt dagegen auf "Cocos" zur Stärkung des Eigenkapitals, ebenfalls eine Drohung.

Der finanztechnische Laie versteht nur noch Bahnhof, was auch durchaus beabsichtigt ist. Ein kurzer Crashkurs in Bankertalk, vor dem nächsten Crash. Coco steht für «Contingent Convertible Bond», das sind Anleihen, die zwangsweise in Aktien umgewandelt werden, wenn der Aktienkurs einer Bank unter eine vorher von ihr definierte Schwelle fällt. Deshalb können diese Wettscheine dem Eigenkapital zugerechnet werden. Da aber bei sinkenden Preisen bekanntlich mehr Angebot zu stärker fallenden Preisen führt, bekamen diese Cocos bereits in den 1990er-Jahren bei ihrem ersten Einsatz in Japan den hübschen Übernamen "Todesspirale-Anleihen". Für eine Umwandlung der UBS in eine Holding und die Verlegung des Hauptsitzes ins Ausland wären dermassen viele aktionärsrechtliche Hürden zu überwinden, dass man diese Drohung von Grübel höchstens als netten Versuch bezeichnen kann.

Was ist Eigenkapital?

Die Wurzel des Problems lässt sich aber mit einer scheinbar einfachen Frage freilegen: Was ist eigentlich risikogewichtetes Eigenkapital? Sprechen wir hier von Tier 1, Core Tier 1, welche Rolle spielt Hybridkapital? Vergessen wir diesen Dschungel und konzentrieren wir uns auf den dabei entscheidenden Begriff: Risikogewichtung. Das bedeutet, dass eine Bank 100 Franken geliehenes Geld niemals mit 100 Franken Eigenkapital unterlegen, sondern je nach Risikoklasse des Investments nur einen Bruchteil davon als Sicherheit in den Büchern haben muss. Früher waren das im Schnitt 8 Prozent, die wurden dann mit hanebüchenen neuen Regeln vor der Finanzkrise auf unter 3 Prozent gedrückt. Die Risikoklassen selbst werden im wesentlichen von den Rating-Agenturen definiert, aber das wäre ein anderes Thema.

Hier ist entscheidend, dass diese Risikogewichtung von den Banken selbst ausgerechnet werden darf. Schlicht und einfach deshalb, weil das dermassen kompliziert ist, dass die staatlichen Regulierungsbehörden damit überfordert wären. Das ist etwa so, wie wenn der Betreiber eines AKW selber das Risiko eines GAU bestimmen dürfte.

Alles nur Scheingefechte

Die völlige Hilflosigkeit internationaler Regulierungsbehörden gegenüber global vagabundierenden Finanzinstituten zeigt sich auch bei einem juristischen Problem. Da Banken bekanntlich nicht zur Realwirtschaft gehören, also keine Produktionsstätten, Maschinenparks oder andere Hardware verschieben müssen, können sie relativ frei ihre Postadresse für staatliche oder steuerliche Zuschriften dorthin verlegen, wo lokale Behörden am schwächsten, sanftesten und inkompetentesten sind. Das nennt man schliesslich Standortwettbewerb.

Darüber hinaus handelt es sich bei allen Bedenkenträgereien von Banken bezüglich neuen Kernkapitalvorschriften sowieso nur um Kriegstänze um ein noch nicht mal angezündetes Feuer. Denn alle diese neuen Regulierungen sollen, wenn überhaupt, erst 2018 in Kraft gesetzt werden. Wetten, dass uns vorher bereits die nächste Finanzkrise ereilt?

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