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Rückschau auf Hamburg

Fliessende Grenzen zum Terror

10. Juli 2017
Urs Meier
Die Anti-G20-Proteste in Hamburg zeigten nicht nur eine, wie es hiess, neue Dimension von Gewalt. Es gibt da ein grundsätzlicheres Problem. – Ein Kommentar.

Nach der Gewaltexplosion in Hamburg schlug die Stunde der Besserwisser: Die Stadtregierung war blauäugig, die Polizei hatte eine untaugliche Strategie und die bunt Demonstrierenden liessen sich vom Schwarzen Block übertölpeln.

Zweifellos ist vieles schiefgegangen, wenn in einer von 20‘000 Polizisten geschützten Stadt nach drei Tagen ganze Strassenzüge in Trümmern liegen. Mit Gewissheit wurde das Gewaltpotenzial der aus halb Europa zusammengezogenen Radikalen unterschätzt. Der gefürchtete Schwarze Block war jedoch nur ein relativ kleiner Teil jener „Autonomen“, die ihre Aktionen unter den sprechenden Slogan „Welcome to Hell“ gestellt hatten. Das linksextreme Aktionsbündnis hatte aus seiner gewaltaffinen Mentalität nie ein Geheimnis gemacht. Es pflegte eine gezielt zweideutige Kommunikation und fuhr mit der Devise „No G20“ eine frontale Kollisionsstrategie.

Mit seiner aggressiven antikapitalistischen Rhetorik und dem irrealen Ziel einer Verhinderung des G20-Gipfels holte das Aktionsbündnis der „Autonomen“ eine breite Phalanx von Protestierenden ins Boot. Für viele von ihnen war der Schritt von der Bereitschaft, gewisse Verbote zu übertreten (etwa mit Sitzblockaden in gesperrten Zonen), zur Tolerierung oder Applaudierung aktiver Gewalt (wie Barrikaden anzünden oder Steine gegen Polizisten werfen) offenkundig nicht allzu gross.

Die „Autonomen“ haben es damit geschafft, die Abgrenzung ihres Bündnisses nach zwei Seiten hin durchlässig zu machen: Auf der einen Seite banden sie die kriminellen Gewaltspezialisten des Schwarzen Blocks in ihre Strategie ein, ohne für deren Taten geradestehen zu müssen. Und am anderen Ende des Protestspektrums schafften sie es, Teilen der vielfältigen nicht-gewalttätigen Veranstaltungen in Tonalität und Gestus einen irreal-extremistischen Dreh zu geben. Abgrenzungen gegen die Gewalt blieben oft lau oder fielen ganz aus.

Zurückgeblieben sind Hunderte von Verletzten (wie durch ein Wunder gab es keine Toten), Tausende von Traumatisierten und Verbitterten sowie grosse Schäden. Auf Dauer gesehen schlimmer könnte sich jedoch die durch die „Autonomen“ strategisch geplante Schleifung der Abgrenzungen zwischen demokratisch legitimen Demonstrationen und extrem gewalttätiger Randale auswirken.

Wenn es nicht gelingt, die von „Autonomen“ betriebene Unterminierung solcher Grenzen zu kontern, wird sich hier eine gegenüber dem Terror fliessende Grenze etablieren. In Hamburg zeigte sich diese Gefahr, als Aktivisten die Polizei in einen Hinterhalt zu locken und mit Brandsätzen anzugreifen versuchten. Das war eine geplante Terroraktion, die zufällig rechtzeitig entdeckt wurde.

Ist die kühne Hoffnung erlaubt, die Hamburger Vorfälle würden Anlass zur Besinnung geben? Sicher nicht bei den „Autonomen“, wie deren von Selbstgerechtigkeit triefende Presseerklärung nach geschlagener Schlacht beweist. Nicht zu reden vom harten Kern des Schwarzen Blocks! Ob die missbrauchten Gutmeinenden sich ihre Abgrenzung gegen Extremisten künftig genauer überlegen werden, ist auch nicht sicher. Schuld ist ja schliesslich die Polizei. Oder die Politik. Oder das Kapital.

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