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Unesco Welterbe

Escorial

15. Januar 2013
Georg Gerster
Copyright: Georg Gerster/Keystone
Copyright: Georg Gerster/Keystone
Escorial - des Königs kolossale Klause

Das monumentale Klosterschloss Philipps II. unweit Madrids, angeblich der grösste Renaissancebau, ist ein Exvoto – ein Weihe- und Sühnegeschenk. Mit vollem Namen heisst es San Lorenzo de El Escorial. Der König hattte 1557 gelobt, dem hl. Laurentius eine Kirche mit Kloster zu errichten. Seine Artillerie hatte bei der Belagerung der Stadt St-Quentin die dortige Kirche des Märtyrers in Brand geschossen. So eine Erklärung für das Gelübde; nach einer andern hatte er die Stadt am Laurentiustag ein- und den Franzosen abgenommen. Wie auch immer: der Grundplan des Bauwerks, ein 208 x 162 m grosses Geviert, von Höfen und Einbauten gitterartig unterteilt, war als Bild des (nach oben gewendeten) Grills gedacht, auf dem die Verfolger den römischen Bekenner (spanischer Abkunft) gebraten hatten. Ein Paradebeispiel semiotischer Architektur also. Wenn man die Zeichenhaftigkeit des Baus strapazieren will: das Gutachten zuhanden des Welterbekomitees 1984 deutete die Vorbauten an der Ostseite als Nachbildung des Handgriffs am Märtyrergrill, obwohl diese dem originalen Bauplan fehlen. 1500 Arbeiter vollendeten den Escorial in Rekordzeit; schon  nach 21 Jahren, im Jahr 1584, setzten sie den Schlussstein. Der Silberstrom aus der Neuen Welt rettete die Staatskasse vor dem Bankrott. Heute leiern die Reiseführer die Kennziffern dieses enormen Baus herunter: 16 Höfe, 15 Kreuzgänge; 1111 Fenter, die sich nach aussen öffnen, und 1562 Fenster, die auf die Höfe schauen; 1200 Türen und Tore, 86 Treppen, 89 Springbrunnen...Die Korridore summieren sich zu einer Länge von 160 km. Über Kloster und Palast ragt die Kathedrale des hl. Laurentius empor. Philipp erfüllte damit ausser seinem Gelübde auch den Wunsch seines Vaters, Kaiser Karls V., nach einer würdigen Grabeskirche. In der Gruft des Escorial fanden fast alle spanischen Könige seit Karl V. die letzte Ruhe. Der König beteiligte sich aktiv an den Bauarbeiten. Dekoriert wurden lediglich Innenräume wie Kirche, Thronsaal, Bibliothek. Überall sonst würgte Philipps mönchischer Eifer jeden Anflug und Anlauf zu Dekoration ab. Der Bau aus grauem Granit wirkt düster, grimmig und abweisend, mehr Gefängnis und Festung als Kloster und Palast – Kargheit ganz im Sinne des Bauherrn. Die frappante Übereinstimmung zwischen Bau und Bauherrn war zumindest für die evangelischen Christen seiner Zeit keine Frage. Der König, Förderer der Gegenreformation und Schirmherr der Inquisition, erschien ihnen als bigottes Monster – und seine Klosterresidenz als monströs. Von einem schlichten Arbeitszimmer aus lenkte der Einsiedler, der sich mit Arbeitswut die Mitmenschen vom Leibe hielt, mit Zetteln und Memoranden das sprichwörtliche Weltreich, in dem die Sonne nicht unterging. Heutigen Biographen kommt bisweilen Philipp wie ein Wirtschaftskapitän vor und der Escorial als Machtzentrale einer Weltfirma mit dem Logo „NON SUFFICIT ORBIS“ (der Erdkreis genügt nicht) – die Losung in Philipps Wappen. Wenn dem so ist, dann war in dieser Firma (im Selbstverständnis des Königs) der „workaholic“ im Escorial nur der Juniorpartner; der Seniorpartner war Gott. – Jahr der Aufnahme: 1990 (Copyright Georg Gerster/Keystone)

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