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Finanzanalysten

Eine Zunft schafft sich selbst ab

3. August 2011
René Zeyer
Das Experiment ist nicht neu: Affen, die mit Pfeilen auf Farbkreise werfen, haben eine höhere Trefferquote als Analysten beim Vorhersagen der Zukunft. Noch nie war das so offenkundig wie heute.

Erinnern wir uns noch? Bis gestern war die einhellige Meinung der meisten Finanzanalysten, Research-Teams, «Black-Belt»-Träger, CFA-Mitglieder (das steht für Chartered Financial Analyst): Wenn die USA einen Kompromiss im Staatsschuldenstreit hinkriegen, dann entspannt sich die Lage. In Wirklichkeit gehen die Börsen auf Talfahrt, besonders Banken werden gerupft, UBS und Credit Suisse verloren bis zu 7 Prozent, der Franken steigt, Dollar und Euro fallen. Gigabyte von Prognosemüll der letzten Tage und Wochen kann mal wieder entsorgt werden. Outlooks, Marktanalysen, auf mathematischen High-Tech-Modellen basierende Vorhersagen: ab in den Abfall.

Warum ist das so?

Aus zwei banalen Gründen: Die Zukunft ist nicht vorhersehbar. Ende der Durchsage. Und zweitens: Während selbst Wetterprognosen physikalisch berechenbare zukünftige Entwicklungen widerspiegeln, beruhen die meisten Analystenmodelle auf einer banalen Fortschreibung der jüngsten Entwicklung in die Zukunft. Das ist etwa so genial, wie wenn man wegen der Tatsache, dass gestern die Sonne schien, die Zukunftsprognose wagen würde, dass sie das heute auch tut. Und dann «enttäuscht», «überrascht» oder gar «verblüfft» wäre, wenn sie das unterlässt.

Banale Dualität

Auf den Schuldenkompromiss übersetzt heisst das, dass der gesammelte Sachverstand von Zehntausenden von hochbezahlten Analysten von zwei Prämissen ausging. Kommen die USA nicht zu einer Lösung und tritt die teilweise Zahlungsunfähigkeit ein, dann ist das furchtbar schlimm und bringt den ganzen Finanzmarkt durcheinander. Gibt es aber am Schluss ein Zusammenraufen, dann ist das weniger schlimm und daher gut. Im ersten Fall pechschwarze Wolken am Horizont, im zweiten rosarote Schönwetterstimmung. Dass für einen solchen Schwachsinn weltweit Hunderte von Millionen ausgegeben werden, ist eigentlich unfassbar.

Das wirkliche Problem

Weil sich die meisten Analysten ständig in ihren Tools, Computerprogrammen und völlig unnützen Charts verlaufen, kommen sie nicht auf eine Analyse, die eigentlich jeder finanztechnische Laie anstellen könnte. Das Problem der USA ist nicht, ob und wie viele neue Schulden sie aufnehmen können. Das Problem ist, dass die Wirtschaft der USA seit der letzten Finanzkrise nicht in Fahrt kommt. Das Problem ist, dass auch mit neuen Staatsschulden die Abwanderung der Industrie in Richtung Asien nicht gestoppt oder aufgehalten werden kann. Das Problem ist, dass die USA rund 40 Prozent aller Unternehmensgewinne im Finanzbereich machen, also im Wesentlichen mit Luftnummern und Umverpacken und Zocken an der Wall Street. Das Problem ist, dass die USA nicht nur ihre Infrastruktur verlottern lassen, sondern industriell immer deutlicher auf dem Niveau eines Schwellenlandes angekommen sind. Mit Luft nach unten.

Und die Finanzmärkte?

Auch sie zeigen wieder einmal, dass sie von purer Irrationalität, die sich jedem Analysemodell entzieht, regiert werden. Bis kurz vor der herbeigequälten Einigung bewegten sie sich kaum, obwohl die Analysten immer tiefere Sorgenfalten bekamen. Und als dann Obama als der grosse Verlierer, aber mit einem Kompromiss in der Hand auftreten konnte, begannen die Börsen einen Sturzflug. War leider mal wieder in keinem Analysten-Modell vorhersehbar. Da wäre wenigstens eine sinnvolle Sparmassnahme: allesamt rauswerfen. Die Analysten würden eine Lücke hinterlassen, die sie restlos ersetzt.

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