
Das gut zweistündige Telefongespräch, das US-Präsident Trump am Montag mit dem Kreml-Chef Putin über den Ukraine-Krieg führte, hat die Möglichkeit eines umgehenden Waffenstillstandes nicht vorangebracht. Putin insistiert auf seinen Diktat-Bedingungen. Ist Trump bereit, die Ukraine abzuschreiben?
Noch in der vergangenen Woche hatte Trump während der neu angelaufenen Gespräche zwischen russischen und ukrainischen Delegationen in Istanbul vollmundig verkündet, dass bei diesen Treffen wohl nichts herauskommen werde, bevor er und Putin sich persönlich zur Ukraine-Frage einschalteten. Nun haben die beiden Staatschefs am Montag bereits zum dritten Mal über dieses Thema telefoniert – und der von Trump, der Ukraine und den westlichen Bündnispartnern angestrebte 30-tägige bedingungslose Waffenstillstand ist so wenig in Sicht wie das Ziel einer langfristigen Friedensregelung.
Putins Nein zu einer umgehenden Waffenruhe
Man fragt sich, worüber Trump und Putin denn über zwei Stunden lang in angeblich «exzellentem Ton und Geist» geredet haben, ohne dass anschliessend handfeste Fortschritte zur Beendigung des «Blutbades», das laut Trump unbedingt aufhören soll, zu verkünden waren. Dass beide sich vertraulich mit «Donald» und «Wladimir» anredeten, wie in Moskau mitgeteilt wurde, ist erstens keine Neuigkeit und gibt dem Gespräch noch keine erkennbare Substanz.
Beide Seiten betonen zwar, man habe sich darauf verständigt, dass die ukrainisch-russischen Verhandlungen unverzüglich fortgesetzt werden sollen. Doch damit ergibt sich noch keine neue Friedensperspektive, denn diese Gespräche haben ja in Istanbul bereits begonnen und sind ausser einer neuen Vereinbarung über den Austausch von Kriegsgefangenen sofort festgefahren, weil die russischen Vertreter es ablehnten, in eine wenigstens temporäre Waffenruhe einzuwilligen, bevor nicht eine Regelung über die Beseitigung der von Moskau definierten «ursprünglichen Ursachen» des Krieges zustande komme.
Die Tatsache, dass nach Trumps und Putins neuestem Gespräch von einem sofortigen Waffenstillstand nicht mehr die Rede war, stellt zumindest zwei Dinge klar: Der Kremlchef lehnt erstens dieses von Kiew und vom Westen angestrebte Nahziel weiterhin hartnäckig ab. Und Trump verzichtet zweitens darauf, diese Ablehnung – wie früher einmal angedroht – umgehend mit verschärften Sanktionsmassnahmen und verstärkten Waffenlieferungen für die Ukraine zu beantworten.
Um dieses schroffe Nein zu einem sofortigen Waffenstillstand etwas zu verschleiern, ist in Putins Verlautbarung zum jüngsten Telefongespräch mit Trump von einem «Memorandum» die Rede, über das man mit der Ukraine das Vorgehen zu einem «möglichen künftigen Friedensvertrag» verhandeln wolle. Ob und wie ein solches Memorandum je zustande kommen wird, steht vorläufig in den Sternen. Denn Putin betonte in seiner Kommentierung am Montag einmal mehr, das wichtigste Anliegen Russlands sei die «Beseitigung der ursprünglichen Ursachen» für diesen Krieg. Was sich hinter dieser Moskauer Formel verbirgt, wird zwar nicht immer bis ins Detail definiert, und es bleibt unklar, ob Putin und Trump bei ihrem jüngsten Telefongespräch darüber näher geredet haben.
Der Aggressor will seine Belohnung
Doch im Kern gibt es über Putins imperiale Kernforderungen, die er demagogisch als «ursprüngliche Kriegsursachen» verdreht, keine Zweifel: keine Nato-Mitgliedschaft und damit keine Sicherheitsgarantien seitens des westlichen Verteidigungsbündnisses für die Ukraine, formelle Abtretung von vier ukrainischen Provinzen, die die russische Armee erst teilweise besetzt hält, plus die Halbinsel Krim an den russischen Staat, einschneidende Reduzierung der ukrainischen Armee auf ein für Moskau genehmes Niveau.
Dass die Erfüllung all dieser Forderungen auf eine Belohnung für den Aggressor hinausläuft und diesem für spätere weitere Überfälle auf das Nachbarland Tür und Tor öffnen würde, versteht sich von selbst. Der ukrainische Präsident Selenskyj hat denn auch nach den Verlautbarungen zum jüngsten Telefongespräch Trump-Putin mit der Erklärung reagiert, für sein Land komme es nicht in Frage, dass es sich aus Territorien zurückziehe, die der Gegner noch nicht einmal vollständig erobert habe.
Trump als Steigbügelhalter?
Doch bei aller Enttäuschung über das in der Substanz magere und in Bezug auf einen sofortigen Waffenstillstand enttäuschende Ergebnis dieses Austausches zwischen Trump und Putin sollte man die Hoffnungen auf Fortschritte in Richtung Frieden vielleicht nicht vorschnell abschreiben. Zum einen ist immer noch denkbar, dass Trump sich den von den Europäern geplanten verstärkten Wirtschaftssanktionen gegen Moskau und intensivierten Waffenlieferungen an Kiew anschliesst. Dieser erhöhte Druck könnte eventuell auch Putin zu mehr Kompromissbereitschaft in Sachen Waffenstillstand bewegen.
Und zum anderen bleibt weiterhin die Möglichkeit offen, dass der Egomane Trump am Ende doch davor zurückschrecken wird, die Ukraine schmählich fallen zu lassen und damit in den Geschichtsbüchern als Steigbügelhalter des Imperialisten Putin verewigt zu werden.