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Zwischenruf

Die Schweiz lässt sich die Verletzung der Souveränität gefallen

2. Juni 2025
Beat Allenbach
KKS
Der Bundesrat, hier Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter im Berner Bundeshaus, steht in der Kritik. (Keystone/AnthonyAnex)

Der Bundesrat hat zwar festgestellt, dass vor allem China in der Schweiz illegale Tätigkeiten ausübt und unseren Rechtsstaat verletzt. Doch die Regierung duldet das – entgegen ihren eigenen Empfehlungen.

Ein Land, das eine erhebliche Bedrohung für die Souveränität der Schweiz darstellt, ist China. Chinesen, die mit ihren Behörden zusammenarbeiten, versuchen mit grosser Wahrscheinlichkeit in der Schweiz lebende Tibeterinnen und Tibeter, Uigurinnen und Uiguren dazu zu bringen, ihre Landsleute auszuspionieren. Zudem werden diese Minderheiten in der Schweiz überwacht, so dass sie sich hier nicht frei äussern und sich für die Rechte ihrer Minderheiten in der Heimat nicht einzusetzen können. Täten sie das, müssten sie Konsequenzen der chinesischen Behörden befürchten. Auch schweizerische Staatsbürger, die sich für die verfolgten Minderheiten einsetzen, sind von der illegalen Überwachung betroffen. 

Bundesrat missachtet seine Empfehlungen

Diese «transnationale Repression greift somit zum Teil gravierend in die schweizerische Rechtsordnung und die regelbasierte internationale Ordnung ein», heisst es u. a. im Bericht des Bundesrats zur Situation von tibetischen und uighurischen Personen in der Schweiz, der im Februar 2025 veröffentlicht wurde. Es gelte diesen illegalen Tätigkeiten chinesischer Personen entgegenzutreten. Als Massnahme heisst es im Bericht, die Schweiz solle China zu verstehen geben, dass sie solche transnationale Repression nicht toleriere. Damit eine solche Erklärung eine Wirkung hat, genügt eine diskrete Mitteilung nicht, da müsste der Botschafter vom Aussendepartemente einberufen und die Erklärung öffentlich gemacht werden.

Anlässlich des kürzlich erfolgten Besuches von Bundesrat Ignazio Cassis in China stand in keiner Mitteilung, dass der Bundesrat die Verletzung der schweizerischen Rechtsordnung durch China klar und deutlich angesprochen hätte. Cassis war offensichtlich sehr gut gelaunt bei seinem Besuch, wie der Tages-Anzeiger vermerkte. Nicht aus Freundschaft war der Bundesrat offenbar sehr diskret mit Bezug auf die klare Verletzung der schweizerischen Souveränität, sondern um den mächtigen Handelspartner nicht zu verärgern. Aus bürgerlichen Kreisen ist kaum Kritik am Verhalten Chinas in der Schweiz zu hören. Das erstaunt, denn in manchen Fällen sind bürgerliche Politiker sehr empfindlich gegenüber jeder tatsächlichen oder empfundenen Bedrohung unserer Souveränität.

Russland spioniert ungebremst

Im oben zitierten Bericht des Bundesrats wird erwähnt, gleiche illegale Aktivitäten würden auch von Russland, Iran und der Türkei verübt. Gegenüber diesen Ländern sind kaum schweizerische Reaktionen bekannt. Das wäre gerade gegenüber Russland nötig, das seit über drei Jahren einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die Ukraine führt. Gemäss dem 2024 veröffentlichten Buch «Die grossen Schweizer Spionagefälle» von Thomas Knellwolf hat Russland in der Schweiz mehr diplomatisches Personal mit nachrichtendienstlichen Absichten stationiert, als beim Nachrichtendienst des Bundes Personen für die Spionageabwehr zur Verfügung stehen. Wie kann die Schweiz gegenüber einem Land so nachsichtig sein, das unsere Souveränität verletzt und unsere Demokratie verachtet?

Leisetreterisch gegenüber der amerikanischen Regierung

Die führende Macht der westlichen Welt, die USA, ist unter Präsident Donald Trump daran, die demokratischen staatlichen Strukturen zu zerstören, den Rechtsstaat auszuhebeln und diesen durch die Macht des Stärkeren zu ersetzen. Das ist für die Schweiz besonders gefährlich, denn als kleines Land sind wir darauf angewiesen, dass internationale Verträge auch von den Grossmächten eingehalten werden. Mit liebedienerischem Verhalten versucht der Bundesrat das Beste für unser Land herauszuholen. So hat das Staatsekretariat für Wirtschaft betont, die Schweiz kenne im Vergleich zur Europäischen Union (EU) weniger einschränkende Regeln. Das ist nicht fair, nicht allein gegenüber unserem wichtigsten Handelspartner, sondern auch gegenüber der europäischen Staatengemeinschaft, die inzwischen fast als Einzige unsere rechtsstaatlichen Werte teilt. 

Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter hat ihr befremdliches Lob eines Teils der Rede von Vizepräsident Vance gerechtfertigt, obschon dieser in München die europäischen Staaten scharfen kritisiert hatte. Ihr in der Presse zitiertes Argument: Es sei nicht ihre Aufgabe, ein Urteil über die USA zu fällen. Doch müsste sie nicht wenigstens ihre Besorgnis äussern über die autokratische Entwicklung der Regierung Trump und deren Verachtung für die Meinungsfreiheit? Der Bundesrat hat bereits im April die längst geplante Regulierung von Kommunikationsplattformen (Google, Facebook, X und Youtube) auf später verschoben. Kann die Schweiz auf diese Weise Präsident Donald Trump gnädig stimmen? Oder wird die Willfährigkeit des Bundesrats den Präsidenten nicht ermuntern, unserem Land gegenüber hart fordernd aufzutreten?

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