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Ägypten

Die Reaktion meldet sich zurück

24. August 2013
Arnold Hottinger
Hosni Mubarak am Donnerstag bei der Entlassung aus der Haft. Er wird in ein Spital überführt und steht dort unter Hausarrest. (Bild: Keystone/AP)
Hosni Mubarak am Donnerstag bei der Entlassung aus der Haft. Er wird in ein Spital überführt und steht dort unter Hausarrest. (Bild: Keystone/AP)
Zweieinhalb Jahre nach dem Arabischen Frühling scheinen in Ägypten die alten, repressiven Mubarak-Zeiten wieder anzubrechen.

Die Angst vor der Repression, die während der Revolution vom 25. Januar 2011 überwunden war, ist offenbar wieder da. Die Bilder der letzten Wochen, die viele Erschossene und Gefangene zeigen, machen dies deutlich.

Die Gesetze und Einrichtungen, mit deren Hilfe Mubarak regierte, sind wiedereingeführt worden, allen voran der Notstand. Dieser erlaubt es, Bürger unter Terrorverdacht beliebig lang festzuhalten und sie vor Militärgerichte zu stellen. Auch die nach der Revolution aufgelöste Politische Geheimpolizei ist wieder da. Sie war für ihre Foltermethoden bekannt – und ist es weiterhin.

Verhaftungswelle

Es gibt darüber hinaus „Vigilantes“. Das sind Bürger - oder sind es vom Innenministerium bezahlte Berufsverbrecher? -, die mehr oder weniger gut bewaffnet sind. Sie erklären, sie wollten ihre Wohnquartiere vor den Terroristen schützen. Sie nehmen Personen fest, die sie verdächtigen, Mitglieder der Muslimbrüder zu sein.

Diese Aktionen der „Vigilantes“ erfolgen parallel zur offiziellen Verhaftungswelle gegen die Führer der Muslimbrüder. Diese offiziellen Verhaftungen werden vom Staat durchgeführt. Gerechtfertigt werden die Festnahmen mit Anklagen wie „Aufstachelung zum Ungehorsam“, „Unruhestiftung“ oder „Beleidung der Behörden und der Justiz“.

"Terroristenbekämpfung"

Offiziell wird nicht mehr von den Muslimbrüdern gesprochen, sondern nur noch von "den Terroristen", denen das Handwerk zu legen sei. Dadurch werden die Muslimbrüder und die verschiedenen bewaffneten Rebellen, die im Sinai in der Tat terroristische Anschläge durchführen, in den gleichen Topf geworfen. Die Rebellen im Sinai führen in erster Linie Aktionen gegen die Armee durch.

Die Armee-Angehörigen, die im Sinai getötet wurden, werden als heldische Opfer gefeiert und feierlich vom Staat begraben – ebenso jene Polizisten, die ums Leben kamen, als sie am 14. August versuchten, die Massendemonstrationen mit Gewalt aufzulösen. Die meisten dieser getöteten Polizisten wiesen Schusswunden auf; durch wessen Schüsse sie umkamen, ist unklar. Mit dieser Heldenverehrung wollen die Behörden demonstrieren, dass der „Kampf gegen den Terrorismus“ sowohl im Sinai wie auch in Kairo geführt wird.

Ein Sicherheitsregime, schlimmer als jenes von Mubarak

Viele Ägypter sympathisieren in der Tat mit dem neuen Regime. Es gibt Umfragen, die behaupten, es seien genau 67 Prozent. Die staatliche Presse und natürlich das Fernsehen arbeiten auf die Mühlen der Machthaber. Nicht nur der Armee sondern auch der Polizei, die in den Revolutionsjahren verhasst und verachtet war, wird nun der Hof gemacht.

Der Innenminister hat öffentlich gelobt, er werde ein Sicherheitsregime wieder einführen, das jenes von Mubarak weit übertreffen werde. Leute, denen dies nicht gefällt, sehen sich bereits wieder veranlasst, ihre Meinung hinter vorgehaltener Hand flüsternd zu äussern. Wer sich zu laut und zu öffentlich ausspricht, läuft Gefahr, als Terrorist oder als Befürworter des Terrorismus beschuldigt oder gar angeklagt zu werden.

Abgeriegelte Ministerien und Plätze

Die Muslimbrüder haben diesen Freitag, nach einem Unterbruch von einer Woche, erneut demonstriert. In Kairo brachen sie nach dem Mittagsgebet von 28 Moscheen zu Protestmärschen auf. Tausende nahmen daran teil. Dies trotz der Gerüchte, wonach auf den Dächern Scharfschützen positioniert seien, die den Auftrag hätten, auf die Demonstranten zu schiessen. Solche Gerüchte wurden angesichts der vielen Toten der letzten Tage von vielen ernst genommen.

Polizei und Armee waren gut vorbereitet. Sie schwärmten schon am Vormittag aus, bevor das Mittagsgebet begann. Plätze, auf denen die Demonstranten früher Protestlager errichteten, wurden abgesperrt. Ebenso riegelten die Sicherheitskräfte die Ministerien, den Präsidentenpalast und die Justizpaläste ab.

Auch der Tahrir-Platz wurde abgesperrt. Er ist das Zentrum der Pro-Armee Demonstrationen. Zusammenstösse sollten so vermieden werden. Die Sicherheitskräfte hatten offensichtlich den Auftrag, friedliche Märsche zu dulden, aber die Bildung von neuen Protestlagern zu verhindern.

Ein Parlament ohne Parteien?

Eine politische Episode könnte darauf hinweisen, welche Pläne die Armeeführung hat. Die Parteien der Nationalen Rettungsfront hatten sich am 30. Juni auf Seite der Armee gestellt. Die Rettungsfront gehört nach wie vor zu den bitteren Feinden der Muslimbrüder. An einer Medienkonferenz haben nun Vertreter der Rettungsfront gegen die Formulierung des neuen Verfassungsentwurfs protestiert. Dieser Entwurf sieht laut Informationen der Rettungsfront vor, ein Wahlsystem einzuführen, das keine Wahllisten von Parteien zulässt, sondern einzig die Kandidatur von Einzelpersonen. Die Politiker der Rettungsfront betonen zu Recht, dies stehe im Widerspruch zu den Bestimmungen, wonach eine Mehrheitspartei den Ministerpräsidenten wählt.

Ein Parlament, das auf Grund individueller Kandidaturen gewählt würde, dürfte zu einer Versammlung führen, in der lauter einflussreiche Personen sitzen, entweder, weil sie viel Geld haben oder weil sie auf Grund ihres Landbesitzes oder anderer sozial dominierender Positionen Einfluss auf eine bedeutende Masse von Wählern ausüben können.

Oder vielleicht auch einfach solche, die sich viele Stimmen mit Geld zu erkaufen vermögen.

Ein Schein-Parlament

Wenn dann die "Mehrheitspartei" den Ministerpräsidenten bestimmen soll, würden sich dann wahrscheinlich verschieden Gruppen der als „Unabhängige“ Gewählten, zu parteiähnlichen Gruppierungen zusammenschliessen. So würden sie versuchen, eine Regierung zu bilden, die ihren Wünschen entspricht.

Ein solches Gebilde hätte eine fragwürdige Repräsentativität. Es würde sehr stark jenen Parlamenten gleichen, die unter Mubarak bestanden und die ganz im Solde der Machthaber als Ja-Sager gebärdeten. Es wird interessant sein zu beobachten, ob der Protest der ihnen zuneigenden Parteien, die Offiziere bewegen wird, ihre Verfassungsvorstellungen zu modifizieren. Oder werden sie darauf bestehen, ihre Vorstellungen durchzusetzen?

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