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Geldanlage

Der Sparer ist der Dumme

13. März 2012
René Zeyer
Wer spart, ist angeschmiert, wer Geld verleiht, verliert. Die Agonie des Euro hat Auswirkungen, die das Verhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner auf den Kopf stellen. Einblicke in eine Welt, in der alles verkehrt läuft.

Gehen wir einmal davon aus, dass der deutsche Staat als einziger grosser Schuldner Europas mit bester AAA-Bonität in 10 Jahren noch mitsamt dem Euro existiert. Eine schlechte Nachricht für sicherheitsbewusste und konservative Anleger.

Wer Geld sicher anlegen will, sucht sich einen Schuldner mit der besten Bewertung AAA, vertrauenserweckender Grösse und Überlebensperspektive. Da bietet sich die Bundesrepublik Deutschland geradezu auf dem Silbertablett an. Allerdings haben deren Bundesanleihen einen klitzekleinen Nachteil: Der Gläubiger macht Verlust, indem er Geld verleiht, Risiko nimmt. Das ist wohl nicht ganz im Sinne des Erfinders.

Die Inflation ist «erhöht»

Deutschland überschreitet schon seit immerhin 14 Monaten das Inflationsziel der Europäischen Zentralbank (EZB) von unter 2 Prozent. Gleichzeitig werfen 5-jährige deutsche Obligationen einen Zins von mickrigen 0,8 Prozent ab. Mit der aktuellen Inflation von 2,3 Prozent in Deutschland verliert der Geldgeber also 1,5 Prozent. Nicht besser sieht es bei 10-jährigen Bonds aus, die zahlen auch nur 1,8 Prozent Zinsen. Im Schnitt und unter Ansetzung einer bloss 2-prozentigen Inflationsrate sind also in 10 Jahren 17 Prozent der Kaufkraft des geliehenen Geldes weg, bei 3 Prozent Inflation sogar ein glattes Viertel. Das ist absurd, aber es geht natürlich noch schlimmer, denn wir sprechen hier von der Eurozone.

In früheren Zeiten, und selbst bei Inflationsraten von 6 Prozent wie Anfang der 90er-Jahre, warfen deutsche Staatspapiere 8 Prozent ab, also konnte der Investor mit einer damals bombensicheren Anlage unter dem Strich immer einen Nettogewinn einstreichen. Absolut einmalig und atypisch ist hingegen, dass mit einer vermeintlich sicheren Geldanlage über geraume Zeit Verlust gemacht wird. Da erhebt sich natürlich die Frage, wer denn so töricht ist, Geld damit zu verlieren, dass er sich dem Risiko aussetzt, Geld zu verleihen. Dafür gibt es nur zwei Erklärungen.

Zwang und Hoffnung

Zum einen sind ja viele institutionelle Anleger wie Pensionskassen und Versicherungen gesetzlich dazu gezwungen, einen erheblichen Teil ihrer Anlagen nur bei AAA-Schuldern zu parken. Und umzuschichten, sobald ein Schuldner diese Bonitätsstufe verliert. Italien als Europas grösster Bondmarkt ist inzwischen auf bedenklichen BBB+ angelangt, Frankreich auf AA+ heruntergestuft.

Also freut sich der deutsche Staat über einen entsprechenden Zufluss, was natürlich die Preise nach oben treibt. Mit anderen Worten: Alles Gejammer über die angeblich verantwortungslose Herabstufungspolitik von US-Rating-Agenturen ist, zumindest im Fall von deutschen Politikern, reine Heuchelei. Denn sie selbst verlangen ja von grossen Pensionskassen, viel Geld nur in AAA-Papiere zu stecken und Herabstufungen sofort mit dem Abzug von Kapital zu bestrafen. Und dann gibt es natürlich noch das Prinzip Hoffnung, dass die Inflation doch mal runtergehen könnte.

Wunderbarer Widerspruch

Zu den vielen angeblich gesicherten Erkenntnissen der sogenannten Finanzwissenschaft gehört, dass die Herstellung von mehr Geld bei gleichbleibendem Angebot von Waren und Dienstleistungen zu Inflation führt. Lassen wir einmal Umlaufgeschwindigkeit, verschiedene Geldmengen und andere komplizierende Einflüsse beiseite. Fakt ist, dass alleine zwischen Dezember 2011 bis Februar 2012 eine ganze Billion Euro (1'000'000'000'000) neu ins Finanzsystem gepumpt wurde. Das entspricht rund 10 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung der gesamten Eurozone.

Sollte dieses Geld in der sogenannten Realwirtschaft ankommen, wäre eine rauschende Inflation die Folge. So gesehen können wir den Banken eigentlich dankbar sein, dass sie dieses Neugeld kaum an die Wirtschaft verleihen, sondern sich mit zwei Klicks Geld bei EZB für 1 Prozent leihen und damit Staatsanleihen von Euroländern kaufen, die 3 und mehr Prozent abwerfen. Todsichere Sache, sollte da etwas schief gehen, müssen halt die Banken mal wieder gerettet werden. Business as usual.

Verkehrte Welt

Gläubiger verlieren Geld mit Geldverleihen. Die EZB stellt Geld wie blöd her, und es gibt keine galoppierende Inflation. Eine Notenbank kauft Staatsschuldpapiere auf, was so ist, wie wenn sich eine Schlange in den Schwanz beisst und auffrisst. Griechenland ist gleichzeitig pleite und irgendwie nicht. Portugal, Spanien, Italien und Frankreich können die Zinszahlungen für ihre Schulden mittelfristig nicht leisten, weil ihre Wirtschaft schrumpft, nicht oder nur ungenügend wächst.

Die abgegebenen Sozialversprechen in Form von staatlichen Renten und Sozialleistungen haben sich schon längst von jeder realistischen Perspektive, dass sie eingelöst werden könnten, verabschiedet. Der Schuldner macht dank Inflation Gewinn, indem er sich Geld leiht. Banken machen völlig risikolos mit zwei Tastenklicks Profit. Trotz Geldschwemme haben viele Betriebe der Realwirtschaft Probleme, Investitionskredite zu erhalten. Also alles verkehrt, alles nicht nur in Unordnung, sondern falsch. Da erhebt sich die Frage, wie lange es noch richtiges Leben im falschen geben kann.

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