Direkt zum Inhalt
  • Politik
  • Kultur
  • Wirtschaft
  • Gesellschaft
  • Medien
  • Über uns
close
Sprach-Akrobatik

Demütigung

14. Oktober 2016
Stephan Wehowsky
Eine Niederlage ist keine Demütigung.

Manche Journalisten sind immer auf der Suche nach starken Worten und mit Vorliebe schreiben sie ab. Entsprechend geistert seit geraumer Zeit das Wort „Demütigung“ herum. Es wird benutzt, wenn jemand ein Tennismatch hoch verliert, wenn eine Fussballmannschaft eine herbe Niederlage erleidet oder ein Formel-1-Rennfahrer hoffnungslos abgehängt oder gleich ganz aus dem Parcours gedrängt wird. Das Wort „Demütigung“ soll signalisieren, dass der Abstand zwischen Sieger und Besiegtem über die Massen gross ist.

Weil das Wort „Demütigung“ gerade in Mode ist, fällt gewissen Journalisten nicht ein, eine herbe Niederlage als „Schlappe“ oder „Blamage“ zu bezeichnen. Worin läge der grosse Unterschied? Das Wort „Demütigung“ bezeichnet einen Vorgang, in dem Menschen ihrer Würde beraubt werden. Sie werden bewusst erniedrigt. Die Mittel dazu sind ebenso grenzenlos wie die menschliche Niedertracht. Demütigung ist eine Methode, um andere Menschen so zu entwerten, dass der Mord an ihnen als eine logische Folge erscheint – sie sind ja keine Menschen mehr. Nicht nur die Entwürdigung der Juden und ihre massenhafte Ermordung liefern dafür Anschauungsmaterial, das man nicht ohne tiefe Scham zur Kenntnis nehmen kann.

Das Mittel der Demütigung wird auch dazu benutzt, um Menschen gefügig zu machen. Mitgliedern sogenannter Eliteeinheiten des Militärs wird während der Ausbildung ganz bewusst das Selbstwertgefühl ausgetrieben. Erst wenn jemand sein Ich verloren hat, tut er skrupellos das, was ihm befohlen wird – und vielleicht noch einiges darüber hinaus.

Ist dieser Hinweis auf die Untauglichkeit des Wortes Demütigung zur Qualifizierung von krassen Niederlagen und Blamagen im Sport mehr als blosse Wortklauberei? Diejenigen, die das Wort Demütigung gern gebrauchen, werden das meinen: „Das dürfen Sie nicht so eng sehen.“ Aber sie zeigen damit nur, dass sie nicht wissen, was sie sagen. Denn sie belasten die vermeintlich demütigenden Sieger schwer: Wenn jemand mit seinem Sieg den Besiegten demütigt, dann ist der Rahmen des Spiels gesprengt. Wie hoch darf ein Sieg ausfallen, so dass er noch keine Demütigung des Besiegten darstellt? Wann muss zum Beispiel ein Tennisspieler aufhören, Punkte zu machen? Will ein Top-Rennfahrer seine Konkurrenten besiegen oder demütigen? Wenn er letzteres wirklich wollte, hätte er keinerlei Sportsgeist.

Letzte Artikel

Musk demaskiert. Das Internet als Herrschaftsinstrument

Ali Sadrzadeh 5. Dezember 2025

Wie weiter mit dem Klimaschutz?

Jörg Hofstetter 5. Dezember 2025

Der Papst und der Patriarch von Istanbul in Nizäa – Nur der Kaiser fehlte

Erwin Koller 4. Dezember 2025

EU berechenbarer als USA

Martin Gollmer 4. Dezember 2025

Dröhnendes Schweigen um Venezuela

Erich Gysling 1. Dezember 2025

Spiegel der Gesellschaft im Wandel

Werner Seitz 1. Dezember 2025

Newsletter abonnieren

Abonnieren Sie den kostenlosen Newsletter!

Abonnieren Sie den kostenlosen Newsletter!

Zurück zur Startseite
Journal 21 Logo

Journal 21
Journalistischer Mehrwert

  • Kontakt
  • Datenschutz
  • Impressum
  • Newsletter
To top

© Journal21, 2021. Alle Rechte vorbehalten. Erstellt mit PRIMER - powered by Drupal.