
Der Gewerkschaftsboss als Kuckucksei, die Milliardäre aus Zug im Anti-EU-Nest. «Koste es, was es wolle», sagten sich die drei Nestbauer mit den unbegrenzten finanziellen Mitteln, deren Kompass blockiert ist. «So nicht!» ist ihr Warnruf.
«So nicht!» Gemeint ist das geplante Rahmenabkommen der Schweiz mit der EU. Aus dem Kuckucksei hat sich längst ein weiterer «Partner» dieser «Group» entwickelt, der zwar eine etwas weniger betuchte Klientel bedient, aber doch genau weiss, was unser Land nicht will.
Das Nein als Kampfansage
Kampf als politische Leitlinie – wir kennen das Resultat längst: Blockierung, Stillstand, Stagnation. Das Gegenteil: Kooperation als Motivation – Vorwärts, Aufbruch, Lösung. Wenn sich Gantner, Wietlisbach, Erni (dazu gehören auch die Blocher- und Martullo-Familien) und Maillard zusammentun, sagt das noch nichts über ihre wahren, persönlichen Gründe für die kategorische Absage an eine strategische Kooperation mit der EU aus.
Die Schweiz im Zentrum der EU
Seit Jahrzehnten spaltet diese Frage die stimmberechtigte Schweizer Bevölkerung – im Zentrum Europas liegend: Wie soll die Schweiz sich zukünftig per bilaterale Verträge mit ihren wichtigsten Handelspartnern so arrangieren können, dass die heilige helvetische Unabhängigkeit erhalten bleibt und sie trotzdem ihre lukrativen Geschäfte mit ihnen machen kann? Gewisse Kreise möchten zwar nicht auf die vielen Vorteile des europäischen Zukunftsspiels verzichten, wollen dabei aber ihre eigenen Regeln beachtet haben. Als ginge es um eine Fussball-EM, bei der sich unser Land nicht an die Offside-Regel zu halten hätte.
Lautstark verkündet dabei die Märchentante aus Ems, die EU sei eine Fehlkonstruktion, die aber nicht auf die Schweiz verzichten könne. Das Trio der radikalen, ausserparlamentarischen Missionare aus Zug erinnert daran, dass wir dank unseres starken Schweizer Frankens auch zukünftig ohne Bilaterale billig in die Ferien reisen können. Um zu unterstreichen, wie volksnah und populär sie sind, holen sie einstige «Grössen» wie TV-Legende Kurt Aeschbacher und Skistar Bernhard Russi ins Trio Grande. Tempi passati. Damit man ihn auf der Party nicht vermisst, schaltet sich spontan Gewerkschaftsboss Maillard im Smalltalk zu: «Der geopferte Lohnschutz ist ein No-Go, Frau Amherd!». Im Januar meinte er: «Das Schweizer Volk will den EU-Deal ebenfalls nicht» (Blick).
Und so nimmt die kleinkarierte EU-Diskussion erneut Fahrt auf, der patriotische Widerstand wird Ende 2024 mit dem Aufmarsch der Hellebarden-Helden auf dem Bundeshausplatz markiert.
Konzessionen auf beiden Seiten
Der geregelte Zugang zum EU-Binnenmarkt ist eine der tragenden Säulen des Abkommens unter befreundeten Nationen. Die Schweiz profitiert seit Jahren davon. Respektabler Wohlstand, hohes Lohnniveau, beachtliche Forschungs- und Innovationskraft bezeugen es. Dank Zugeständnissen und Verhandlungserfolgen ist in der Vergangenheit ein Kooperationsresultat erzielt worden, das sich als Ganzes sehen lässt.
Es liess sich trotz zunehmender, überbordender gesetzlicher Vorschriften realisieren. Wer heute im Verhandlungspartner ein wachsendes Bürokratiemonster sieht, hat natürlich recht. Dieses entfaltet sich jedoch beidseits der Schweizer Landesgrenzen – leider. Die Monster sind die Folge von laufend neuen Forderungen aus der Bevölkerung. Man fordert heute vom Staat, was das persönliche Politengagement gestern noch lieferte. Und in Zukunft? Die bange Frage nach vormals prägenden Demokratiestützen ist unüberhörbar. Vom Staat zu fordern ist gegenwärtig populär. Die Folgen davon? Eben.
Das neue Abkommen
Das neue, im Dezember 2024 vorgestellte Abkommen ist ein Fortschritt. Die EU hat Zugeständnisse gemacht, die der Schweiz wichtig sind. Nicht alle Wünsche wurden dabei erfüllt und das Ganze kostet 350 Mio. Franken jährlich – mehr als bisher. Zu den bisherigen fünf Bereichen sind neu hinzugekommen: Strom-, Gesundheits- und Lebensmittelsicherheitsabkommen. Die Strombranche – als Beispiel – ist überrascht, wie weit die EU der Schweiz entgegengekommen ist.
Anders als gewisse Gegner eines Kooperationsabkommens CH-EU wider besseres Wissen seit Jahren behaupten, geht es nicht – und ging es nie – um den EU-Beitritt, sondern um den partiellen EU-Marktzugang. Es wird z. B. bestätigt, dass die Personenfreizügigkeit nicht als Vorwand dienen darf, um von den schweizerischen Sozialwerken profitieren zu können.
Es war zu erwarten, dass all dies die ewigen, fundamentalen Kritiker eines Abkommens nicht beruhigen würde. Diese sind gegen die hohe Zuwanderung und ignorieren dabei, dass unser Land diese Menschen in Spitälern, im Gastrobereich, im Reinigungswesen oder in der Pharmabranche dringend braucht.
Ideologische Opposition des Gewerkschaftsbundes
Der Gewerkschaftsboss Pierre-Yves Maillard und sein Chefökonom Daniel Lampart kritisieren das neue Abkommen vehement. Dies kann niemanden überraschen. Sie wollen nachverhandeln und sind der Meinung, der Bundesrat stelle die erzielte Einigung zu schönfärberisch dar. Es sind genau die oben erwähnten Spielregeln, die ihnen nicht in den Kram passen. Wer sich nur mit kurzfristiger Sicht auf verbesserungsfähige Details fokussiert und dabei die ganzheitliche Sicht auf Vor- und Nachteile vermissen lässt, verhindert langfristig wirksame Lösungswerke.
Misstrauen gegen Europa?
Mit dem Argument der automatischen europäischen Rechtsübernahme (formeller Einbezug des EuGH) machen die Abkommensgegner lautstark Anti-Stimmung. Doch die Schweiz kann die Übernahme von EU-Recht auch weiterhin ablehnen. Und noch etwas: Ist denn EU-Recht a priori anders als Schweizer Recht? Leiden denn unsere europäischen Nachbarn darunter, dass sie nicht nach Schweizer Recht beurteilt werden? Ist es nicht nachvollziehbar, dass für ein europäisches Abkommen europäisches Recht gilt? Die EU verlangt von der Schweiz mehr Verbindlichkeit. Sie blockiert deshalb vorläufig für unser Land wichtige Verträge. Darunter leiden heute unsere Hochschulen und unsere Exportindustrie.
Können wir irgendwann nachvollziehen, dass die angestrebten Verträge für unser Land eine sehr grosse Bedeutung haben? Schliesslich ist die EU für uns in jeder Beziehung der wichtigste Partner.
Zusammenarbeit ist in Zeiten der Unsicherheit auf der politischen Bühne (Ukraine-Krieg etc.) eine verlässlichere Strategie als Blockade.