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Künstlerfotografien

Brancusi und andere - wie sie sich selber sahen

11. Juli 2011
Journal21
Constantin Brancusi ist en vogue. 40 Plastiken des rumänischen Bildhausers zeigt die Sammlung Beyeler in Riehen, zusammen mit Skulpturen des von ihm beeinflussten Richard Serra. Photographien, die Brancusi selbst von seinen Werken gemacht hatte, erzielten auf der ART Basel Höchstpreise. Und jetzt zeigt das Centre Pompidou in Paris vom 9. Juni bis 12. September eine Schau von rund hundert Photographien und filmischen Dokumenten, die er in und um sein Atelier in Paris, sowie auf Reisen ins heimische Rumänien gemacht hatte.

Mehr als jeder Künstler seiner Generation nahm Brancusi (1876-1957) wahr, welche Revolution die Techniken der analogen Reproduktion von Photographie und Film für die Rezeption seiner Werke bedeuten könnten. So begann er in den 1920ger Jahren einen hochproduktiven Dialog zwischen Skulptur, Photographie und Film.

Photokünstler Man Ray hatte Brancusi zur Photographie geführt, doch er beschrieb dessen Resultate folgendermassen: „Die Photos waren unscharf, über- oder unterbelichtet, verkratzt, befleckt... Doch vielleicht hatte er Recht: Einer seiner Vögel war so aufgenommen worden, dass ein Sonnenstrahl ihn berührte. Er strahlte, hatte sogar einen Lichthof um sich herum. Er bekam einen fast explosiven Charakter.“

Brancusis Antwort: „Je ne cherche jamais à faire ce que l’on appelle des formes pures ou abstraites.“ Ich habe nie danach gesucht, reine oder abstrakte Formen darzustellen. Brancusi suchte Wirkung und Bewegung. Viele seiner Skulpturen liess er dazu filmisch auf Drehscheiben „tanzen“.

Interessant sind zudem Brancusis Bilder und Filme privater Szenen - auch diese mit Sorgfalt gemacht. Margaret Anderson, eine amerikanische Verlegerin, beschreibt dies in ihrer Autobiographie so: „Nach einem Diner unter Freunden in seinem Atelier beschliesst Brancusi spontan, uns unter dem elektrischen Licht rund um den Tisch aufzunehmen. Sofort wird er ernst und intensiv, wie wenn er sich der Entstehung einer neuen Skulptur widmet. Er braucht eine Stunde, um den Apparat einzustellen, weitere um sein Publikum zu beobachten, es neu zu arrangieren und ins richtige Licht zu rücken. Schliesslich setzt er sich dazu und drückt mithilfe einer langen Schnur den Auslöser.“

Die Tänzerin Lizica Codreanu - gesehen und fotografiert von Constantin Brancusi
Die Tänzerin Lizica Codreanu - gesehen und fotografiert von Constantin Brancusi

Die Dokumentation, die Brancusi durch Filme und Photos erstellte, umfasst auch Atelierbesuche, die, wahrscheinlich unbewusst, Einblicke in des Künstlers privateste Sphäre geben. Offenbar hatte er eine Schwäche für gertenschlanke, hochgewachsene, in der gängigen Mode ‚a la garconne, frisiert elegante Gesellschaftsdamen. Diese sind in diversen Photos zu sehen, aber auch in Filmaufnahmen; Freundinnen wie die Tänzerinnen Marina Chaliapine, Lizica Codreanu oder Florence Meyer.

Um sie mit sich zusammen zu filmen, installierte er eine Filmkamera fix im Atelier und liess sie laufen. Die Damen sind beim Eintritt, noch in der Ferne, ganz zu sehen. Je näher sie jedoch kommen, desto mehr wird ihnen abgeschnitten, da Brancusi für die Quadrierung offenbar bei sich Mass genommen hatte und er - wie aus diesen Filmsequenzen klar wird - doch ziemlich klein war. Schliesslich sieht man dann einen eifrigen Satyr - Brancusis Haupt- und Barthaar spross ungezähmt - sich begeistert wie ein Efeu mit Oktopusarmen um diese kopflosen Damen ranken. Vielleicht kam ihm die Idee zu seinen ‚unendlichen Säulen’ bei einer dieser Begegnungen.

Eine dieser Säulen steht im rumänischen Târgu Jiu. Diese und seine Fahrten durch seine Heimat 1937 et 1938 hat Brancusi ausführlich dokumentiert. Er photographierte Erdformationen, vorüberziehende Landschaften, Wolkenformationen und die Raubvögel, die zur grossen Inspirationsquelle wurden.

Brancusi: ‚Diese verzauberten Vögel haben mich verhext. Ich bin ihren Einfluss nie losgeworden, habe mich nie von ihnen befreit.’
Brancusi: ‚Diese verzauberten Vögel haben mich verhext. Ich bin ihren Einfluss nie losgeworden, habe mich nie von ihnen befreit.’

Künstlerphotographien scheinen überhaupt in vogue momentan. Auch Photos von Henry Moore wurden auf der ART gezeigt – „als Teil seines Schaffensprozesses“, meinte der Galerist. Zuerst entstand die Skizze, das Modell der Plastik, dann wurde sie gegossen und schliesslich musste sie dokumentiert und für den Kunstmarkt aufbereitet werden. Das geschah via Photographie.

Doch auch Photos von und mit Alberto Giacometti sind zurzeit zu sehen, und zwar in Chur. Es stellt sich heraus, dass der Künstler nicht nur an der perfekten Ausleuchtung seiner Skulpturen interessiert war, sondern sehr stark auch das eigene Image kontrollierte. Diese teilweise sehr privaten Bilder aus der Sammlung seiner Frau, zeigen allerdings auch nicht so bekannte Seiten Giacomettis, so einen lebensfrohen, zärtlichen und fröhlichen Mann.

Leider sehr aktuell zum Tode Cy Twomblys zeigt das Museum Brandhorst in München 120 sehr private Photographien des fast unsichtbaren Künstlers, entstanden zwischen 1951 und 2010. Sehr poetische Aufnahmen, die Einblicke in seine Seele doch, keine in sein Privatleben erlauben: Diffuses Licht und weiche Konturen bestimmen die lyrische Blumenstillleben, die verschwommene lichterfüllten Landschaften und die stimmungsvollen Atelieraufnahmen.

Diese Ausstellung wird nach München noch im Museum für Gegenwartskunst in Siegen zu sehen sein und geht ab Oktober auf Tournee in diverse andere Städte.

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