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Maduro

Beisst sich Trump in Venezuela die Zähne aus?

30. Oktober 2025
Heiner Hug
Maduro
Mit geballten Fäusten: Der venezolanische Diktator Nicolás Maduro (Keystone/EPA/Miguel Gutierrez)

Schon während seiner ersten Amtszeit versuchte Trump, den venezolanischen Diktator zu stürzen. Das misslang kläglich. Auch damals drohte und fauchte Trump – und nichts geschah. Nun versucht es der «Friedenspräsident» erneut. Doch ein Sturz Maduros könnte schwierig werden. 

Im Frühjahr 2019, während Trumps erster Amtszeit, schwang sich Juan Guaidó, der Präsident der venezolanischen Nationalversammlung, zum Interimspräsidenten auf – mit Unterstützung der USA. Der «schöne Juan», wie man ihn nannte, wurde von 54 Nationen als neuer Präsident des Landes anerkannt. Zehntausende jubelten in den Strassen von Caracas. Guaidó stand auf den Barrikaden und gelobte, das Land aus dem Elend zu führen. 

Trump hatte 2019 alle Hebel in Bewegung gesetzt, um Maduro zu stürzen: Mit pathetischen Worten verkündete er Wirtschaftssanktionen, schloss eine militärische Intervention nicht aus – und drohte mit «schwerwiegenden Konsequenzen».

Die meisten lateinamerikanischen Staaten und fast ganz Europa scharten sich hinter Guaidó. Maduros Absetzung schien kurz bevorzustehen. «Bravo Trump», schrie die Menge in Caracas. Guaidós Ehefrau, Fabiana Rosales («die schönste First Lady»), wurde von Trump im Weissen Haus mit grossem Pomp empfangen. 

Das ruft nach Rache

Doch Juan Guaidó war nicht nur beliebt. Vielen galt er als Marionette der USA. Belegt ist, dass er von amerikanischen Stiftungen finanziert wurde. Der Stern des Juan Guaidó verblasste schnell. Trotz der lauten Drohungen des amerikanischen Präsidenten – nichts geschah. Wieder einmal hatte Trump den Mund allzu voll genommen. Die venezolanischen Generäle zeigten keinerlei Anstalten, Maduro fallenzulassen. Der russische Propagandasender «RT» jubelte schon: «Strategisches Schachmatt für die USA.» 

Maduro hatte dem mächtigsten Mann der Welt erfolgreich die Stirn geboten. Für Trump bedeutete dies eine Demütigung. Das ruft nach Rache. Und wir wissen: Kaum jemand ist derart rachsüchtig wie Trump. Jetzt will der amerikanische Präsident die Schmach von damals gutmachen und vollenden, was er in seiner ersten Amtszeit nicht geschafft hat. Jetzt endlich will er Maduro stürzen.

Der grösste Flugzeugträger der Welt gegen Drogenboote

Dabei war es zunächst nicht einmal Trump, der Maduro beseitigen wollte. Initiator war Marco Rubio. Er, der Sohn kubanischer Exilanten und jetzige US-Aussenminister, hatte Trump bearbeitet, um gegen Maduro vorzugehen. Rubio kämpft mit allen Mitteln gegen das kubanische Regime – und gegen alle, die mit diesem Regime verbündet sind. Und das ist auch Venezuela. 

Jetzt also wurde der grösste Flugzeugträger der Welt, die USS «Gerald Ford», vor die venezolanische Küste beordert. Er gesellt sich zu mehreren amerikanischen Kriegsschiffen. Bereits befinden sich 10’000 amerikanische Soldanten in der Region. Ebenso amphibische Angriffsschiffe und ein nuklearbetriebenes U-Boot.

USS Gerald Ford
Der grösste Flugzeugträger der Welt: die USS Gerald Ford (Archivbild)

Dieser Grossaufmarsch deutet nicht darauf hin, dass es Trump nur um die Unterbindung des Drogenschmuggels geht, wie er sagt. Ist der Kampf gegen Drogen nur ein Vorwand? Braucht es einen 333 Meter langen Flugzeugträger, um einige Drogenboote zu stoppen?

Drogensumpf Venezuela?

Venezuela gehört nicht zu den klassischen Drogenproduzenten wie Kolumbien, Peru, Bolivien und Mexiko. Venezuela spielt auch eine unbedeutende Rolle als Transitland für Drogen. Dies bestätigt sogar die amerikanische «Drug Enforcement Administration» DEA. Dies schliesst nicht aus, dass venezolanische Generäle und Offiziere vom Drogenschmuggel profitieren. 

Die USA haben in den letzten zwei Monaten elf venezolanische «Drogenboote» versenkt und dabei über 50 Insassen getötet. Allerdings ist nicht bewiesen, dass es sich dabei tatsächlich um Drogenhändler gehandelt hat. 

Obwohl kaum Drogen in Venezuela angebaut werden, stellt Trump das Land als Drogensumpf dar, den es auszutrocknen gelte. 

Starke Präsenz Chinas

Doch es geht nicht nur um Drogen und den Sturz Maduros: Es geht auch um China. Tatsache ist, dass Peking in Lateinamerika immer mehr Einfluss gewinnt. An der Pazifikküste, 80 Kilometer nördlich von Lima, hat China einen Megahafen, den «Puerto de Chancay», gebaut. Der Hafen von Chancay ist zum Symbol der wachsenden chinesischen Präsenz in Lateinamerika geworden. 

Zudem hat sich Peking Zugang zu Schlüsselrohstoffen wie Lithium und Kupfer gesichert und den Handel mit lateinamerikanischen Staaten stark ausgebaut. Die chinesischen Investitionen in lateinamerikanischen Ländern haben sich in den letzten jahren – je nach Land – verdoppelt, verdreifacht, vervierfacht. 

Auch in Venezuela ist China sehr präsent. Peking benutzt das Land als Brückenkopf für eine wirtschaftliche Expansion in Lateinamerika. Ist Trumps Versuch, Maduro in die Knie zu zwingen, auch dazu da, die Einflussnahme Pekings in Süd- und Mittelamerika zu bremsen?

Riskante Bodenoffensive

Werden nun bald amerikanische Amphibienfahrzeuge an der venezolanischen Küste landen und Tausende US-Soldaten an Land bringen? Die USA täten gut daran, eine Bodenoffensive in Venezuela nicht zu unterschätzen. Die venezolanische Armee verfügt nach eigenen Angaben über 120’000 Soldaten und 100’000 Reservisten. Allerdings sind sie nicht mit modernen Waffen und modernem Gerät ausgerüstet. Vieles stammt aus älteren russischen oder gar sowjetischen Beständen, so die Panzer des Typs T-72, die Luftabwehrsysteme  und die Kampfflugzeuge vom Typ Sukhoi Su-30MK2. 

Neben der regulären Armee besitzt Venezuela im Rahmen der Doktrin «integrale Landesverteidigung» (Dekret 3560) eine Art militarisierter Milizarmee, die geschworen hat, das Land gegen Invasoren zu verteidigen. Sie findet sich auf dem teils sumpfigen, teils gebirgigen und teils mit Urwald bedeckten Terrain wohl besser zurecht als die GIs.

Maduro mag von einem grossen Teil der Bevölkerung gehasst werden, doch er verfügt noch immer über hartnäckige Unterstützer – auch in der Armee. Diese würden den amerikanischen Invasionstruppen das Leben schwer machen. Und sicher würden einige der US-Soldaten ums Leben kommen, denn auch ältere russische Waffen können töten. Könnte sich das der «Friedenspräsident» Trump leisten? Er, der angetreten ist, Kriege zu beenden und nicht neue zu beginnen. 

Pro-Maduro-Demo
Eine Pro-Maduro-Demonstration am 6. Oktober in Caracas (Keystone/EPA/Miguel Gutierrez)

Strategische Partnerschaft mit Russland

Der Irak und Afghanistan sind nach wie vor ein amerikanisches Trauma. Die Amerikaner können Bilder nicht vergessen, die Särge mit GIs zeigten, wie sie auf der Dover Air Force Base in Delaware ankamen. Oft bei Nacht wurden die Toten von Offizieren empfangen. Solche Bilder wollen die Amerikaner nicht mehr sehen.

Nicht nur Kuba und China sind mit Venezuela verbündet, auch Russland. Und da verkompliziert sich die Lage. Würden es Moskau und Peking zulassen, dass die USA eine Invasion in Venezuela starten? Entwickelt sich der Kampf um Venezuela zu einem Stellvertreterkrieg zwischen den USA einerseits und Russland und China anderseits? 

Dass Russland diese Woche eine «strategische Partnerschaft» mit Venezuela besiegelte, sollte Trump zu denken geben. Putin hat am Montag das Abkommen unterzeichnet. Dieser Zeitpunkt ist sicher nicht zufällig gewählt. Er stellt eine Botschaft an die USA dar. Anderseits weissen Beobachter darauf hin, dass sich Putin – neben der Ukraine – keinen Krieg in Lateinamerika leisten kann. Trump allerdings auch nicht. 

Hybride Kriegsführung

Wahrscheinlicher als eine amerikanische Bodenoffensive sind Luftangriffe und eine hybride Kriegsführung. Eine solche hat ja schon begonnen. Man droht, man parkiert Flugzeugträger vor der venezolanischen Küste. Man hindert Tanker, die mit venezolanischem Öl beladen sind, am Auslaufen, man greift wieder Fischerboote an. Man stört das Internet. Man verbreitet alarmistische Meldungen von einer bevorstehenden Offensive. 

Möglich sind gezielte Luftangriffe auf strategisch wichtige Einrichtungen, vielleicht sogar auf den Präsidentenpalast, auf das Parlament, auf die Zentrale von Maduros Partei, auf Kasernen, auf Militärflugplätze, auf Wohnhäuser hoher Generäle. Oder: Man rekrutiert im Innern potentielle Aufständische, man sät Unruhen – die CIA hat jahrzehntelange Erfahrung mit dem Sturz unliebsamer Regime.

Verrottete Förderanlagen

Maduro hatte das Land nach dem Tod von Hugo Chávez endgültig ins Elend geführt. Der von Chávez propagierte «Sozialismus des 21. Jahrhunderts» hatte zwar Venezuela einen wirtschaftlichen Aufschwung gebracht. Die Armut im Land wurde drastisch reduziert. All das wurde finanziert durch die riesigen Öleinnahmen. Kein Land verfügt über derart grosse Öl- und Gasvorkommen wie Venezuela. 

Berauscht von diesem Öl-Dorado verpasste es Chávez, die Wirtschaft zu diversifizieren. Andere Wirtschaftssektoren wurden vernachlässigt. Das rächte sich, als die Öleinnahmen begannen, drastisch abzunehmen. 2014 sank der Ölpreis und Venezuela verlor durch sinkende Einnahmen die Fähigkeit, die Versorgung des Landes durch Importe zu gewährleisten. Jetzt fehlte das Geld zum Unterhalt und zur Modernisierung der Ölindustrie. Förderanlagen und Bohrtürme verrotten. 

Die humanitäre Situation in Venezuela ist heute katastrophal. Es fehlt an allem, an medizinischem Material, an Lebensmitteln. All das sei eine Folge der amerikanischen Sanktionen, sagt Maduro. Das stimmt zum Teil. Zum anderen Teil ist das Elend eine Folge der Unfähigkeit der «sozialistischen Regierung». Diese Unfähigkeit, die grassierende Armut trieb sieben Millionen Venezolaner und Venezolanerinnen zur Flucht ins Ausland. 

Diktator Maduro

Maduro, ein Gewerkschaftsmann und ehemaliger Busfahrer, war im März 2013 nach dem Tod  des charismatischen Hugo Chávez an die Spitze des Landes katapultiert worden. Im Gegensatz zu Chávez ist Maduro (kolumbianische, katholische Mutter, sephardischer Vater aus Curaçao) weder charismatisch noch fähig, das Land zu führen. 

Schnell entwickelte er sich zum Diktator. Er schaltete das gewählte Parlament aus und fälschte Wahlen. Die Gewaltenteilung im Land ist seit der kompletten Entmachtung des Parlaments aufgehoben. Maduro regiert mit Dekreten und Sondervollmachten. Oppositionelle wurden teils gefoltert und hingerichtet. Die Uno macht Maduro für «Verbrechen gegen die Menschlichkeit» verantwortlich.

Doch Maduro ist nur ein Teil des Regimes. Der andere Teil besteht aus hochrangigen Generälen und hohen Offizieren. Sie werden von Maduro mit reichen Pfründen bedacht. Würde Maduro weggefegt, wäre für viele das komfortable Leben vorbei. Zudem würden manche vor Gericht gestellt. Also hält man am Präsidenten fest.

«Gringo go home»

Laut Umfragen stehen nur etwa 15 Prozent der Bevölkerung hinter Maduro. Und trotzdem: Das jetzige amerikanische Säbelrasseln wird in Lateinamerika mit gemischten Gefühlen aufgenommen. Zu oft haben sich die USA in Süd- und Mittelamerika sowie in der Karibik unrechtmässig eingemischt und Regierungen gestürzt. Man kann es schönreden wie man will: Aber in Lateinamerika herrscht auch heute noch ein latenter Ani-Amerikanismus: «Gringo go home». 

Die USA hatten im Laufe der Jahrzehnte – oft mit Hilfe der CIA – mehrere Regierungen beseitigt. Als Beispiel sei der Sturz des guatemaltekischen Präsidenten Jacobo Arbenz genannt, der die Macht der reichen Grossgrundbesitzer beschränken und den mittellosen Bauern helfen wollte. Arbenz, der familiäre Wurzeln in Andelfingen (ZH) hatte, wurde nach bewährtem CIA-Muster als «Kommunist» verschrien und gestürzt. 

Doch die USA brachten nicht nur Regierungen zu Fall, sondern unterstützten auch die mordenden und folternden Militärregime in Brasilien, Argentinien und Chile. So wurden während der Herrschaft des chilenischen Diktators August Pinochet mehr als 3000 Menschen getötet oder zum Verschwinden gebracht. Und Mr. Kissinger sagte kein Wort dazu. 

All das ist in Lateinamerika nicht vergessen. Und wenn Trump jetzt eine Rückgabe des Panamakanals verlangt, zementiert er damit das Image eines US-Amerikas, das glaubt, sich alles leisten zu können.

Und jetzt? Trumps Rhetorik gegen Caracas wird von Tag zu Tag bedrohlicher. Doch kann sich der amerikanische Präsident eine militärische Eskalation leisten? Hat er wieder einmal den Mund etwas voll genommen? Schon einmal hat er das Gesicht verloren. 

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