
Wie ist das, wenn die grosse, feudale und neue Orgel in der Tonhalle Zürich gemeinsam mit einem Bariton aufspielt? Wer gewinnt dann? Thomas Hampson lacht laut und meint dann: «Ja, die Frage ist berechtigt …», zumal sie ihn selbst betrifft. Denn Thomas Hampson, seit vielen Jahren einer der grossen Publikumslieblinge in Zürich, wird am Pfingst-Sonntag im Rahmen der «Internationalen Orgeltage» in der Tonhalle einen Liederabend geben – mit Orgelbegleitung.
Und an der Orgel sitzt Christian Schmitt, international einer der gefragtesten Organisten und gleichzeitig so eine Art Pate der Zürcher Orgel, die er seinerzeit mitkonzipiert und deren Aufbau er eng begleitet hat.
«Also wenn die Orgel so richtig loslegt und Christian alle Register zieht, habe ich keine Chance», sagt Hampson. Es liege an der richtigen Vorbereitung durch den Organisten, so Hampson, und zum Glück sei es ja kein Wettbewerb, «wer schlägt wen». «Aber es ist eine ganz schön komplizierte Zusammenarbeit. Ich stehe zwar neben dem Organisten, aber der Klang kommt – nicht wie beim Klavier – woanders her. Die Agogik kann also unterschiedlich sein.»
Solostimme zur Orgel
Es war Christian Schmitts Idee, mit Thomas Hampson einen Liederabend zu machen. «Ich habe schon in meiner Kindheit viel mit Sängern gearbeitet, da ich bei festlichen Anlässen wie Hochzeiten oft als Begleiter auf der Orgel gefragt war», sagt Christian Schmitt. «So richtig angefangen hat es dann vor 15 Jahren mit den Sängerinnen Juliane Banse und Sibylla Rubens und einer CD mit Magdalena Kožená, dann bin ich mit den Baritonen Michael Volle und Andreas Schmidt tiefer in das Männerstimmen-Repertoire eingetaucht.. Thomas Hampson kann sich also auf die Erfahrungen von Christian Schmitt verlassen.
Und welche Stücke eignen sich besonders gut für die Kombination von Solostimme und Orgel? «Lyrische, ausdrucksvolle», sagt Hampson und schränkt sofort ein: «Aber einen ‘Musensohn’ von Schubert zum Beispiel könnte ich mir nicht mit Orgelbegleitung vorstellen.» Und Christian Schmitt ergänzt: «Besonders gut geeignet ist die spätromantische Klavier-Literatur, wie zum Beispiel Brahms.» Für die Zusammenstellung des Programms hat das Duo Hampson/Schmitt Anregung aus den USA geholt. «Mein Orgelprofessor aus Boston hat uns eine vielseitige Liste von Stücken zusammengestellt, die habe ich Thomas geschickt und er hat eine Vor-Auswahl getroffen. Natürlich habe ich ihm auch von meinen Erfahrungen erzählt, aber ich wollte, dass er ganz frei ist in seiner Auswahl.»
Dass in Zürich nun eine erstklassige Hightech-Orgel zur Verfügung steht, hat das Projekt natürlich begünstigt. «In Zürich findet ein Organist beste Voraussetzungen», sagt Schmitt, «das Instrument ist unglaublich vielseitig und dynamisch, man kann den Sänger aber auch sehr leise und einfühlsam begleiten.»
In Bamberg schon mal ausprobiert
Anfang Mai haben Hampson und Schmitt ihr Programm bereits einmal in Bamberg in Deutschland aufgeführt. «Das war schon sehr aufregend», erzählt Hampson. «Es war das Debut unserer Zusammenarbeit und für mich war das auf jeden Fall etwas völlig Neues. Auch das Programm selbst ist etwas ungewöhnlich mit zwei hebräischen Gesängen von Ravel, mit César Franck und einer Messe von Maurice Duruflé, dazu Liszt, Brahms und natürlich ein paar Lieder von Mahler.» Das Konzert in Bamberg sei für sie beide sehr wichtig gewesen, ergänzt Schmitt. «Wir hatten drei intensive Probentage und das Konzert. Der erste Teil ist ja ziemlich französisch angehaucht, der zweite intensiv und mit den Werken von Mahler, Brahms und Liszt auf Endzeitstimmung angelegt.» In Bamberg, so hört man, war das Publikum begeistert.
Mit diesem Orgel-Lieder-Abend steht Thomas Hampson nun gleich mehrfach hintereinander in Zürich auf der Bühne. Noch vor kurzem verkörperte er im Opernhaus den holländischen Maler Jan Vermeer in der Uraufführung von «Girl with a Pearl Earring» einem Werk des Schweizer Komponisten Stefan Wirth . Auch dies eine eher ungewöhnliche Produktion, die aber bei Hampson selbst und bei den Zuschauern gleichermassen gut ankam. «Ich bin sehr gern in Zürich», sagt Hampson, «Ich habe so viele Rollen hier gespielt und ich freue mich sehr, mein Publikum hier wieder zu sehen.» Und dies beruht auf Gegenseitigkeit.
«Internationale Orgeltage», 4.–6. Juni 2022
Tonhalle Zürich
https://www.tonhalle-orchester.ch/konzerte/kalender/orgel-und-gesang-1438321/