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Gastkommentar

Adrian Müller

20. März 2011
Gastkommentar
Adrian Müller, Kapuziner
Adrian Müller, Kapuziner
2011 ist ein Wahljahr. Parteien plazieren ihre Themen und versuchen möglichst viele Stimmbürger und Stimmbürgerinnen von ihren Positionen zu überzeugen. Im 2010 machte der Kapuzinerorden mit einer witzigen Werbekampagne Furore. Auch die braunen Brüder haben ihr Parteiprogramm. Wäre dieses eine Alternative oder eine Bereicherung?

Die Kapuziner sind Globalplayer. Auf allen Kontinenten leben circa 10500 Brüder in 1700 Gemeinschaften. Als Nichtregierungsorganisation NGO arbeiten sie bei der UNO und können durch ihre internationale Vernetzung schnell und seriös informieren. Das ist eine ihrer Stärken in der internationalen Politik.

Gemeinschaft, Kontemplation, Minoritas, apostolische Tätigkeit sowie der Einsatz für Gerechtigkeit, Frieden und Ehrfurcht vor der Natur sind die fünf tragenden Säulen ihres Tuns. Diese wurden 1986 an ihrem 5. Plenarrat in Garibaldi nach einem langen Suchprozess erarbeitet und sollen im Folgenden aktualisierend entfaltet werden.

Gemeinschaft als Geschenk und als Aufgabe ist die erste Säule des kapuzinischen Parteiprogramms. Politik hat immer mit einer bestimmten Gemeinschaft zu tun. Dabei wird ein Diktator einen anderen Zugang zu seiner Gemeinschaft – dann eben Volk genannt – haben als dies ein demokratisch gewählter Politiker zu seinen Stimmbürger und Stimmbürgerinnen hat.

Mit dem Geschenkcharakter des gemeinsamen Lebens sowie mit dem Bewusstsein, dass Gemeinschaft immer wieder neu aufgebaut werden muss, leben Kapuziner. Auch Bürger einer Demokratie sind sich gegenseitig geschenkt und manchmal eine ziemlich mühsame Aufgabe. Nimmt man in der Politik diese beiden Charaktere von Gemeinschaft ernst, dann ist der Andere nicht Feind, nicht Schmarotzer, sondern eine gute Chance selber weiterzukommen. Am inneren Widerstand kann man wachsen und reifen.

Kontemplation meint das gemüthafte Beten. Es geht hier nicht nur um den Kopf, sondern auch ums Herz. Gute Politik baut sowohl auf Kopf als auch auf Herz – und dies in einem guten Zusammenklang. Der Kopf alleine wird kühl und menschenfremd, das Herz alleine unberechenbar und ungerecht. Darin gibt es keine absoluten Gewissheiten, nur ein Ringen um einen guten Weg.

Auf Franziskus geht das Ordensideal der Kapuziner zurück. In einer Zeit (13. Jh.) da Adlige, Kleriker und Bürger die grössten und mächtigsten Menschen, eben Maiores, sein wollten, gab Franziskus die Parole Minoritas heraus. Er wollte als Geringer mit den Geringen sein. Eigentlich müssten Schweizer und Schweizerinnen diesen Gedanken aus dem F und F kennen. In den Bergen ist jede Seilschaft so stark, wie ihr schwächstes Glied. Politik ist nicht an reichen Menschen oder Unternehmen auszurichten, sondern am Wohle der schwächsten Glieder ihrer Gemeinschaft. Die Apostel wurden zu den Menschen geschickt um ihnen zu vergeben und zu heilen. In der Politik der Besserwisser und der Perfekten braucht es weder Veränderung, Vergebung noch Heilung. Doch scheint eine solche Einstellung wenig Zukunft zu haben. Zuerst braucht es die Fähigkeit, sich seine eigenen Unzulänglichkeiten einzugestehen, wie dann auch die Schwächen anderer Menschen akzeptieren zu können. Vielleicht entdeckt man so die je eignen Stärken die dem Gemeinwohl dienen können.

Der Einsatz für Gerechtigkeit, Frieden und Ehrfurcht vor der Natur ist die fünfte Säule. Nicht das Reden, sondern das Tun wird dabei angesprochen. Da können wir im Kleinen einiges erreichen, und wenn wir nach Nordafrika schauen, sogar Regierungen stürzen. Es ist einfach zu hoffen, dass dieses Tun dann wirklich der Gerechtigkeit, dem Frieden und der Natur dient.

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