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Völkergemeinschaft

Neuer Absolutismus droht

6. September 2025
Markus Mohler
Markus Mohler
Uno-Charta
US-Präsident Harry Truman spricht am 25. Juni 1945 an der Konferenz von San Francisco. Delegierte aus 50 Nationen treffen sich zwischen dem 25. April und dem 26. Juni 1945 in San Francisco, um die 111 Artikel umfassende Uno-Charta auszuarbeiten, welche nun am letzten Tag der Konferenz zur Unterzeichnung bereitliegt. (Keystone/Photopress-Archiv/Str)

Nach dem Zweiten Weltkrieg verpflichtete sich die internationale Gemeinschaft mit der Uno-Charta und der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte auf eine von Regeln und Rechten geleitete Politik. Davon ist wenig übrig geblieben. – Eine Auslegeordnung.

Diktaturen und Eroberungen prägen die ganze Menschheitsgeschichte. Kolonialismus und Sklaverei gehören dazu, auch in Europa oder durch europäische Mächte. Die Aufklärung mit ihrem Höhepunkt in der französischen Revolution (1789) sollte der rechtlosen Willkürherrschaft, dem Absolutismus (legibus absolutus, von den Gesetzen, dem Recht losgelöst) ein Ende setzen. Dieses Gedankengut hatte zwar Wurzeln geschlagen, doch dessen Umsetzung war (und ist) äusserst mühsam. 

 

Die Uno-Charta

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs sollte 1945 mit der Uno-Charta eine Friedensordnung mit dem Verbot der zwischenstaatlichen Gewaltandrohung und -anwendung samt Schutz der Menschenrechte geschaffen werden. Bis 1948 ratifizierten 55 Staaten die Charta, darunter die fünf ständigen  Mitglieder des Sicherheitsrates (China, Frankreich, Sowjetunion, Vereinigtes Königreich und die Vereinigten Staaten). Damals bekanntlich ohne die Schweiz wegen der Neutralität.

Es lohnt sich, Teile der Präambel sowie die Artikel 1 und 2 der Charta in Erinnerung zu rufen:

«Wir, die Völker der Vereinten Nationen – fest entschlossen

  • künftige Geschlechter vor der Geissel des Krieges zu bewahren, die zweimal zu unseren Lebzeiten unsagbares Leid über die Menschheit gebracht hat,
  • unseren Glauben an die Grundrechte des Menschen, an Würde und Wert der menschlichen Persönlichkeit, an die Gleichberechtigung von Mann und Frau sowie von allen Nationen, ob gross oder klein, erneut zu bekräftigen (…)
  • unsere Kräfte zu vereinen, um den Weltfrieden und die internationale Sicherheit zu wahren,
  • Grundsätze anzunehmen und Verfahren einzuführen, die gewährleisten, dass Waffengewalt nur noch im gemeinsamen Interesse angewendet wird (…)

Art. 1 
Die Vereinten Nationen setzen sich folgende Ziele:

1. (…)

2. freundschaftliche, auf der Achtung vor dem Grundsatz der Gleichberechtigung und Selbstbestimmung der Völker beruhende Beziehungen zwischen den Nationen zu entwickeln und andere geeignete Massnahmen zur Festigung des Weltfriedens zu treffen;

Art. 2 
Die Organisation und ihre Mitglieder handeln im Verfolg der in Artikel 1 dargelegten Ziele nach folgenden Grundsätzen:

1. Die Organisation beruht auf dem Grundsatz der souveränen Gleichheit aller ihrer Mitglieder.

2. (…)

3. Alle Mitglieder legen ihre internationalen Streitigkeiten durch friedliche Mittel so bei, dass der Weltfriede, die internationale Sicherheit und die Gerechtigkeit nicht gefährdet werden.

4. Alle Mitglieder unterlassen in ihren internationalen Beziehungen jede gegen die  territoriale Unversehrtheit oder die politische Unabhängigkeit eines Staates gerichtete oder sonst mit den Zielen der Vereinten Nationen unvereinbare Androhung oder Anwendung von Gewalt.

Heute gehören 193 Staaten der Uno an.

Drei Jahre später folgte die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte.

Ihr Artikel 1 lautet:

Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geist der Brüderlichkeit begegnen.

Die Marginale von Art. 1 stützt sich auf die Losung der französischen Revolution (Liberté, Égalité, Fraternité).

Im Gegensatz zur Uno-Charta ist sie kein verbindlicher Vertrag, sondern ein Ideal, eine Richtschnur.

Sie wurde am 10. Dezember 1948 (heute der Menschenrechtstag) von 48 Staaten ohne Gegenstimmen, bei 8 Enthaltungen angenommen; der Ost-West-Konflikt wirkte sich bereits aus.

 

Das vermeintliche Ende der Geschichte

Der Zerfall der Sowjetunion und des Warschauer Paktes (1991) schien nicht nur das Ende des Kalten Krieges zu bedeuten, sondern auch den Sieg demokratischer Staatsformen. Die USA waren unbestritten die militärische und wirtschaftliche Macht Nummer 1, wirtschaftlich gefolgt von Europa, später der Europäischen Union. Militärisch verliess sich Europa auf die USA. Die USA wurden dominant.

Dies konnte den früheren Gegnern der USA, nun Russland, ebenso wie China mit seinem diktatorischen Machtanspruch der kommunistischen Partei, nicht passen. Putin in Russland trauerte und trauert dem Sowjetimperium nach, derweil China v. a. wirtschaftlich ausserordentlich erstarkte, mit seinen subventionierten Produkten den Weltmarkt überschwemmte und damit Abhängigkeiten schuf. Russland seinerseits war stark als Öl- und Gas-Exportland. Davon hing auch Europa ab.

1954 hatte Chruschtschow aus mannigfachen Gründen die Krim der Ukraine geschenkt. Diese historische Tatsache und die Ukraine als selbständiger Staat nach der Auflösung der Sowjetunion  sind für Putin samt seiner Entourage eine unverdauliche Schmach. Für ihn in seinem nach wie vor sowjetimperialistisch geprägten Denken gilt es, diese zu beenden. 1994 wurde der Ukraine im Budapester Memorandum auch von Russland territoriale Integrität, Souveränität und Schutz (!) zugesichert. 2008 erprobte Putin militärische Rückholaktionen gegen das auch selbständig gewordene Georgien mit der Besetzung der Provinzen Abchasien und Südossetien. Dem folgte 2014 die Annexion der Krim mit dem gleichzeitigen Beginn der militärischen Kämpfe im Donbas. Ermuntert durch die schwache Reaktion des Westens setzte er am 24. Februar 2022 zur Invasion der Ukraine von Norden, Nordosten und Osten an. Weder die UNO-Charta noch die zweifache Anerkennung der Unabhängigkeit der Ukraine als selbständiger souveräner Staat hinderten ihn daran.

Russische und chinesische Ansprüche 

Nun sind rechtsstaatliche Demokratien mit zwei neuen Formen von Absolutismus konfrontiert. 

Russland und China gaben die ihre in der «Gemeinsamen Erklärung der Russischen Föderation und der Volksrepublik China» (vgl. «Im Hintergrund die russische-chinesische Strategie» im Journal21 vom 30. August 2025) kund: Sie bekennen sich zur Uno-Charta und den «noblen Zielen der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte». Die Förderung und der Schutz der Menschenrechte sei die gemeinsame Verantwortung der Völkergemeinschaft. 

Doch die universelle Natur der Menschenrechte müsse mit der Optik der realen Situation in jedem Staat betrachtet und die Menschenrechte in Übereinstimmung mit den Bedürfnissen der jeweiligen Bevölkerung geschützt werden. Der hegemoniale Anspruch demokratischer Staaten sei eine ernsthafte Bedrohung des weltweiten und regionalen Friedens und untergrabe die Stabilität der Weltordnung. Die Unterzeichner bekräftigen die Ergebnisse des Zweiten Weltkriegs und die Wahrung der Nachkriegsordnung. Sie verteidigten die Zuständigkeit der Uno sowie die Gerechtigkeit in den internationalen Beziehungen und widersetzten sich jedem Versuch, die Geschichte des Zweiten Weltkriegs zu ignorieren, zu verändern oder zu fälschen. Und: Die chinesische Seite befürwortet und unterstützt die russischen Vorschläge, langzeitlich bindende Sicherheitsgarantien für Europa zu gewährleisten. 

In der Uno können Russland und China dank ihrem Veto die Bestimmungen betreffend territoriale Integrität und Souveränität sowie das Gewaltverbot faktisch ausser Kraft setzen. Sie usurpieren die Deutungshoheit über die Uno-Charta und über den Gehalt der Menschenrechte. Wem das nicht passt, drohen sie mit Gewalt.

Die USA unter Trump

Mit einer zweiten Form von Absolutismus herrscht Trump sowohl im Innern der USA wie international. Im Innern ignoriert Trump alle verfassungsmässigen Grenzen der präsidialen Befugnisse und damit die Zuständigkeiten des Parlaments und der Gliedstaaten in allen ihm opportun scheinenden Lebensbereichen. Jegliche rechtsstaatliche Prinzipien (z. B. Anspruch auf «fair trial») werden über Bord geworfen. Er ignoriert auch Gerichtsentscheide und setzt «illoyale» Chefbeamte ab.

International löst Trump die USA aus den von ihr ratifizierten Abkommen (WTO, WHO, Pariser Abkommen) und erpresst wegen der derzeitig noch bestehenden Wirtschaftsmacht mit seinen völkerrechtswidrigen Zöllen andere Staaten. Er droht auch unverhohlen mit Gewalt (Grönland, karibische Staate). Mit dieser Willkürpolitik löst er aber (zumindest vorderhand) auch die USA aus dem Kreis der bis anhin mit gleichgelagerten Werten und Interessen verbundenen Staaten.

Absolutistische Bestrebungen in Europa

Für die wirksame Verteidigung einer einigermassen gerechten Weltordnung ohne zwischenstaatliche Gewalt und Erpressung braucht es neue Strategien. Der wiederholte Ruf nach einer «regelbasierten» Ordnung nützt nichts mehr, wenn diese taugliche bestehende Ordnung von beiden Seiten gänzlich ignoriert oder einfach uminterpretiert wird.

Zudem zeigen sich auch in Europa absolutistische Bestrebungen sowohl rechts- wie linksextremer Provenienz. Faschismus ist keine Ideologie, sondern eine Methode für die Durchsetzung absoluter Machtansprüche. Der Kampf dagegen ist eine demokratisch rechtsstaatliche Pflicht, sonst könnte sich auch bei uns ein Absolutismus 2.5 einschleichen. Das seinerzeitige Ende der Weimarer Republik wie nun auch die Entwicklungen in Ungarn, der Slowakei, einigen Bundesländern Deutschlands und Frankreich ebenso wie die Desinformationskampagnen Russlands und Chinas sollten als Warnung dienen. 

Und die Schweiz? Alt-Bundesrat Maurer hofiert dem chinesischen Diktator auf dem Tiananmenplatz, wo 1987 die chinesische Volksbefreiungsarmee hunderte von Studenten mit Panzern niedergewalzt hat – und er schickt der als «gesichert rechtsextremistisch» eingestuften AfD Unterstützungsbotschaften.

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