Genau zwei Monate nach der von ihm angeführten kurzen Revolte seiner Wagner-Truppen gegen die russische Militärführung ist der Söldnerführer Jewgeni Prigoschin bei einem Flugzeugabsturz am Mittwoch ums Leben gekommen. Russische Staatsmedien meldeten am Mittwochabend, Prigoschins Name befinde sich auf der Passagierliste des nordwestlich von Moskau abgestürzten Flugzeuges. Alle Insassen des Flugzeuges seien tot. Im Bild: Prigoschin auf einer Video-Aufzeichnung in Rostow am Don am 24. Juni 2023. Am Tag zuvor hatten seine aufständischen Wagner-Truppen die Kaserne der Stadt und mehrere andere Gebäude besetzt. (Foto: Keystone/Prigozhin Press Service via AP)
Die Ursachen des Flugzeugabsturzes in der Nähe der Stadt Twer (früher Kaliningrad) sind nicht näher bekannt. Bei der Maschine soll es sich um ein Privatflugzeug Prigoschins vom Typ Embraer gehandelt haben. Auch der Name von Dmitri Utkin, einer andern Führungsfigur der Wagner-Gruppe, befand sich laut den offiziellen russischen Informationen auf der Passagierliste.
Wenige Beobachter und Kommentatoren nehmen an, dass es sich bei dem Absturz um ein technisches Versagen handelt. Seit Anfang Mai hat es in und um Moskau mehr als ein Dutzend ukrainische Drohnen-Angriffe gegeben, die jedoch wenig Schaden anrichteten. Die naheliegendste Vermutung ist, dass der Absturz von Prigoschins Maschine durch das russische Militär oder andere vom Kreml kontrollierte Geheimdienste inszeniert worden ist.
Nicht restlos auszuschliessen ist aber auch die Spekulation, dass Prigoschin gar nicht im abgestürzten Flugzeug sass und die Todesmeldung nur dazu dient, die Öffentlichkeit über den Verbleib und das Schicksal des Söldnerführers in die Irre zu führen.
Prigoschin hatte vor und während seiner Revolte im Juni vor allem den Verteidigungsminister Schoigu und Generalstabschef Gerassimow immer wieder aufs Schärfste kritisiert und ihnen Unfähigkeit im Krieg gegen die Ukraine vorgeworfen. Doch es ist schwer vorstellbar, dass die Moskauer Militärführung eine derartigen Flugzeugabsturz ohne Wissen und Zustimmung Putins angeordnet haben könnte. US-Präsident Joe Biden sagte im Zusammenhang mit der Absturz-Nachricht, er wisse nicht, was genau geschehen sei, aber er sei nicht überrascht. Es geschehe nicht viel in Russland heutzutage, bei dem Putin nicht dahinterstehe.
Putin hatte nach Ausbruch der Revolte durch die Wagner-Truppen in einer Fernsehansprache die Anführer der Truppe scharf als «Verräter» bezeichnet, die gnadenlos bestraft würden, ohne jedoch Prigoschin beim Namen zu nennen. Kurz darauf hiess es, die Meuterer hätten freies Geleit ins Nachbarland Belarus bekommen. Wenige Tage später wurde offiziell mitgeteilt, Putin habe Prigoschin und seine Führungsleute zu einem mehrstündigen Gespräch im Kreml empfangen. Die letzten Bilder von Prigoschin zeigen ihn in Kampfmontur in einer afrikanischen Landschaft, wo er die in mehreren Ländern dieses Kontinents aktiven Wagner-Söldner angeführt haben soll.
Die Vermutung, dass Putin persönlich hinter der Eliminierung seines langjährigen Vertrauten aus St. Petersburg und informellen Spiessgesellen Prigoschin steht, erscheint auch deshalb plausibel, weil diese Aktion gut zum Bild eines Mafia-Staates passt, mit dem sein Regime in den letzten Jahren und vor allem seit dem mörderischen Überfall auf die Ukraine häufig verglichen wird. Wenn Putin den Wagner-Anführer nach dessen Revolte im Juni als «Verräter» gebrandmarkt hatte, der hart bestraft würde, so kann man sich lebhaft vorstellen, dass der Kreml-Chef absolut entschlossen war, dieses Verdikt in die Tat umzusetzen – auch wenn er zunächst so tat, als würde er Milde walten lassen und Prigoschin sogar zum Gespräch im Kreml empfing. Mafiosi-Bosse haben bekanntlich ein langes Gedächtnis.