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«OceanGate»

Experten warnten vor dem Tauchgang

21. Juni 2023 , aktualisiert
Titan
(Foto: Keystone/AP)

«Jahre bevor das Tauchboot von ‹​​​​​​​OceanGate› mit fünf Menschen an Bord im Atlantik verschwand, sah sich das Unternehmen mit mehreren Warnungen konfrontiert, als es sich auf seine Hauptaufgabe vorbereitete, wohlhabende Passagiere zu den Wrackteilen der Titanic zu bringen.» Dies schreibt die «New York Times» (NYT) am Mittwoch in einem aufsehenerregenden Artikel.

Bereits im Januar 2018 schlugen laut der NYT «Experten ausserhalb des Unternehmens Alarm». David Lochridge, der Direktor für Schiffsbetrieb bei OceanGate habe damals ein «vernichtendes Dokument» verfasst, in dem er sagte, dass die Kapsel («submersible craft») noch mehrere Tests benötige. Er habe auf «die potenziellen Gefahren für die Passagiere der Titan hingewiesen, wenn das Tauchboot extreme Tiefen erreicht».

Zwei Monate später sei OceanGate «von mehr als drei Dutzend Personen – führenden Vertretern der Branche, Tiefseeforschern und Ozeanographen – in einem Brief an den Geschäftsführer Stockton Rush gewarnt worden, dass der ‘experimentelle’ Ansatz des Unternehmens und seine Entscheidung, auf eine traditionelle Inspektion und Bewertung zu verzichten, zu potenziell ‘katastrophalen’ Problemen bei der Titanic-Mission führen könnte», so die New York Times weiter.

Nicht bereit, «für eine Inspektion zu zahlen»

Rush habe sich aber geweigert, die Tauchkapsel «von einer der führenden Agenturen, die solche Arbeiten durchführen, inspizieren und zertifizieren zu lassen». Die Vorwürfe von Lochridge an die Adresse von Rush seien in Gerichtsakten festgeschrieben. Man habe Lochridge gesagt, «dass OceanGate nicht bereit sei, für eine solche Prüfung zu zahlen». Ein Sprecher von OceanGate habe es abgelehnt, zu den fünf Jahre alten Kritiken von Lochridge Stellung zu nehmen.

Stockton Rush
Archivbild: Stockton Rush (links), CEO und Mitbegründer von OceanGate zusammen mit Pilot Randy Holt an Bord einer Tiefseekapsel im Juni 2013 (Foto: Keystone/AP/Wilfredo Lee)

Nachdem Lochridge seinen Arbeitgeber OceanGate gewarnt hatte, wurde er entlassen.

Stockton Rush, der Geschäftsführer des Unternehmens, ist einer der Passagiere der Kapsel und dient als Pilot des jetzt verschwundenen Boots. Der Luft- und Raumfahrtingenieur und Pilot gründete das Unternehmen mit Sitz in Everett, Washington, im Jahr 2009. In den vergangenen drei Jahren verlangte er bis zu 250’000 Dollar pro Person für die Möglichkeit, das Wrack der Titanic zu besichtigen, die 1912 auf ihrer Jungfernfahrt von England nach New York sank.

Stockton und Wendy Rush
Wendy Rush, die Kommunikationschefin von OceanGate, ist die Ehefrau von Stockton Rush. Sie hat an drei Expeditionen zum Wrack der Titanic teilgenommen. Ausserdem ist sie die Ur-Ur-Enkelin von Isidor und Ida Straus – zwei Passagieren der ersten Klasse, die 1912 an Bord der Titanic waren, als diese sank. Diese gehörten zu den reichsten Passagieren der Titanic. Isidor und sein Bruder Nathan waren Miteigentümer des Kaufhauses Macy's. (Foto: Twitter)

«Einhellige Bedenken»

Während die Suche nach dem Boot weitergeht, würden immer weitere Details bekannt, schreibt die New York Times. So habe Lochridge berichtet, «dass das Sichtfenster, durch das die Passagiere nach draussen sehen können, nur für eine Tiefe von bis zu 1’300 Metern zugelassen ist». Das sei «weit weniger als für Fahrten zur Titanic erforderlich wäre, die fast 4’000 Meter unter der Meeresoberfläche liegt». Die reichen, zahlenden Passagiere wüssten von alldem nichts und «würden auch nicht darüber informiert».

Zudem hätten, so die NYT, 38 Experten aus der Taucherbootbranche eine separate Warnung ausgesprochen. Diese Experten seien alle Mitglieder des Ausschusses für bemannte Unterwasserfahrzeuge der «Marine Technology Society» gewesen, einer 60 Jahre alten Industriegruppe, die die Meerestechnik fördert, studiert und die Öffentlichkeit darüber unterrichtet. Die Experten hätten in ihrem Brief an Rush geschrieben, dass sie «einhellige Bedenken» über die Art und Weise haben, wie der Titan entwickelt wurde, und über die geplanten Missionen zum Wrack der Titanic.

«Zumindest irreführend»

In dem Schreiben heisst es nach Angaben der NYT, dass die Vermarktung des Titan durch OceanGate «zumindest irreführend» gewesen sei, da behauptet worden sei, «dass das Tauchboot die Sicherheitsstandards eines Risikobewertungsunternehmens, bekannt als DNV, erfüllen oder übertreffen würde, obwohl das Unternehmen keine Pläne hatte, das Boot offiziell von der Agentur zertifizieren zu lassen».

Die Absicht, «die Klassifizierungsrichtlinien nicht zu befolgen, wurde als sehr riskant angesehen», sagte Will Kohnen, der Vorsitzende des Ausschusses, am Dienstag in einem Interview mit der New York Times.

Neue Vorwürfe

Inzwischen kommen immer mehr Zweifel an der Seriosität von OceanGate auf.

«Es gibt 10 U-Boote auf der Welt, die 12’000 Fuss und tiefer gehen können», sagte Will Kohnen von der Marine Technology Society. «Alle von ihnen sind zertifiziert, ausser dem OceanGate-Tauchboot».

OceanGate bestätigte, dass das Tauchboot nicht zertifiziert sei, da es sich um eine neue Technologie handle.  Die Klassifizierung innovativer Konstruktionen erfordere oft ein mehrjähriges Genehmigungsverfahren, das einer schnellen Innovation im Wege stehe.

Das in London ansässige Reiseunternehmen Henry Cookson Adventures warf OceanGate vor, kein «seetüchtiges Schiff» zu haben, als es 2016 eine Vereinbarung traf, bis zu neun Passagiere 2018 auf die Titanic zu bringen.

Immer wieder wurden Tauchgänge im letzten Moment abgesagt.

Einige Expeditionen wurden laut einem 2020 von «GeekWire» veröffentlichten Artikel verschoben, nachdem OceanGate gezwungen gewesen war, den Rumpf der Titan neu zu bauen, weil er «zyklische Ermüdung» zeigte und nicht tief genug tauchen konnte, um das Wrack der Titanic zu erreichen.

Ein Tauchgang, an dem David Pogue von CBS News teilnahm, wurde wegen einer Fehlfunktion der Ausrüstung abgebrochen, nachdem man nur 37 Fuss tief getaucht war.

Bei einem späteren Tauchgang verlor die Kapsel den Kontakt zu seinem Mutterschiff und war nicht in der Lage, das Wrack zu finden. «Wir waren zweieinhalb Stunden lang verschollen», sagte ein Passagier gegenüber CBS.

In einer Gerichtsakte vom November, die von einem Berater des Unternehmens eingereicht wurde, heisst es, dass das U-Boot bei einem Tauchgang ein Problem mit der Batterie hatte.

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