Die Ukrainerinnen und Ukrainer feiern an diesem Wochenende Orthodoxe Ostern. Russland hatte es abgelehnt, über die Feiertage eine Feuerpause einzuhalten. Das Bild zeigt Gläubige in der Sankt-Peter-und-Paul-Kathedrale in Lwiw (Lemberg). Die meisten Menschen in der Ukraine fürchten, dass das Schlimmste noch bevorsteht. Satellitenbilder zeigen ein weiteres Massengrab bei Mariupol.
Wird laufend aktualisiert
- Orthodoxe Ostern
- Neues Massengrab entdeckt
- Russen wollen «mehr als nur die Ukraine»
- Butscha-Truppen in Charkiw
- Status quo im Azowstal-Werk
- Briefmarken zeigen die «Moskwa»
- Putin trifft Guterres
Ein weiteres Massengrab
Satellitenbilder des amerikanischen Unternehmens Maxar Technologies zeigen ein Massengrab bei Wynohradne, etwa zwölf Kilometer östlich von Mariupol. Laut Maxar wurde das Gräberfeld zwischen Mitte März und Mitte April ausgehoben.
Bereits am Donnerstag war auf einem Satellitenbild von Maxar ein frisches Gräberfeld beim Friedhof Manhusch, etwa 20 Kilometer östlich von Mariupol zu sehen. Es soll Ende März angelegt und in den letzten Wochen erweitert worden sein, erklärt Maxar Technologies. Vadym Boychenko, der Bürgermeister von Mariupol schätzte, dass dort zwischen 3000 und 9000 tote Zivilisten liegen könnten.
Die Russen wollen nicht nur die Ostukraine
Ein hoher russischer Militärkommandant erklärt, Russland wolle keineswegs nur die Ostukraine erobern, wie einige im Westen glaubten. Rustam Minnekajew, sagte, Russland wolle die Kontrolle über ein Gebiet übernehmen, das sich von seiner eigenen Grenze über die Südukraine bis zu einer pro-russischen Separatistenenklave «Transnistrien» in Moldawien, dem südwestlichen Nachbarn der Ukraine, erstreckt.
Präsident Selenskyj betont, die Aussagen aus Russland bestätigten, was er bereits mehrmals gesagt habe: «Dass die russische Invasion in die Ukraine nur der Anfang sein sollte und die Russen nachher andere Länder einnehmen wollen.»
«Transnistrien»
Transnistrien, ein sezessionistisches langgezogenes, dreieinhalbtausend Quadratkilometer grosses Gebiet, gehört zur Republik Moldau (Moldawien) und liegt an der ukrainischen Westgrenze. 1990 hatte sich der Landstreifen, in dem eine halbe Million Menschen wohnen, von Moldawien losgesagt und sich unter russische Dominanz begeben. Hauptstadt ist Tiraspol. Transnistrien wird international nicht anerkannt und wird ausschliesst von Russland gestützt. In Transnistrien befinden sich seit längerem russische Militärstützpunkte. Ukrainische Regierungsbeamte fürchten, die Russen könnten die Ukraine auch von Transnistrien angreifen.
Die Butscha-Truppen bei Charkiw im Einsatz
Russische Truppen haben nach Informationen des ukrainischen Generalstabs vom Samstag Ziele entlang der gesamten Donbass-Front im Osten des Landes angegriffen. «In Richtung Donezk führt der Feind Angriffshandlungen entlang der gesamten Frontlinie durch.» Im Zentrum der Angriffe stand die Grossstadt Sjewjerodonezk bei Luhansk. Angriffe auf Rubischne, Popasna und Marjinka seien abgewehrt worden.
Nördlich davon versuchen die russischen Truppen bei Isjum in der Nähe von Charkiw weiter nach Süden vorzustossen, um die ukrainischen Truppen einzukesseln. Beteiligt an den Angriffen sind nach ukrainischen Angaben jetzt jene russischen Truppen, die in der Kiewer Vorstadt Butscha ein Massaker angerichtet hatten.
«Keine wesentlichen Gebietsgewinne»
Westliche Geheimdienste erklären, die Russen hätten bei ihrem Angriff auf den Donbass bisher keine «wesentlichen Gebietsgewinne» verbuchen können. Der russische Vorstoss habe begonnen, bevor sich die russischen Truppen, die durch den erfolglosen Versuch, die Hauptstadt Kiew einzunehmen, erschöpft und geschwächt waren, vollständig regenerieren und erholen konnten. Russlands Kampf um die Einnahme von Mariupol, insbesondere die anhaltende Blockade eines ausgedehnten Stahlwerks, in dem sich ukrainische Verteidiger und Zivilisten verschanzt haben, sei zwar weitgehend erfolgreich, forderte aber einen hohen Tribut von den russischen Kräften.
«Wir werden gewinnen»
«Wir sind uns absolut sicher, dass die Ukraine diesen Krieg gewinnen wird, und zwar in sehr kurzer Zeit», sagt der ukrainische Ministerpräsident Denys Schmyhal im amerikanischen Fernsehsender CNN. Schmyhal stattete Washington einen Besuch ab.
Keine Evakuierungen
Wegen der intensivierten Kämpfe wurden am Freitag keine Zivilisten aus belagerten und beschossenen Städten und Dörfern herausgeführt. Die ukrainische Regierung erklärte, die Kämpfe am Freitag machten es zu gefährlich, Evakuierungen zu organisieren.
Gräueltaten vertuschen
Die auf Satellitenbildern des amerikanischen Technologie-Unternehmens Maxar gezeigten Massengräber bei Mariupol haben weltweite Entrüstung ausgelöst. Die offenbar sehr eilig ausgehobenen Gräber, untermauern die ukrainische Behauptung, dass die Russen versuchen, Gräueltaten zu vertuschen. Nach Angaben der Stadtverwaltung von Mariupol könnten sich in den Gräbern 3000 bis 9000 Zivilisten befinden. Das Gräberfeld liegt etwa 20 Kilometer östlich von Mariupol beim Friedhof Manhusch.
Status quo im «Azowstal»-Werk
Im Azowstal-Werk in Mariupol sind nach wie vor vermutlich mehrere tausend Menschen eingeschlossen. Sie werden von russischen Truppen so belagert, dass «nicht einmal eine Fliege» herauskommen kann, wie Putin sagte. Ziel der Russen ist es nach Einschätzung von westlichen Geheimdienstkreisen, die Belagerten auszuhungern.
«Unterwasserkulturerbe»
Der Untergang der «Moskwa» ist eines der wichtigsten Ereignisse des bisherigen Krieges in der Ukraine.
Es war das Flaggschiff der russischen Schwarzmeerflotte, ein Raketenkreuzer mit mehr als 500 Mann Besatzung, der von einer Nation mit einer weitaus kleineren Marine versenkt wurde.
Nun wurde das Wrack des Stolzes der russischen Flotte zum ukrainischen «Unterwasserkulturerbe» erklärt. Es hat die Nummer 2064 und fällt unter die Kategorie der seltenen wissenschaftlichen oder technischen Geräte.
In einem Beitrag auf der offiziellen Facebook-Seite des Verteidigungsministeriums heisst es: «80 Meilen von Odessa entfernt kann der berühmte Kreuzer und das grösste versunkene Objekt auf dem Grund des Schwarzen Meeres ohne grosse Tauchgänge bewundert werden!»
Zur Feier des Untergangs wurden spezielle Gedenkbriefmarken hergestellt. Menschen standen in Kiew stundenlang Schlange, um ein Exemplar zu ergattern.
Russland hat inzwischen zugegeben, dass es auf der Moskwa Tote gegeben hat.
«Eine Horrorgeschichte»
Michelle Bachelet, die Hohe Kommissarin der Vereinten Nationen für Menschenrechte, nannte den Krieg am Freitag eine «Horrorgeschichte von Verstössen gegen die Zivilbevölkerung».
«Das humanitäre Völkerrecht wurde nicht nur ignoriert, sondern scheinbar über Bord geworfen», sagte sie.
Sie bezeichnete den Angriff auf den Bahnhof in Kramatorsk, bei dem mehr als 50 Zivilisten getötet und zahlreiche verletzt wurden, als «sinnbildlich für die wahllose Bombardierung ziviler Ziele durch die russischen Streitkräfte», die auf Kriegsverbrechen hinauslaufen könnte.
«Unsere bisherige Arbeit hat eine Horrorgeschichte von Verstössen gegen die Zivilbevölkerung aufgezeigt», erklärte sie.
Die ukrainischen Streitkräfte hätten zwar Übergriffe begangen, darunter auch die Misshandlung oder Folterung von Kriegsgefangenen, doch die überwiegende Mehrheit der mutmasslichen Übergriffe werde den russischen Streitkräften zugeschrieben, sagte Ravina Shamdasani, eine Sprecherin des UN-Menschenrechtsbüros, bei einer Pressekonferenz in Genf.
Sie sagte, die Menschenrechtsbeobachter der Vereinten Nationen in der Ukraine hätten die summarische Hinrichtung von 50 Zivilisten in Butscha, einige Kilometer westlich der ukrainischen Hauptstadt Kiew, dokumentiert. Die Beobachter untersuchen Anschuldigungen, die die Tötung von mehr als 300 Zivilisten in anderen von den russischen Streitkräften kontrollierten Gebieten sowie 75 Fälle von sexueller Gewalt betreffen, erklärte Shamdasani.
Die Uno schätzt, dass mindestens 3’000 Zivilisten gestorben sind, weil sie keinen Zugang zu medizinischer Versorgung hatten oder aufgrund der schwierigen Bedingungen, zu denen auch das tagelange oder wochenlange Ausharren in Kellern oder Wohnungen gehört, so Michelle Bachelet in ihrer in Genf veröffentlichten Erklärung.
«Die Befehlshaber der Streitkräfte müssen ihren Kämpfern klar machen, dass jeder, der in solche Verstösse verwickelt ist, strafrechtlich verfolgt und zur Rechenschaft gezogen wird», sagte Bachelet.
Dauert der Krieg bis Ende Jahr?
Der britische Premierminister Boris Johnson erklärte, es gebe eine «realistische Möglichkeit», dass der Krieg in der Ukraine bis Ende Jahr dauern werde.
Putin trifft Guterres
Der russische Präsident Wladimir trifft am kommenden Dienstag in Moskau mit Uno-Generalsekretär António Guterres zusammen. Dies teilte der Kreml mit. Guterres hatte Anfang der Woche um ein Treffen mit Putin gebeten, um «dringende Schritte zur Herbeiführung des Friedens zu erörtern».
Russische Zurückhaltung in Mariupol
Weshalb haben die russischen und pro-russischen Kräfte das Stahlwerk Azowstal in Mariupol nicht gestürmt? Westliche Geheimdienste glauben, die russischen Streitkräfte seien in Mariupol schwer angeschlagen. Ein endgültiger Angriff auf das Werk hätte mit ziemlicher Sicherheit zu weiteren Opfern für Russland geführt, dessen Armee bereits schwere Verluste erlitten haben, erklären ukrainische Analysten.
Es sei unmöglich, genau zu wissen, wie viele russische Soldaten in der Schlacht um Mariupol getötet wurden. Das renommierte «Institute for the Study of War», ein Washingtoner Thinktank, erklärte, sie hätten «hohe Verluste» erlitten.
«Russische Streitkräfte, die an der Schlacht um Mariupol beteiligt waren, sind wahrscheinlich schwer beschädigt, und den ukrainischen Streitkräften ist es gelungen, eine beträchtliche russische Streitmacht zu binden und zu schwächen», heisst es in der Analyse des Thinktank.
«Mariupol gibt es nicht mehr», hatte der ukrainische Aussenminister am Sonntag erklärt. Neunzig Prozent der Stadt seien zerstört oder beschädigt. Nach Angaben des Bürgermeistern forderte der Krieg mindestens 22’000 Tote.
Zuerst Kapitulation, dann Freilassung der Zivilisten
Die stellvertretende ukrainische Ministerpräsidentin Iryna Wereshchuk sagte am Freitag, die russische Armee habe deutlich gemacht, dass sie die Zivilisten, die sich zusammen mit ukrainischen Kämpfern im Werk verschanzt haben, nicht aus dem Werk herauslassen, bevor die Soldaten kapituliert haben. Wereshchuk schätzte, dass sich noch etwa 1000 Zivilisten, darunter viele Frauen, Kinder und ältere Menschen, in der Anlage aufhielten. Russland hat die Kämpfer im Werk zweimal aufgefordert zu kapitulieren.
Der Papst nennt Putin nicht
Papst Franziskus hat seine Entscheidung verteidigt, den russischen Präsidenten Putin in seinen wiederholten Verurteilungen des Krieges in der Ukraine nicht direkt beim Namen zu nennen, und sagte, er sei bereit, «alles» zu tun, damit «es nicht noch einen weiteren Toten in der Ukraine gibt».
«Ein Papst nennt niemals ein Staatsoberhaupt, geschweige denn ein Land», sagte Franziskus in einem am Donnerstag von der argentinischen Zeitung «La La Nación» veröffentlichten Interview.
Evakuierungen nur mit der Uno
Die Evakuierung von etwa 100’000 Menschen, die in Mariupol eingeschlossen sind, wird nur mit Hilfe der Uno gelingen, sagt die stellvertretende ukrainische Ministerpräsidentin.
Iryna Wereshchuk erklärte der BBC, die Uno müsse sich an der Einrichtung von humanitären Korridoren beteiligen. Sie sei die «einzige Organisation mit der Kapazität und Stärke, den Tod zu verhindern», habe aber bisher «die Ereignisse nur beobachtet».
Uno-Generalsekretär António Guterres, wird am Dienstag in Moskau mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin zusammentreffen.
Wereshchuk sagte: «Die Uno und Guterres müssen sich engagieren, Korridore einzurichten.»